Meisterzwang ist verfassungswidrig, Regelungszweck des Meisterzwang, Meisterzwang verlangt ein Übermaß, Meisterzwang ist unbestimmt, Meisterzwang diskriminiert im Inland erworbene Erfahrungen, Meisterzwang Verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz
Kurzfassung der vom BUH dem Bundesverfassungsgericht vorgetragenen Argumente gegen den Meisterzwang
In unseren Stellungnahmen zu den entschiedenen Verfassungsbeschwerden (insbesondere zu 1 BvR 1730/02) zum Meisterzwang haben wir folgende Argumente vorgetragen:
Zu den vorausgegangenen Urteilen:
- Bei dem Bußgeld und den Urteilen gegen den Beschwerdeführer handelt es
sich um einen von vielen Tausend Fällen, in denen Jahr für Jahr wirtschaftlich
erfolgreiche Unternehmen durch ungerechtfertigten Verfolgungen vom Markt
verdrängt werden. Allein für Baden-Württemberg gibt der Wirtschaftskontrolldienst
an jährlich ca. 500 Durchsuchungen durchzuführen und 2.800 Anzeigen zu
erstatten. Auch beim Beschwerdeführer ging dem Bußgeldbescheid eine
Hausdurchsuchung voraus.
Den betroffenen Unternehmer wird ihre wirtschaftliche Existenz geraubt.
Die Mitarbeiter in den Unternehmen werden arbeitslos.
- Der Bußgeldbescheid und die Urteile gegen den Beschwerdeführer sind -
wie viele andere Bußgeldbescheide und Urteile auch - rechtsfehlerhaft,
denn die Urteilen enthalten keine nachvollziehbaren Darlegungen,
welche Tätigkeiten, die dem Meisterzwang unterfallen, der Beschwerdeführer
konkret ausgeführt haben soll.
- In den Urteilen wurde nicht dargelegt, warum der Beschwerdeführer
gerade vorsätzlich (statt nur fahrlässig) gegen § 1 Abs.1 Nr. 3 SchwArbG
verstoßen haben soll, aber nur vorsätzliche Ordnungswidrigkeiten
können verfolgt werden.
- Wie bei anderen Verfahren auch, wurde Entlastendes offensichtlich nicht ermittelt. Das Urteil des Amtsgerichts Tettnang korrigierte immerhin, dass Umsätze für Arbeiten die der Beschwerdeführer nicht selber ausgeführt hat, nicht als Grundlage für die Bestimmung der Höhe des Bußgeldes herangezogen werden können. Es fehlen aber Darlegungen, warum der Beschwerdeführer nicht eine Ausnahmebewilligung erhalten kann, was strafmildernd gewertet werden müßte.
- Der Fall des Beschwerdeführers entspricht im Wesentlichen jenem Fall, der seinerzeit dem Handwerks-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17.7.1961 - 1 BvL 44/55 - zugrunde lag und den das Bundesverfassungsgericht damals als einen Ausnahmefall im Sinne des § 8 HwO (damals : § 7 Abs.2) angesehen hat.
Zum Meisterzwang allgemein:
- Gemäß der Begründung der Handwerksnovelle 2003/2004 gehen die Bundesregierung und die damaligen Regierungsfraktionen davon aus, dass der Meisterzwang in seiner jetzigen Form verfassungswidrig ist und versuchten durch den Wechsel des Gesetzeszwecks und diverser Einzeländerungen die Verfassungsmäßigkeit für die Zukunft wieder herzustellen, im Ergebnis erfolglos.
- Die bisher seit Beginn des Meisterzwangs im Jahre 1935 stets praktizierte Freistellung nichtgewerblicher Tätigkeiten ("Häuslebauen", "Autobasteln" usw.) und des Reisegewerbes vom Meisterzwang ist nicht mit dem vorgesehenen Meisterzwang für "gefahrgeneigte" Tätigkeiten zu vereinbaren, es liegt ein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Außerdem zeigt diese bestehende Freistellung, dass keine Einschränkung der Berufsfreiheit notwendig ist, um Schutz vor Gefahren durch Handwerksausübung zu gewährleisten. Der Meisterzwang wäre auch nicht geeignet diesen Schutz zu schaffen.
