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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

VG Koblenz 5 K 614/20.KO


Verwaltungsgericht Koblenz

5 K 614/20.KO VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ

Die Entscheidung ist rechtskräftig!

URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verwaltungsrechtsstreit

*** ***** ****** ******, ************** *, ***** ***************, - Kläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Baiker & Richter, Kaiserswerther Straße 263, 40474 Düsseldorf,

gegen

die Verbandsgemeinde ***, vertreten durch den Bürgermeister, ***,

  - Beklagte -

wegen Gewerberechts hier: Erteilung einer Reisegewerbekarte


hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom 26. Januar 2021, an der teilgenommen haben Präsident des Verwaltungsgerichts

    Dr. Geis Richter am Verwaltungsgericht

    Dr. Klein Richter

    Dr. Kuhn ehrenamtlicher Richter

    Dipl.-Ing. Rollepatz ehrenamtliche Richterin

    Büroangestellte Sartor

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2020 und teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Altenkirchen vom 23. Juni 2020 dazu verpflichtet, dem Kläger eine Reisegewerbekarte auch für das Anbieten von Leistungen und das Aufsuchen von Bestellungen auf Leistung für Maurer-, Klempner-, Trockenbau- und Fassadenarbeiten zu erteilen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger, der über einen Gesellenbrief im Dachdeckerhandwerk verfügt, begehrt die Erteilung einer Reisegewerbekarte für verschiedene Handwerksbereiche. Bereits mit – in der Folge nicht beschiedenem – Antrag vom 31. Januar 2019 beantragte er gegenüber der beklagten Verbandsgemeinde die Erteilung einer Reisegewerbekarte. Nachdem die Beklagte ihn auf fehlende Unterlagen und Angaben hingewiesen hatte, ohne die eine abschließende Bearbeitung des Antrags nicht möglich sei, stellte der Kläger am 7. Mai 2019 unter Vorlage weiterer Unterlagen einen neuen Antrag auf Erteilung einer Reisegewerbekarte. Er begehrte insoweit (sinngemäß) folgende Eintragungen:

1. Feilbieten/Ankauf folgender Waren und Aufsuchen von Bestellungen für folgende Waren: Bau- und Dämmstoffe natürlicher und künstlicher sowie organischer und anorganischer Art;

2. Anbieten folgender Leistungen und Aufsuchen von Bestellungen für folgende Leistungen: Dachdecker- und Zimmererarbeiten, Klempnerarbeiten, Maurerarbeiten, Fassadenarbeiten, Flachdacharbeiten, Bauwerksabdichtungsarbeiten, Trockenbauarbeiten, Schornsteinverkleidungen, Dachfenstereinbau.

Unter dem 11. Juli 2019 erklärte der Kläger ergänzend zu seinem Antrag, es sei beabsichtigt, die Aufträge durch Vorsprechen beim Kunden zu akquirieren. Der Einsatz von Werbemitteln sei nicht vorgesehen.

Die Beklagte beabsichtigte grundsätzlich, dem Kläger eine Reisegewerbekarte mit den begehrten Eintragungen auszustellen. Da es jedoch im Reisegewerbe lediglich einen schmalen Bereich gebe, in dem ein Handwerk ohne den großen Befähigungsnachweis im Sinne der Handwerksordnung ausgeführt werden dürfe, seien die oben unter 2. aufgeführten Tätigkeiten jeweils auf „Reparaturen und kleinere Handreichungen“ zu beschränken. Der Kläger zeigte sich hiermit nicht einverstanden und verweigerte die Entgegennahme einer Reisegewerbekarte mit den vorstehenden Einschränkungen.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2020 die Erteilung einer Reisegewerbekarte gänzlich ab, da der Kläger unzuverlässig sei. Aufgrund der Viel-zahl der von ihm beantragten handwerklichen Tätigkeiten könne er nicht die Gewähr dafür bieten, dass er sämtliche Tätigkeiten „mit entsprechender Gewährleistung“ ausüben werde.

Auf den Widerspruch des Klägers vom 9. April 2020 verpflichtete der Kreisrechtsausschuss des Landkreises Altenkirchen die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 12. März 2020 mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2020 dazu, dem Kläger eine Reisegewerbekarte für Dachdecker- und Zimmereiarbeiten, Flachdacharbeiten, Bauwerksabdichtungen, Schornsteinverkleidungen und zum Dachfenstereinbau zu erteilen. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Hin-sichtlich der vorgenannten Tätigkeiten sei durch seinen Gesellenbrief im Dachdeckerhandwerk sichergestellt, dass der Kläger diese handwerklichen Tätigkeiten ord-nungsgemäß ausführen werde. Bei den darüber hinaus beabsichtigten Klempner-, Maurer-, Fassaden- und Trockenbauarbeiten fehle es jedoch an einem Zusammen-hang mit dem vom Kläger eigentlich ausgeübten Dachdeckerhandwerk. Diesbezüglich könne der Kläger keine Gewähr dafür bieten, dass er seine Arbeiten ordnungs-gemäß ausüben werde, weshalb die Reisegewerbekarte zum Schutz der Verbraucher insoweit nicht zu erteilen sei.

