Meisterzwang ist verfassungswidrig, Regelungszweck des Meisterzwang, Meisterzwang verlangt ein Übermaß, Meisterzwang ist unbestimmt, Meisterzwang diskriminiert im Inland erworbene Erfahrungen, Meisterzwang Verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz
Wechsel des Regelungszweckes der Handwerksordnung - Stellungnahmen
Die Anhörung wurde am 8. Juli 2003 in Berlin im Deutschen
Bundestag vom Ausschuss Wirtschaft und Arbeit durchgeführt.
Soweit nicht anders gekennzeichnet sind die Zitate der
Ausschussdrucksache 15(9)519 (pdf 1,7 mb) entnommen.
Stellungnahmen:
- Bundesinnungsverband Gebäudereiniger Handwerk
- Gefahrgeneigtheit des Handwerks
- Das Gebäudereiniger-Handwerk ist auch nach der Rechtsprechung
ein besonders gefahrgeneigtes Handwerk, das die
hygienischen Voraussetzungen für das tägliche Funktionieren
unseres Gemeinwesens sicherstellt. Die besondere Gefahrgeneigtheit
des Gebäudereiniger-Handwerks im Hinblick
auf mögliche Gefährdungen von Gesundheit und Leben
Dritter ergibt sich aus dem täglichen Einfluss auf die
Umweltbedingungen von mehreren Millionen Menschen,
wie Berufstätigen, Patienten, Kindern, Reisenden, und auf
die Produktions- und Arbeitsbedingungen in zahllosen Einrichtungen,
wie z. B. in lebensmittelverarbeitenden Betrieben,
der Pharmazeutischen Industrie, Großküchen oder
Operationssälen. Die möglichen Gefährdungen ergeben sich
dabei sowohl aus den Umgebungsbedingungen (Keimbelastung,
gesundheits- oder umweltgefährdenden Verschmutzungen,
u.v.m.) als auch aus der Anwendung, Lagerung und
dem Transport von hochwirksamen, bei nicht fachgerechter
Handhabung aber auch gefährlichen Reinigungs-, Pflegeund
Desinfektionsmitteln.
- top
- Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker e.V. (BUH)
- 2. Kriterium der Gefahrengeneigtheit als alleinige
Zugangsvoraussetzung zur Aufnahme
einer selbständigen Tätigkeit in der Anlage A
der HwO
- Das Kriterium der Gefahrgeneigtheit von Tätigkeiten -
der neue gesetzgeberische Zweck der Handwerksordnung,
Gefahren für Leib und Leben der Bürger sowie gegebenenfalls
für Güter sehr großen oder besonderen
Wertes abzuwenden - ist grundsätzlich geeignet, Eingriffe
in das Recht auf Berufsfreiheit zu rechtfertigen. Es
erscheint heute auch als das einzige Kriterium, solche
Eingriffe hinsichtlich der Ausübung handwerklicher Tätigkeiten
zu rechtfertigen. Hinsichtlich der bisherigen
Gesetzeszwecke der Handwerksordnung teilt der BUH
die Zweifel der Bundesregierung an ihrer Verfassungsmäßigkeit
(vgl. oben Ziff. 1.3.1.5 und die Stellungnahme
des BUH vom 02.05.2003 zum Referentenentwurf der
HwO-Novelle, Ziff. A I ).
- Insoweit ist es zu begrüßen, dass der vorliegende Regierungsentwurf
für eine Novelle der Handwerksordnung
das Kriterium der Gefahrgeneigtheit künftig als alleiniges
Auswahlkriterium für die Aufnahme von Handwerken in
Anlage A zulässt.
- Dieses Kriterium ist jedoch keinesfalls geeignet, für irgendein
Handwerk der Anlage A einen Meisterzwang zu
rechtfertigen :
- – Den Erfordernissen der Gefahrenabwehr wird, soweit
sie bestehen, stets bereits durch andere bestehende
rechtliche Regelungen ausreichend Rechnung getragen.
– Im übrigen stellt ein "Meister"-zwang weit überhöhte,
sachlich nicht gerechtfertigte Anforderungen. Nach
den bestehenden Regelungen - z.B. der Berufsgenossenschaften
- ist es völlig ausreichend, hinsichtlich
genau bestimmter Tätigkeiten maximal Gesellen-
Niveau zu fordern, häufig deutlich weniger.