Der Meisterzwang an sich ist verfassungswidrig; er verletzt verschieden Grundrechte:
- Der Meisterzwang verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot der Artikel 20 und 103 Abs.2 GG, weil Betroffene nur durch Feststellungsklagen ermitteln können, was sie nicht dürfen. Zumindest die Begriffe "wesentliche Tätigkeit" und "handwerksmäßig" in § 1 Abs. 2 HwO bedürfen einer gesetzlichen Präzisierung, um anwendbar zu sein.
- Der Meisterzwang verletzt das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Artikel 12 GG) schwerwiegend und unverhältnismäßig. Die beabsichtigten Regelungszwecke (sowohl die Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben von Dritten als auch die Ausbildungsleistung werden nur unvollkommen erreicht und es gibt Möglichkeiten diese Regelungszwecke zu erreichen, ohne die Betroffenen mit einem Berufsverbot zu belasten.
- Gefahrenabwehr
Die Berufsgenossenschaften haben seit vielen Jahrzehnten die "Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben Dritter" und für den einzelnen Handwerker selbst zu gewährleisten. Die Berufsgenossenschaften fordern aber in keinem einzigen der Handwerksberufe der Anlage A zur HwO die "Meister"-Qualifikation als Voraussetzung sicherer Gewerbeausübung.
Sie fordern maximal Gesellen- / Facharbeiterniveau als Voraussetzung für das Ausüben bestimmter Tätigkeiten (nicht gleich eines ganzen Gewerbes). Häufig ist das geforderte Niveau aber deutlich niedriger.
Die meisten Gefahren bei handwerklichen Tätigkeiten gehen nicht von mangelnden Fachkenntnissen sondern von mangelnder persönlicher Zuverlässigkeit aus.
- Ausbildungsleistung
Der Meisterzwang stellt die Ausbildungsleistung in keiner Weise sicher. Um einen hohe Ausbildungsleistung zu erreichen, könnte eine Ausbildungsabgabe eingeführt werden. Diese würde im Gegensatz zum Meisterzwang in nachvollziehbarer Weise die Ausbildungsbereitschaft erhöhen und keine Grundrechte verletzen. Sie wäre ein milderes Mittel. Es erscheint nicht logisch die Ausbildungsleistung dadurch zu erhöhen, indem die Anzahl der möglichen Ausbildungsbetriebe künstlich niedrig gehalten wird. Niemand fordert in anderen Bereichen einen Meisterzwang um dort die Ausbildungsleistung zu steigern.
- Der Meisterzwang in Verbindung mit § 9 HwO verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot (Artikel 3 GG) - er konstituiert eine Inländerdiskriminierung, die in Österreich zur Abschaffung des Meisterzwang geführt hat.
- Der Meisterzwang wurde seit der BVerfGE 13, 97 vom 17.07.1961 mehrfach und entscheidend verschärft. Eine verfassungsrechtliche Neubewertung des Meisterzwangs ist schon deswegen dringend erforderlich. Außerdem verstoßen diese Verschärfungen dem EU-Recht.
Die Handwerksnovelle 2003/2004 hat den Meisterzwang zwar in manchen Bereichen gelockert. Für die Beschwerdeführer ergaben sich dadurch allerdings keine Erleichterungen. Die bisherigen Argumente für die Verfassungswidrigkeit des Meisterzwangs bleiben bestehen. Neue Argumente kommen aufgrund der Änderung des Regelungszwecks hinzu.
Ausnahmebewilligungen nach § 8 HwO und Ausübungsberechtigungen nach § 7b HwO (Altgesellenregelung) erfüllen aufgrund der Praxis der Genehmigungsbehörden nicht ihren Zweck zur Wiederherstellung des Grundrechts auf freie Berufsausübung.
