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Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu einem handwerksrechtlichen Bußgeldverfahren

Abschrift

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS

IV-3 RBs 96/09
423 Js 376/09 OWi
StA Wuppertal

In der Bußgeldsache

Gegen

xxx

wegen

Ordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braunöhler, den Richter am Oberlandesgericht Fliescher und den Richter am Oberlandesgericht Wendel am

25. Januar 2010

auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Wuppertal vom 11. August 2009
nach Anhörung des Betroffenen und der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e SchwarzArbG (selbständiges Betreiben eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe ohne Eintragung in die Handwerksrolle) zu einer Geldbuße von 10.000 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

I.

Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie folgt Stellung genommen:

"Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthaft und entsprechend den §§ 79 Abs. 3 OWiG, 341 Abs. 1. 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden. Dass kein bestimmter Antrag gestellt wird macht die Rechtsbeschwerde vorliegend nicht unzulässig, weil den Ausführungen deutlich zu entnehmen ist, dass eine Aufhebung des angefochtenen Urteils im Ganzen das Ziel des Rechtsmittels ist (zu vgl. Göhler, OWiG 15. Aufl., Rn. 27a zu § 79).
Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg. Denn das Urteil des Amtsgerichts ist auf die Sachrüge aufzuheben, weil die Urteilsgründe die Verurteilung des Betroffenen nicht zu tragen geeignet sind. Denn in der gewählten Form entsprechen sie nicht den aus §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 StPO folgenden inhaltlichen Anforderungen.
Zwar unterliegen die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils in Bußgeldsachen keinen besonders hohen Anforderungen (zu vgl. BGH, NJW 1993, 3081, 3083; Göhler a.a.O., Rn. 42 zu § 71; Senge in KK-OWiG, 3 Aufl., Rn. 106 zu § 71). Gleichwohl hat sich der Urteilsinhalt auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich an den Vorgaben des § 267 Abs. 1 StPO auszurichten. Diese Vorschrift gebietet, dass die Entscheidungsgründe eine zusammenhängende, zeitlich und gedanklich geordnete Darstellung des Sachverhalts zur äußeren und inneren Tatseite enthalten, von dem der Tatrichter bei der rechtlichen Würdigung ausgeht. Überdies ist anerkannt, dass in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für ein abgekürztes Urteil nicht vorliegen, der Tatrichter seine eigenen Tatsachenfeststellungen nicht durch eine Bezugnahme auf den Bußgeldbescheid ersetzen darf (zu vgl. OLG Köln, Beschluss vom 8, Juni 2007, 83 Ss-OWi 40/07 - bei juris; OLG Bremen NStZ 1996, 287; Göhler, a.a.O., Rn. 42 zu § 71). Die gebotene geschlossene Sachverhaltsdarstellung kann ferner nicht dadurch ersetzt werden, dass in die Urteilsurkunde Ablichtungen von Schriftstücken aufgenommen werden aus denen sich der festgestellte Sachverhalt ergeben soll (zu vgl. BGH, NStZ-RR 1999, 139; OLG Köln a.a.O.). Auch im Falle eines Geständnisses des Betroffenen schließlich genügt es nicht, lediglich die Feststellungen den Bußgeldbehörde im Urteil zu wiederholen (zu vgl. OLG Jena, VRS 108, 282).
Diesen Maßstäben genügt das angefochtene Urteil nicht: Denn im Falle einer Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 e) SchwarzArbG ist es erforderlich, im Urteil die ausgeführten Tätigkeiten nach Ort, Zeit, Art und Umfang einzeln darzustellen (zu vgl, Senatsbeschluss vom 24, Februar 1998, 2 Ss(Owi) 44/98 - (OWi) 17/98 III). Diesen wesentlichen Teil der Urteilsfeststellungen hat das Amtsgericht nicht in Form einer geschlossenen Darstellung eigener Feststellungen ausgeführt, sondern statt dessen den Bußgeldbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Wuppertal vom 24. Februar 2009 in Auszügen als Fotokopie in die Urteilsurkunde eingefügt. Hierbei handelt es sich also gerade nicht um eine zusammenhängende Darstellung des Vorgangs, der dem Schuldspruch wegen einer von dem Betroffenen begangenen Ordnungswidrigkeit zugrunde liegt, sondern allein um die teilweise Wiedergabe der ordnungsbehördlichen Entscheidung. Die gewählte Verfahrensweise hat dazu geführt, dass in die Urteilsgründe an unpassender Stelle zusammenhanglos die gesetzlichen Bestimmungen, gegen die verstoßen zu haben dem Betroffenen vorgeworfen wird, eingefügt sind. Außerdem hat die Auswahl der einkopierten Passagen aus dem Bußgeldbescheid bewirkt, dass die ausgestellten Rechnungen, die zur Konkretisierung des Tatgeschehens dienen sollten, sinnwidrig als "Beweismittel" bezeichnet worden sind und dass die Aufzählung sprachlich zum Teil in Form der direkten Ansprache des Betroffenen ("Ihre Ausgangsrechnungen") erfolgt.