Mit seiner am 15. Juli 2020 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Erteilung einer Reisegewerbekarte auch hinsichtlich der weiteren von ihm beabsichtigten Ar-beitsleistungen. Der Versagungsgrund der Unzuverlässigkeit liege bei ihm nicht vor. Soweit der Kreisrechtsausschuss das Erfordernis eines Gesellenbriefes im Reise-gewerbe einführe, sei dies nicht mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar; er lasse insoweit außer Acht, dass Sachkunde und Zuverlässigkeit voneinander unab-hängige Merkmale seien. Eine Prüfung der fachlichen Qualifikation sei für eine handwerkliche Tätigkeit im Reisegewerbe nicht vorgesehen; ein Befähigungsnachweis müsse nach der Entscheidung des Gesetzgebers gerade nicht erbracht werden. Ungeachtet dessen könne von seiner fehlenden Sachkunde für die Ausführung von Klempner-, Maurer-, Fassaden- und Trockenbauarbeiten nicht ausgegangen werden, da er seit nunmehr fast 20 Jahren beruflich im Bauhandwerk tätig sei.

Der Kläger beantragt sachdienlich, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 12. März 2020 und teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Altenkirchen vom 23. Juni 2020 zu verpflichten, ihm eine Reisegewerbekarte auch für das Anbieten von Leistungen und das Aufsuchen von Bestellungen auf Leistung für Maurer-, Klempner-, Trockenbau- und Fassadenarbeiten zu erteilen.

Die Beklagte teilt mit, keine weitere Stellungnahme abgeben zu wollen. Sie folge der Entscheidung des Kreisrechtsausschusses. Aufgrund der Vielzahl der beantragten Arbeiten, die im stehenden Gewerbe ein zulassungspflichtiges Handwerk darstellten und für die kein Befähigungsnachweis vorgelegt worden sei, könne sie keine positive Zuverlässigkeitsprognose abgeben. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Ver-waltungsvorgang der Beklagten und den Widerspruchsvorgang des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Altenkirchen (zwei Akten) verwiesen. Sämtliche Unterla-gen sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über welche die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –), hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Reisegewerbekarte in dem von ihm mit seiner Klage beantragten Umfang. Soweit der Bescheid der Beklagten vom 12. März 2020 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses der Landkreises Altenkirchen vom 23. Juni 2020 die Erteilung einer Reisegewerbekarte ablehnen, sind sie rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 Gewerbeordnung – GewO –. Danach betreibt ein Reisegewerbe, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche zu haben Waren feilbietet oder Bestellungen aufsucht (vertreibt) oder ankauft, Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistungen aufsucht.

Wer ein Reisegewerbe betreiben will, bedarf nach § 55 Abs. 2 GewO der Erlaubnis (Reisegewerbekarte), soweit es sich nicht um eine reisegewerbekartenfreie Tätigkeit im Sinne von §§ 55a und 55b GewO handelt. Ist Letzteres – wie bei den vom Kläger beabsichtigten reisegewerblichen Tätigkeiten – nicht der Fall, regelt § 57 GewO die Voraussetzungen zur Erteilung einer Reisegewerbekarte. Nach § 57 Abs. 1 GewO ist die Reisegewerbekarte zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die beabsichtigte Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Dies ist hier nicht der Fall. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Unzuverlässigkeit im Sinne von § 57 Abs. 1 GewO handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. nur Rossi, in: BeckOK GewO, 52. Ed. 1. September 2020, § 57 Rn. 1; Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 57 Rn. 7).

Als unzuverlässig im gewerberechtlichen Sinne gilt im Allgemeinen, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 146.80 –, BVerwGE 65, 1 [1 f.]). Zu beachten ist jedoch, dass im Reisegewerbe lediglich die persönliche Zuverlässigkeit überwacht wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2000 – 1 BvR 2176/98 –, ju-ris, Rn. 30; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 1. April 2004 – 6 B 5.04 –, juris, Rn. 8; VGH BW, Urteil vom 29. April 1997 – 14 S 1280/96 –, juris, Rn. 35; Korte, in: Friauf, GewO, 237. EL Oktober 2009, Vorbem. vor Titel III Rn. 117; Ambs, in: Friauf, GewO, 288. EL November 2015, § 145 Rn. 11; Rossi, in: BeckOK GewO, 52. Ed. 1. September 2020, § 55 Rn. 27; Burgi, GewArch Beilage WiVerw 2018, 181 [228]; Bulla, GewArch Beilage WiVerw 2019, 182 [190]).