Der Meisterzwang wird in mehrfacher Hinsicht nicht verstanden - seine Grenzen insbesondere sind nicht klar -, die Normen können deswegen von denen nicht befolgt werden, die nicht vollständig auf ihr Grundrecht auf freie Berufsausübung im handwerklichen Umfeld verzichten.
In vielen Regionen wird auf Druck von Handwerksverbänden mit sehr repressiven Methoden versucht, Gewerbeausübung im weiten handwerklichen Umfeld von Nicht-Meistern zu unterbinden. Dabei werden die Grenzen rechtsstaatlichen Handelns systematisch verletzt. Handwerksverbände erreichen in immer weiteren Regionen, dass diese rechtswidrigen Methoden angewandt werden, und zwar durch politischen Druck und das Angebot von Vorteilen für die Ordnungsbehörden.
Konkurrenz aus anderen EU-Staaten
In den Anfragen um eine Stellungnahme hat das Bundesverfassungsgericht um eine Einschätzung der Bedeutung von Konkurrenz aus anderen EU-Staaten auf dem Deutschen Markt gebeten:
Die Auswirkungen der Möglichkeiten von Konkurrenten aus anderen EU-Staaten zu einheimischen Handwerksbetrieben in Konkurrenz zu treten, sollte unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden:
- Bewerber aus anderen EU-Staaten haben aufgrund der EuGH-Urteile C-193/97 und C-194/97 die Möglichkeit mit einer drei- bzw. sechsjährigen Tätigkeit in einem anderen EU-Staat die Voraussetzungen zur Eintragung in die Handwerksrolle für viele Berufe gleichzeitig zu erwerben.
- Die tatsächliche Konkurrenz für Handwerksbetriebe aus dem Ausland ist erheblich. Bei der Analyse der Konkurrenz darf nicht allein auf in die Handwerksrolle eingetragenen Betriebe aus anderen EU-Staaten abgestellt werden, sondern es müssen alle Konkurrenten berücksichtigt werden, die zu einheimischen Handwerksbetrieben tatsächlich in Konkurrenz treten.
- Für die gefühlte Benachteiligung der Betroffene spielt es allerdings keine Rolle, wie viele Konkurrenten aus anderen EU-Staaten am heimischen Markt aktiv sind. Die Benachteiligten der Ungleichbehandlung - die Nicht-Meister - dürfen ja gerade nicht gegen die begünstigten Anbieter in Konkurrenz treten. Allein das Anbieter aus anderen EU-Staaten hier tätig werden dürfen verletzt das Gerechtigkeitsgefühl der Betroffenen und führt dazu das der Meisterzwang nicht verstanden und dann auch nicht akzeptieret wird.
- Für die tatsächliche Ungleichbehandlung ist alleine relevant, ob der Gesetzgeber die Grenze des angemessenen Verhältnisses zwischen Ungleichbehandlung und rechtfertigendem Grund überschritten hat. Diese Grenze des angemessenen Verhältnisses wurde durch die - europarechtlich nicht erforderliche - Unterscheidung von in Deutschland erworbenen Erfahrungen und Erfahrungen die in anderen EU-Staaten erworben wurden deutlich überschritten.
- Einheimische Handwerker sind aufgrund des Meisterzwangs auch in ihrer Möglichkeit beschränkt von ihrem Heimatstandort aus auf Märkten anderer EU-Staaten aktiv zu werden. Als Zulieferer mit deutschem Standort für die Industrie in anderen EU-Staaten unterliegen die einheimischen Handwerker dem Meisterzwang und haben dadurch erhebliche Nachteile, wenn sie gezwungen sind zunächst einen Standort in einem anderen EU-Staat zu gründen um dann auf dem dortigen Markt z. B. als Zulieferer aktiv zu werden.
Weitere Informationen
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681,
mail: BUHev-Buro
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