– Im übrigen hat es sich im Rahmen ausgedehnter -
zulässiger - Selbsthilfe seit vielen Jahrzehnten erwiesen,
dass keine beachtlichen Risiken bestehen, die
über die bestehenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr
hinaus weitere Maßnahmen erforderlich machen,
insbesondere nicht bei allen Bau- und Ausbaumaßnahmen
sowie bei der Reparatur von Kfz.
- Vergleiche im Übrigen oben Ziff. 1.3.1.5
- Fazit : Auch wenn man mit dem vorliegenden Regierungsentwurf
die Gefahrenabwehr zum alleinigen Regelungszweck
der Handwerksordnung erhebt und das Kriterium
der Gefahrgeneigtheit für die Auswahl der Anlage-
A-Handwerke zu Grunde legt, bleibt die Feststellung,
dass ein Meisterzwang für Handwerke jeder Art verfassungswidrig
ist.
- top
- Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V.
- 2. Kriterium der „Gefahrengeneigtheit“ als alleinige
Zugangsvoraussetzung zur Aufnahme einer selbstständigen
Tätigkeit in der Anlage A der HwO
- Bedingt durch die eingangs bereits im Einzelnen dargestellte,
völlig falsche Analyse der wirtschafts- und ausbildungspolitischen
Kennzahlen, auch des Baugewerbes,
kommt die Begründung des Gesetzentwurfes folgerichtig,
aber ebenso falsch, zu der Feststellung, dass die subjektive
Berufszugangsschranke der Meisterprüfung angesichts
der Entwicklung im Handwerk nicht mehr ausreichend
durch die „Erhaltung des Leistungsstandes und der
Leistungsfähigkeit des Handwerk und die Sicherung des
Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft“
abgedeckt erscheint. Daher solle die Anlage A der HwO
auf den Kreis der Handwerke beschränkt werden, bei deren
Ausübung Gefahren für die Gesundheit und das Leben
Dritter entstehen können. Das Abstellen auf die „Gefahrengeneigtheit“
als einziges, die Verfassungsmäßigkeit
der obligatorischen Meisterprüfung noch legitimierendes
Element ist mit den Ausführungen zur Verfassungsgemäßheit
des Großen Befähigungsnachweises, wie
sie sich aus der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
aus dem Jahre 1961 ableitet und in zahlreichen
weiteren Entscheidungen bekräftigt wurde, nicht
zu vereinbaren. Die seinerzeit festgestellten Gründe zur
Vereinbarkeit der HwO mit dem Grundgesetz, nämlich
die Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit
des Handwerks sowie die Sicherung einer qualitativ
hochwertigen Ausbildung des Nachwuchses für die
gesamte gewerbliche Wirtschaft liegen bei richtiger
Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten auch heute
noch unverändert vor (s. BVerwG NJW 1999, 2292 ff.).
Der gewählte restriktive Ansatz einzig auf das Kriterium
der Gefahrengeneigtheit entbehrt somit jeglicher Grundlage.
Die bisherige verfassungsrechtliche Basis bedarf
von daher zwingend einer klarstellenden Verankerung in
der Handwerksordnung. Wesentliche Kriterien für die
Entscheidung, ob ein Handwerk in der Anlage A geführt
werden muss, müssen – neben der Gefahrengeneigtheit –
sein:
- Erhaltung der Leistungsfähigkeit und der Sicherung des
Nachwuchses für die gewerbliche Wirtschaft durch eine
hohe Ausbildungsleistung und
- Berücksichtigung wichtiger Gemeinschaftsgüter wie
etwa Verbraucher- und Umweltschutz.
- Brisanz erlangt diese Regelung zusätzlich noch durch das
„Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und zur
Förderung von Kleinunternehmen“, dessen vorgeschlagene
Ergänzung von § 1 HwO um einen Absatz 2 mit gesetzlichen
Erläuterungen zum Begriff der wesentlichen
Tätigkeit des § 1 Abs. 1 HwO abzulehnen ist. Der erläuternde
Absatz 2 ist nicht nur unnötig, da er rechtlich die
in der Begründung zitierte angebliche, weit verbreitete
Rechtsunsicherheit bezüglich der Frage, ob im Einzelfall
minderhandwerkliche Tätigkeiten vorliegen oder nicht,
nicht beseitigt, sondern sogar in hohem Maße gefährlich.