Insofern unterscheidet sich das Reisegewerbe maßgeblich von dem Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Handwerksordnung – HwO –). Während bei Letzterem durch das grundsätzliche Erfordernis einer bestandenen Meisterprüfung (§ 7 Abs. 1a HwO) neben der persönlichen auch die fachliche Zuverlässigkeit des Betriebsinhabers garantiert wird, fehlt es im Reisegewerberecht, auf das die Vorschriften über das stehende Gewerbe keine Anwendung finden, nach der Konzeption des Gesetzgebers an einer solchen Garantie. Soweit die Beklagte im Anschluss an den Kreisrechtsausschuss des Landkreises Altenkirchen den Standpunkt vertritt, der Kläger müsse für das auszuübende Reisegewerbe (mindestens) über einen Gesellenbrief verfügen, da er anderenfalls nicht die Gewähr für das ordnungsgemäße Ausüben der beabsichtigten Arbeiten biete, nimmt sie der Sache nach über das Kriterium der Zuverlässigkeit eine Vorab-Bewertung der fachlichen Zuverlässigkeit vor. Dies findet jedoch – wie ausgeführt – im Gesetz keine Stütze. Auch das Argument, der Verbraucherschutz gebiete eine solche Betrachtung, verfängt nicht.

Der Gesetzgeber hat dem Schutz der Verbraucher grundsätzlich schon insoweit Rechnung getragen, als er einzelne besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten im Reisegewerbe verboten hat (vgl. § 56 Abs. 1 GewO, aber etwa auch § 2 Abs. 1 Satz 2 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz); ferner kann die Reisegewerbekarte zum Schutze der Allgemeinheit oder der Verbraucher inhaltlich beschränkt, mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden (§ 55 Abs. 3 Halbs. 1 GewO). Für eine weitergehende Prüfung der fachlichen Qualifikation eines Antragstellers bleibt danach grundsätzlich kein Raum.

Auch wenn die damit einhergehende rechtliche Privilegierung des Reisegewerbes rechtspolitisch nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sein mag (kritisch etwa Hüpers, GewArch 2004, 230 [233]; Bulla, GewArch Beilage WiVerw 2019, 182 [193 ff.] m.w.N.), steht einer einschränkenden Auslegung der §§ 55 ff. GewO, wie sie sowohl von der Beklagten als auch vom Kreisrechtsausschuss vorgenommen worden ist, der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes entgegen. Die vom Gesetzgeber getroffene Einschätzung kann von den Gerichten mangels gesetzlicher Grundlage nicht korrigiert werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. September 2000 – 1 BvR 2176/98 –, juris, Rn. 30 a.E.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann von einer (persönlichen) Unzuverlässigkeit des Klägers nicht ausgegangen werden.

Dies gilt selbst dann, wenn man insoweit wegen der besonderen Gefahren des Reisegewerbes für die Allgemeinheit einen (noch) strengeren Maßstab als bei § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO anlegt (in diesem Sinne VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 18. April 2012 – 4 L 282/12.NW –, juris, Rn. 13; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. November 2013 – 7 K 4435/12 –, juris, Rn. 34; tendenziell noch anders BVerwG, Beschluss vom 27. November 1992 – 1 B 204.92 –, juris, Rn. 3). Denn die von dem Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen lassen keine Zweifel an dessen persönlicher Zuverlässigkeit zu. Namentlich wird dem Kläger bescheinigt, seinen steuerlichen Erklärungspflichten in den letzten 24 Monaten immer pünktlich nachgekommen zu sein, die festgesetzten und fälligen Steuern innerhalb der letzten 12 Monate immer pünktlich entrichtet zu haben (Bescheinigung des Finanzamts A*** vom 21. Januar 2019 und Unbedenklichkeitsbescheinigung der Verbandsgemeindekasse der Beklagten), sich nicht in einem Insolvenzverfahren zu befinden oder befunden zu haben (Bescheinigung des Amtsgerichts B*** vom 17. Januar 2019) sowie über keine Eintragungen im Schuldnerverzeichnis der Länder (Abfrage vom 30. Januar 2019), im Führungszeugnis (Mitteilungen des Bundesamtes für Justiz vom 9. Januar 2019 und 12. April 2019) und im Gewerbezentralregister (Auskunft des Bundesamtes für Justiz vom 1. April 2019) zu verfügen.