Im Ganzen ermöglicht diese Form der Darstellung dem Rechtsbeschwerdegericht im vorliegenden Fall keine hinreichende Überprüfung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung. Das Vorgehen begründet vielmehr die Besorgnis, dass der Tatrichter sich kein eigenes Bild von den jeweils ausgeführten Tätigkeiten gemacht hat. Zwar ist der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils noch zu entnehmen, dass nach Angaben der Verteidigerin in der Hauptverhandlung "die aufgeführten Arbeiten zugegebenermaßen ausgeführt, in Rechnung gestellt bzw. angeboten worden seien". Dass das Amtsgericht indessen Art und Umfang der mit der einkopierten Rechnungsaufstellung dokumentierten Arbeiten im Einzelnen selbst festgestellt hätte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Hierauf kommt es jedoch an: Die Aufstellung dokumentiert, dass innerhalb von etwa viereinhalb Jahren eine nennenswerte Anzahl an Rechnungen ausgestellt worden ist. Indes ist in vielen Fällen die Art und der Umfang der damit berechneten Arbeiten nicht zu ersehen. So sind die Arbeiten etwa bei den Rechnungen Nr. 0023, 0036 und 0037 aus dern Jahr 2005 hur sehr schlagwortartig beschrieben. Den Rechnungen Nr. 0010, 0011 und 0029 aus 2005 lässt sich keinerlei Hinweis zum Umfang der Arbeiten entnehmen. Berücksichtigt man zudem, dass im Jahr 2005 überhaupt nur 19 Rechnungen erstellt worden sind, so erlaubt die gewählte Form der Darstellung dem Rechtsbeschwerdegericht keine hinreichende Überprüfung ob die Tätigkeit des Betroffenen in diesem Zeitraum einen erheblichen Umfang im Sinne Von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG angenommen haben. Für das Jahr 2008 sind nur zwölf Rechnungen verzeichnet. Diese Anzahl an Rechnungen spricht zwar nicht zwingend gegen einen erheblichen Umfang der Tätigkeit des Betroffenen, allerdings wäre ein solcher nur anzunehmen, wenn die einzelnen Arbeiten in ihrer Mehrzahl nicht bloße Kleinaufträge gewesen sind, was aber bei der bloßen Darstellung der Rechnungen mit ihrer schlagwortartigen Beschreibung des Rechnungsgegenstandes nicht auszuschließen ist. Auch ist bei dieser Darstellung zur Hohe des jeweils vereinnahmten Entgelts nichts ersichtlich und ebenso wenig zur Art der Vertragsanbahnung, die für die Einordnung als stehendes Gewerbe Bedeutung hat.
Die gewählte Darstellung bietet überdies auch keine ausreichende Grundlage zur Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs. Wie ausgeführt, lassen sich Art und vor allem Umfang der ausgeübten Arbeiten den Rechnungen nicht zureichend sicher entnehmen. Der Umfang unangemeldeter Tätigkeit ist aber ein entscheidender Umstand für die Bemessung der Geldbußenhöhe. Dagegen hat das Amtsgericht bei der Rechtsfolgenbemessung ausdrücklich darauf abgestellt, dass der Betroffene "erhebliche Umsätze" getätigt habe. Es lässt sich nicht überprüfen, ob dies gerechtfertigt gewesen ist. Denn die Umsätze sind weder im Einzelfall noch in der Summe beziffert.
Durchgreifenden Bedenken begegnet es in diesem Zusammenhang auch, dass das Amtsgericht den Umstand unberücksichtigt gelassen hat, dass der
Betroffene möglicherweise die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Handwerksrolle auch ohne bestandene Meisterprüfung erfüllt hätte (zu vgl. §8 HwO). Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass das zuständige Ordnungsamt dem Betroffenen im Rahmen eines vorangegangenen Verfahrens nahe gelegt hat, sich um eine solche Ausnahmegenehmigung zu bemühen. Dies wiederum deutet darauf hin, dass der Betroffene diese Genehmigung hatte erhalten können. Vor diesem Hintergrund hätte es zu dieser Frage näherer Feststellungen bedurft. Zwar dürfte dies für die Tatbestandsmäßigkeit der Tätigkeit des Betroffenen nicht von entscheidender Bedeutung gewesen sein, weil die Eintragung in die Handwerksrolle ein konstitutiver Akt ist, dessen Fehlen für die Erfüllung des Tatbestandes ausreicht (zu vgl. Ambs in Erbs/ Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 170. Ergänzungslieferung, Mai 2008, Rn. 1 zu § 1 HwO). Indes kann es für die Zumessung der Rechtsfolge durchaus von Bedeutung sein, ob der Betroffene die fehlende Erlaubnis hätte bekommen können. Denn sofern die materiellen Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle in der Person des Betroffenen vorgelegen hätten, wäre das verwirkte Unrecht jedenfalls milder zu beurteilen (zu vgl. BVerfG, GewArch 2007, 255)."