Der Gesetzgeber initiiert hiermit selbst den Einstieg in
die Atomisierungsdiskussion der Vollhandwerke. Die
schon jetzt erkennbare Tendenz der Abspaltung und Sezierung
vollhandwerklicher Teiltätigkeiten in solche mit
kurzen Anlernzeiten würde sich drastisch verschärfen.
Die so vielfältig hochgehaltene dynamische Fortentwicklung
Vollhandwerk entzogen worden wären. Der ministerielle
Todesstoß für die noch in Anlage A verbleibenden zulassungspflichtigen
Handwerke ist perfekt.
- Ungeachtet dessen ist daneben die konkret vorgeschlagene
Überführung diverser Handwerke des Baugewerbes
von Anlage A in Anlage B unter dem Aspekt der Gefahrengeneigtheit
weder nachvollziehbar noch akzeptabel.
- In der Begründung zum ausschließlichen Verbleib gefahrengeneigter
Handwerke in der Anlage A ist folgendes
ausgeführt:
- „Der Vorbehalt der Meisterprüfung als Berufszugangsvoraussetzung
wird auf den Kreis der Handwerke beschränkt,
bei deren Ausübung Gefahren für Gesundheit
und Leben Dritter entstehen können. (...) Wesentliches
Kriterium für die Aufrechterhaltung von Gewerben in der
Anlage A oder aber deren Übernahme in Anlage B solldas
Gefahrenpotential der Tätigkeit für das überragend
wichtige Gemeinschaftsgut des Schutzes von Leben und
Gesundheit Dritter sein. Bei diesen Gefahren für Leben
und Gesundheit ist zu gewährleisten, dass ein handwerklich
tätiger Gewerbetreibender, dessen Gewerbe zu solchen
Gefährdungen führen kann, nur dann zur Handwerksausübung
zugelassen wird, wenn er die hierfür erforderliche
Qualifikation besitzt.
- Ein Verbleib von Gewerben in der Anlage A ist nur dann
gerechtfertigt, wenn die Abwägung ergibt, dass durch
oder bei Ausübung der Tätigkeit oder der Erbringung der
Leistung Gefährdungen für Leben und/oder Gesundheit
entstehen, gegenüber denen das Grundrecht der Berufsfreiheit
zurückstehen muss, weil einfachere Möglichkeiten
zur Sicherung dieses überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes
nicht bestehen, nicht geschaffen werden
können oder zu seiner Sicherung nicht ausreichen (verfassungsrechtlicher
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).
Die Gefahrgeneigtheit muss für das betreffende Gewerbe
prägend sein. Dabei sind Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit
des Gefahreneintritts zu berücksichtigen. (...)
- Folge der Rechtfertigung des Vorbehalts der Meisterprüfung
aus Gründen der Gefahrenabwehr für Gesundheit
und Leben Dritter ist, dass insbesondere eine Reihe von
Handwerken der Anlage A, bei denen nunmehr nur noch
historische und/oder kulturelle Gründe erklären können,
warum sie in der Anlage A aufgeführt sind, aber auch
andere Handwerke, in Anlage B überführt werden.“
- Die weitere Begründung des Gesetzentwurfes, aus welchen
Gesichtspunkten heraus die einzelnen Gewerbe in
der Anlage A zu verbleiben haben bzw. in die Anlage B
verschoben werden sollen, ist, sofern sie nicht vollständig
fehlt, in der Regel ausgesprochen dürftig und oberflächlich.
So wird für die Gruppe der Bau- und Ausbaugewerbe
lediglich lapidar angeführt:
- „Zu schweren Gesundheitsschäden kann es beispielsweise
durch fehlerhafte Arbeiten bei der Montage und Instandsetzung
von Bauwerken und Bauteilen aus Beton
und Stahlbeton durch herabstürzende Bauteile kommen.