Damit korrespondierend werden auch von der Beklagten Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit des Klägers nicht geltend gemacht. Soweit die Beklagte allein auf die fehlende Sachkunde des Klägers verweist und daraus eine Unzuverlässigkeit des Klägers im Sinne von § 57 Abs. 1 GewO herzuleiten versucht, verfängt dies nicht. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob in Fällen, in denen die fehlende fachliche Qualifikation eines Antragstellers offenkundig und für jedermann ersichtlich ist, ausnahmsweise – trotz in der Vergangenheit nicht vorliegender Verfehlungen – Rückschlüsse dahingehend zulässig sind, dass ein ordnungsgemäßes Verhalten in Zukunft ausgeschlossen ist (vgl. ausführlich und m.w.N. Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 35 Rn. 60; vgl. ferner für das vielfach bemühte Beispiel eines Schwimmlehrers, der nicht schwimmen kann: Eifert, JuS 2004, 565 [569] m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier erkennbar nicht vor. Der Kläger ist nach seinem unbestritten gebliebenen Vortrag seit nunmehr fast 20 Jahren beruflich im Bauhandwerk tätig und er verfügt über einen Gesellenbrief im Dachdeckerhandwerk.

Die von ihm im Wege des Reisegewerbes beabsichtigten Maurer-, Klempner-, Trockenbau- und Fassadenarbeiten stehen aber zumindest – wie der Kläger in seiner Klagebegründung nachvollziehbar dargelegt hat – in einem erweiterten Zusammenhang mit den im Dachdeckerhandwerk anfallenden Tätigkeiten, sodass von einer gänzlichen Ungeeignetheit des Klägers zur Ausübung der von ihm beabsichtigten Tätigkeiten ersichtlich nicht ausgegangen werden kann. Ebenso wenig kann sich die Beklagte auf eine inhaltliche Beschränkung der Reisegewerbekarte nach § 55 Abs. 3 GewO berufen. Nach dieser Vorschrift kann die Reisegewerbekarte inhaltlich beschränkt werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit oder der Verbraucher erforderlich ist. Ungeachtet dessen, dass sich die Beklagte hier nicht auf eine inhaltliche Beschränkung, sondern ausdrücklich auf den Unzuverlässigkeitstatbestand des § 57 Abs. 1 GewO beruft, liegen die Voraussetzungen für eine inhaltliche Beschränkung schon wegen des bestehenden erweiterten Zusammenhangs der begehrten mit den im Dachdeckerhandwerk anfallenden Tätigkeiten nicht vor.

Im Übrigen soll mit einer Beschränkung sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen der Reisegewerbeerlaubnis erfüllt werden (vgl. Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, 84. EL Februar 2020, § 55 Rn. 112). Alleinige Voraussetzung der Reisegewerbeerlaubnis ist indes – wie dargelegt – die persönliche Zuverlässigkeit des Antragstellers, an der hier keine Zweifel bestehen. Liegt nach alledem ein Versagungsgrund im Sinne von § 57 Abs. 1 GewO nicht vor, ist dem Kläger die Reisegewerbekarte in dem von ihm beantragten Umfang zu erteilen. Ein Ermessen der Behörde besteht insoweit nicht (vgl. nur Rossi, in: BeckOK GewO, 52. Ed. 1. September 2020, § 55 Rn. 1). Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten weist die Kammer abschließend darauf hin, dass sich die mit dem vorliegenden Urteil ausgesprochene Verpflichtung  der Beklagten, dem Kläger eine Reisegewerbekarte zu erteilen, eingedenk des gestellten Klageantrags auf die mit Ziffer 2. des Antrags auf Erteilung einer Reisegewerbekarte vom 7. Mai 2019 beabsichtigten Leistungen beschränkt (§ 88 VwGO).

Die durch die Beklagte zu erteilende Reisegewerbekarte wird indes auch die unter Ziffer 1. des Antrags vom 7. Mai 2019 bezeichneten Eintragungen zu berücksichtigen haben, soweit der Kläger diese weiterhin begehrt. Insoweit vermag die Kammer keine Anhaltspunkte zu erkennen, welche diesen Eintragungen entgegenstehen könnten. Dies dürfte im Übrigen auch der Sichtweise der Beklagten entsprechen, da sie ursprünglich beabsichtigt hatte, bezüglich Ziffer 1. eine uneingeschränkte Reisegewerbekarte zu erteilen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung. Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124, 124a VwGO), liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen. Dabei müssen sie sich durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation vertreten lassen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument einzureichen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf die-ser Abweichung beruht oder 5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

gez. Dr. Geis gez. Dr. Klein gez. Dr. Kuhn



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