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für Gewerbefreiheit auch im Handwerk - weg mit dem Meisterzwang
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Meisterzwang ist verfassungswidrig, Regelungszweck des Meisterzwang, Meisterzwang verlangt ein Übermaß, Meisterzwang ist unbestimmt, Meisterzwang diskriminiert im Inland erworbene Erfahrungen, Meisterzwang Verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz

Verschärfungen des Meisterzwangs seit der BVerfGE 1 BvL 44/55 vom 17.07.1961

Die Handwerksordnung - insbesondere der § 1 HwO - wurden nach der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung - 1 BvL 44/55 vom 17.07.1961 (auch zitiert als BVerfGE 13, 97) - zur Handwerksordnung wesentlich verschärft. Schon deswegen ist eine erneute Überprüfung des Meisterzwangs notwendig. Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 HwO lautete 1953-1964:

"Ein Gewerbebetrieb ist Handwerksbetrieb im Sinne dieses Gesetzes, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und zu einem Gewerbe gehört, das in der Anlage A zu diesem Gesetz aufgeführt ist."

Demnach lag also nur dann ein Handwerksbetrieb vor, wenn das Handwerk vollständig d.h. in allen zum Berufsbild gehörenden Einzeltätigkeiten oder "im Wesentlichen" (d.h. alle wesentlichen Tätigkeiten des Berufsbilds) ausgeübt wurden.

Entsprechend lautete in der 4. Legislaturperiode des Bundestags (1961-1965) der Antrag zur Änderung des § 1 Abs. 2 HwO in BT-DrS IV/2335 noch

"Ein Gewerbebetrieb ist Handwerksbetrieb im Sinne dieses Gesetzes, wenn in ihm handwerksmäßig vollständig oder die wesentlichen Tätigkeiten ausgeübt werden, die zu einem in der Anlage A dieses Gesetzes aufgeführten Gewerbe gehören."

Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde aus "die wesentlichen" der beschlossene Wortlaut der HwO-Novelle 1965 "vollständig oder in wesentlichen Tätigkeiten".

"Ein Gewerbebetrieb ist Handwerksbetrieb im Sinne dieses Gesetzes, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und vollständig oder in wesentlichen Tätigkeiten ein Gewerbe umfaßt, ..."

Dies aber bedeutete, dass es nunmehr ausreichte, eine einzelne als "wesentlich" erachtete Tätigkeit auszuüben, um dem Verbot des § 1 HwO zu unterliegen, also eine massive Ausweitung des Anwendungsbereichs, die den Darlegungen des BVerfG am Ende seiner o.g. Entscheidung vom 17.07.1961 zur Verhältnismäßigkeit klar widerspricht.

Der Wortlaut des § 1 HwO wurde dann durch die HwO-Novelle 1994 erneut geändert, ohne dass sich gegenüber der 1965 vorgenommenen Ausweitung des Anwendungsbereichs eine wesentliche Änderung ergeben hätte.

Der heutig Wortlaut des § 1 HwO mit seinem weiten Anwendungsbereich, bezogen auf bereits einzelne als "wesentlich" erachtete Gewerbetätigkeiten, wird also nicht von der damaligen Aussage des BVerfG in seiner Entscheidung vom 17.07.1961 umfaßt, der Meisterzwang des § 1 HwO sei grundsätzlich zulässig und (damals) verhältnismäßig.

Verschärfung des Meisterzwangs durch die Handwerksnovelle 2004 ?

Auch bei der Handwerksnovelle 2004 wurde der § 1 Handwerksordnung geändert. In Absatz 2 wurde eine nicht abschließende Liste von Tätigkeitsgruppen eingeführt, die nicht unter den Meisterzwang fallen. § 1 Abs. 2 lautet nun:
(2) Ein Gewerbebetrieb ist ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfaßt, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten). Keine wesentlichen Tätigkeiten sind insbesondere solche, die
  1. in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können,
  2. zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist, oder
  3. nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind.

Die Ausübung mehrerer Tätigkeiten im Sinne des Satzes 2 Nr. 1 und 2 ist zulässig, es sei denn, die Gesamtbetrachtung ergibt, dass sie für ein bestimmtes zulassungspflichtiges Handwerk wesentlich sind.

Mit der nicht abschließenden Liste wurde im Wesentlichen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu diesen handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen in der Gesetzgebung nachvollzogen. Von daher hat sich allein durch diese Liste keine Änderung ergeben.

Einschränkend kam hinzu, dass während des Gesetzgebungsverfahrens im Vermittlungsverfahren die Opposition durchgesetzt hat, dass neu ein - so genanntes - Kumulationsverbot eingeführt wurde. Eine solches Kumulationsverbot nicht mehrer wesentliche Tätigkeiten ausüben zu dürfen, wenn sich dadurch bei einer "Gesamtbetrachtung" ergibt, dass sie für ein bestimmtes zulassungspflichtiges Handwerk wesentlich sind.

Diese Beschränkung stellt eine wesentliche Verschärfung des Meisterzwangs da.

Auf der anderen Seite hat sich mit der Handwerksnovelle der Regelungszweck des Meisterzwangs geändert. Regelungszweck ist nun Gefahren für Gesundheit und Leben von Dritten abzuwenden.

Die Einschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit durch den Meisterzwang muss nun bezüglich dieses Regelungszwecks ausgelegt werden. Da Gesetze nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundrechtsfreundlich auszulegen sind, können nur noch Tätigkeiten wesentlich im Sinne von § 1 HwO sein, von deren Ausführung eine Gefahr für Gesundheit oder Leben von Dritten ausgeht.

An das Vorhandensein von Gefahren sind hohe Maßstäbe zu legen:

Wird der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit in Gestalt eines Tätigkeitsverbots nur mit mittelbaren Gefahren für die Volksgesundheit begründet, entfernen sich Verbot und Schutzgut so weit voneinander (vgl. hierzu BVerfGE 85, 248 <261>), dass bei der Abwägung besondere Sorgfalt geboten ist. Die Gefahren müssen hinlänglich wahrscheinlich und die gewählten Mittel eindeutig erfolgversprechend sein. (BVerfGE 1 BvR 254/99 vom 7.8.2000 - Randnummer 19)

Bei dieser verfassungskonformen Interpretation des Meisterzwangs hat sich eine gewisse Erleichterung durch die Handwerksnovelle 2004 ergeben.

Mehr zur Änderung des Regelungszwecks der Handwerksordnung.

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