Auch die unsachgemäße Überprüfung von Feuerungsund
Lüftungsanlagen und Fehler bei Dachabdeckungen
sowie bei anspruchsvollen Gerüstbauten können erhebliche
Gefährdungen zur Folge haben.“
- Außerdem wird behauptet, dass eine Tätigkeit der in die
Anlage B überführten Gewerbe nicht das Potential erheblicher
Gefahren für die Gesundheit und das Leben
Dritter habe, sei es, weil Tätigkeit und/oder Leistung insgesamt
nicht von der Gefährlichkeit für das Rechtsgut
Gesundheit und Leben Dritter geprägt seien, sei es, weil
bestehende Gefahren nicht über Häufigkeit und Grad des
allgemeinen Lebensrisikos hinausgingen.
- Die damit völlig fehlende Begründung für das Verschieben
von sechs Gewerben des Bauhandwerks von der
Anlage A in die Anlage B zeigt, dass dieses „Reformvorhaben“
von einer Kenntnis über die einzelnen Tätigkeiten
dieser Bauhandwerke nicht geprägt sein kann. Ganz offensichtlich
sollen durch die möglichst weitgehende „Befreiung“
dieser Gewerbe von der Meisterprüfungspflicht
Fakten geschaffen werden, ohne dass man sich überhaupt
noch der Mühe unterzieht, die zugrunde liegenden Beweggründe
anzuführen.
- Bei vertiefender Würdigung der Tätigkeiten der einzelnen
Handwerke unter dem Aspekt einer besonderen Gefahrengeneigtheit
ist davon auszugehen, dass auch die
Handwerke Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer
(WKS), Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Betonsteinund
Terrazzohersteller, Estrichleger, Brunnenbauer und
Stuckateure in der Anlage A der Handwerksordnung
zwingend verbleiben müssen.
- Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Gesichtspunkten:
- Betonstein- und Terrazzohersteller
- Auch die Tätigkeiten des Betonstein- und Terrazzoherstellerhandwerks
sind ganz wesentlich als gefahrgeneigt
einzustufen, so dass ein Verbleib dieses Handwerks in
der Anlage A erforderlich ist. Insbesondere die Haupttätigkeit
dieses Handwerks, nämlich die Herstellung von
hochwertigen Betonfertigteilen, ist als besonders gefahrgeneigt
einzustufen. Es liegt auf der Hand, dass aus der
unsachgemäßen Herstellung von Betonfertigteilen, insbesondere
aufgrund mangelnder Bewehrung, erhebliche
Gefahren für Dritte resultieren können. Insoweit sei nur
darauf hingewiesen, dass in der Betonfertigteilindustrie
bei gleicher Produktpalette von Fertigteilen die Produktion
verantwortlich durch Diplom-Ingenieure oder Industriemeister
geleitet und überwacht wird. Gleiches muss
auch für das handwerklich erbrachte Erstellen von Betonfertigteilen
gelten.
- Das Betonstein- und Terrazzoherstellerhandwerk führt
darüber hinaus maßgeblich auch die Versetzung und
Verankerung von Bauteilen aus. Genauso wie bei der
Herstellung und Montage von Tragwerkstreppen, die
ebenfalls von diesem Handwerk ausgeführt wird, beinhalten
diese Tätigkeiten ein hohes Gefährdungspotential
für Dritte. Die ganze Bandbreite der durchweg meisterlichen
Kenntnisse und Fertigkeiten erfordernden Tätigkeiten
des Betonstein- und Terrazzoherstellerhandwerks
lässt sich insbesondere aus dem Meisterprüfungsberufsbild
ableiten, das u. a. das Herstellen und Montieren von
Betonwerksteinfertigteilen für Kleinbaustellen, aber auch
für große Gebäude, Brücken etc. umfasst. So ist es keine
Seltenheit, dass vielgeschossige Gebäude mit Fassaden
aus Naturstein und Betonwerkstein verkleidet werden,
deren Herstellung und Verankerung meisterliche Fähigkeiten
erfordert. Auch die Ausführung von Restaurierungs-
und Konservierungsarbeiten stellt eines der wesentlichen
Betätigungsfelder des Betonstein- und Terrazzohersteller-
Handwerks dar. Hierzu zählen z. B. der
Austausch von Fassadenplatten/Gewändeteilen an Gebäuden
sowie die Verankerung und Konservierung von
Betonbauteilen. Bei der Betoninstandsetzung tragen die
Betriebe des Betonstein-Handwerks große Verantwortung
dafür, dass z. B. abgeplatzte Teile oder Risse in der
Tragkonstruktion von Stahlbeton- und Spannbetonkonstruktionen
von Brücken, Flügelmauern, Stützkonstruktionen
auf Bahnhöfen, Flughäfen, Autobahnen etc. fachgerecht
ausgeführt werden. Auch die Ausführung von
Ortsterrazzo, insbesondere von leitenden Böden in Operationsräumen
im Krankenhausbau, ist eine der wesentlichen
Tätigkeitsfelder dieses Handwerks. Dieser Terrazzo
benötigt z. B. einen speziellen Aufbau und eine besondere
Mischung. Um statische Aufladung, die in Operationssälen
beim Einsatz von medizinisch-technischen Geräten
zu erheblichen Problemen führen kann, zu verhindern,
muss der Terrazzoboden geerdet werden, um Störungen
sensibler Elektronik zu vermeiden.