Dem schließt sich der Senat an.

Das angefochtene Urteil ist daher mit den Feststellungen aufzuheben (§ 79 Abs. 3 OWiG, §§ 353, 354 Abs. 2 StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Ein Anlass, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, besteht nicht.

II.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1.

Zur Feststellung des äußeren Tatbestandes ist es erforderlich, die handwerklichen Arbeiten, die der Betroffene ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt hat, im Einzelnen für jeden Auftrag nach Art, Umfang, Zeit und Ort darzulegen (vgl. Senat GewArch 2000, 289; 1998, 477, 478; OLG Hamm wistra 2005, 238, 239). Dieser Darlegungen bedarf es zur Überprüfung, ob die Leistungen dem Kernbereich des jeweiligen Handwerks (hier: Dachdecker-, Klempner-, Gerüstbauer-, Maler- und Lackierer-, Maurer- und Betonbauerhandwerk) zuzuordnen sind und in erheblichem Umfang vorgenommen wurden und ob deshalb hierfür die Eintragung in der Handwerksrolle notwendig war. Maßgeblich für die Annahme eines Handwerks und den Ausschluss eines Minderhandwerks ist in den Fällen, in denen die Arbeiter nur einen Teilbereich eines Handwerks abdecken, dass die Arbeiten in dessen Kernbereich fallen ihm sein wesentliches Gepräge geben. Bei solchen Tätigkeiten, die ohne Beherrschung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die allein in handwerklicher Schulung erworben werden können, einwandfrei und gefahrlos ausgeübt werden können, liegt nur ein nichteintragungspflichtiges Minderhandwerk vor.

Wird dagegen nur auch nur eine wesentliche Tätigkeit eines Handwerks ausgeübt, ist die Grenze zum erlaubnisfreien Minderhandwerk überschritten (vgl. OLG Celle GewArch 2003, 80; OLG Schleswig SchlHA 2004, 270). Die Abgrenzung ist bei jedem der in dem Bußgeldbescheid bezeichneten Aufträge konkret vorzunehmen. In die Feststellungen sind nur die tatbestandsmäßigen Arbeiten aufzunehmen.

2.

Die zu treffenden Feststellungen dürfen nur durch in die Hauptverhandlung eingeführte Beweismittel und durch Vorgänge gewonnen werden, die zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehören (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 261 StPO). So bedürfen die als Beweismittel dienenden Rechnungen der Verlesung (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 249 Abs. 1 StPO).

3.

Der Tenor des angefochtenen Urteils gibt Anlass zu dem Hinweis, das die Tat auch in Bußgeldsachen in der Urteilsformel - sofern nicht gesetzliche Überschriften zu verwenden sind - mit Worten anschaulich und verständlich zu bezeichnen ist. Die angewendeten Vorschriften sind erst nach der Urteilsformel aufzuführen (vgl. OLG Düsseldorf [1. Senat für Bußgeldsachen] NZV 2000, 382; NZV 2001, 89, 90).

Braunöhler Fliescher Wendel

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