- Eine Überführung des Betonstein- und Terrazzoherstellerhandwerks
von der Anlage A in die Anlage B unter
Berufung auf die fehlende Gefahrgeneigtheit der von diesem
Handwerk ausgeführten Tätigkeiten kann daher
nicht ernsthaft in Betracht kommen, zumal sich die Begründung
des Referentenentwurfs insoweit selbst widerspricht.
Schließlich geht auch der Entwurf davon aus,
dass herabstürzende fehlerhaft montierte Bauteile aus
Beton schwere Gesundheitsschäden verursachen können.
- Brunnenbauer
- Die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit des Brunnenbauers,
mit der Folge dass ein Verbleib dieses Handwerks in der
Anlage A der HwO unabdingbar ist, folgt bereits aus dem
Umstand, dass dieses Handwerk im Wesentlichen mit der
wichtigsten Ressource der Erde – dem Trinkwasser –
umgeht. Die Kenntnis der besonderen Anforderungen an
den Schutz von Boden und Trinkwasser stellt ein zentrales
Element der Meisterqualifikation im Brunnenbau dar.
Dem besonderen Anforderungsprofil des Brunnenbauerhandwerks
insbesondere im Hinblick auf den Schutz des
Trinkwassers sowie den qualifizierten Umgang mit Boden
bis in große Tiefen, welches neben dem traditionellen
Brunnenbau insbesondere auch Bohr- und Spezialtiefbauarbeiten
umfasst, wird ausschließlich eine qualifizierte
Ausübung, wie sie mit der Meisterprüfung im
Brunnenbauerhandwerk sichergestellt wird, gerecht.
- Sowohl auf der europäischen als auch auf Bundes- bis
hin zur Landesebene ist in einem umfangreichen Gesetzes-
wie auch technischen Regelwerk der Schutz des
Trinkwassers und des Bodens als wichtige Aufgabe detailliert
festgeschrieben.
- Selbst kleinste Bohrungen können die Ressource Trinkwasser
in ungeahnten Ausmaßen gefährden, wenn z. B.
Grundwasserschichten nicht fachgerecht erkannt und
dauerhaft abgedichtet werden und sich hierdurch Verunreinigungen
unerkannt ausbreiten können. So reichen
Trinkwassergewinnungsbrunnen häufig in Tiefen von
weit über 100 m hinein, Thermal- bzw. Mineralwasserbrunnen-
und Geothermiebohrungen (zur Nutzung der
Erdwärme als regenerative Energiequelle) mit Tiefen von
mehreren tausend Metern sind darüber hinaus keine Seltenheit.
Außerdem führt der Brunnenbauer Bohrungen in
und auf kontaminierten Bereich durch (z. B. Abfalldeponien)
und stellt dabei sicher, dass umfangreiche Schutzmaßnahmen
für Mitarbeiter und Umwelt getroffen werden. Nicht
unerwähnt bleiben darf als wesentliche Tätigkeit
des Brunnenbauerhandwerks die Herstellung kompletter
Wasserversorgungsanlagen einschließlich der
Verlegung von Rohrleitungen.
- Der Beruf des Brunnenbauers setzt aufgrund der Verantwortung
für die Gesellschaft und die Umwelt ein hohes
Maß an Fachkenntnis und Verantwortung voraus, wie sie
an keiner Universität oder Fachhochschule gelehrt werden.
Der Umgang mit den hochempfindlichen Medien
Wasser und Boden erfordert höchste Qualifikation, wie
sie mit der Meisterprüfung sichergestellt wird, weil die
Auswirkungen von unsachgemäß ausgeführten Arbeiten
Leib und Leben Dritter oder das gesamte Ökosystem
dauerhaft schädigen könnten.
- Nur die Ausbildung als Brunnenbauermeister und das
dabei vermittelte Fachwissen bieten die Gewähr dafür,
dass verantwortungsvoll mit dem sensiblen Grundstoff
Wasser umgegangen wird und mögliche Gefahren für die
menschliche Gesundheit vermieden werden. Ein Verbleiben
des Brunnenbauerhandwerks in der Anlage A der
Handwerksordnung ist daher unter dem Aspekt der Gefahrgeneigtheit
dieser Tätigkeiten zwingend erforderlich.
- Estrichleger
- Auch die wesentlichen Teiltätigkeiten des Estrichlegerhandwerks
sind als besonders gefahrgeneigte Tätigkeiten
einzustufen. Ohne umfangreiche Kenntnisse der Bauphysik,
Dämmtechnik, Leistungsfähigkeit der Tragekonstruktion
sowie der Materialverträglichkeit im Schichtenaufbau
kann es zu erheblichen Gesundheitsgefährdungen
kommen. Zu den wesentlichen Tätigkeiten des Estrichlegers
gehören u. a. die Verlegung von schwimmendem
Estrich, Estrich auf Trennschicht oder Verbundestrich.
Hinzu kommen Spezialestriche als Unterlage sowie begehbare
Estriche, neben allen Arten von Versiegelungen,
Beschichtungen, Imprägnierungen sowie schlussendlich
das Verlegen von Belägen aus Textilien, Gummi, Kork
oder Kunststoff.
- Der Estrich als Bauteil mit statisch tragender und Last
verteilender Funktion ist unter Gefährdungs- und Gesundheitsgesichtspunkten
mehrfach von Bedeutung. Als
eigenständiges Bauteil hat er insbesondere den Anforderungen
des Bauproduktengesetzes hinsichtlich Gesundheit,
Sicherheit usw. zu genügen. Durch die Herstellung
von Estrichmassen und deren Verarbeitung beeinflusst
der ausführende Estrichlegerbetrieb in hohem Maße die
Qualität und Eigenschaft des Bauteils an sich sowie auch
die Schutzeigenschaften des Estrichs, der maßgeblich mit
dafür verantwortlich ist, die standfeste Aufstellung weiterer
Bauteile sicherzustellen. Insbesondere im Hinblickauf die
statische Relevanz bzw. die Tragfähigkeit eines
Estrichs ist anzumerken, dass bei Fehlern in der Auswahl
der Stoffe bzw. des Aufbaus des Estrichs und der Belagskonstruktion
der Estrichs brechen kann. In der Folge
können Feuchtigkeit oder aggressive Medien, die den
Estrich und die darunter liegenden tragenden Konstruktionen
schädigen können, eindringen, was unmittelbare
Folge für die Standsicherheit eines Bauwerkes haben
kann. Beispielhaft sei hier der Nutzestrich in Industriebereichen,
Parkdecks, Balkonen usw. genannt.
- Insbesondere im industriellen Bereich dient der Estrich
auch dazu, die tragende Decke zu schützen. Die Folgen
des nicht sachgerechten Einbaus von Estrich wurden in
der Vergangenheit z. B. in einer Schlachterei in Stuttgart
sichtbar. Dort war die Notwendigkeit der Anbringung
von Sperrschichten bei der Verlegung eines Estrichs
nicht erkannt worden, welcher dadurch falsch eingebaut
wurde. Aufgrund fehlender Beschichtung drang Fett
durch den Estrich und durch die Rohdecke und griff dort
die Armierung derart an, dass ein völliger Abriss und die
anschließende Erneuerung der Decke notwendig wurde.
Nur so konnte ein drohender Deckeneinsturz verhindert
werden. Wegen der Einsturzgefahr musste der Schlachtbetrieb
sofort eingestellt werden.
- Die ordnungsgemäße Ausführung von Estrichbelägen hat
auch besondere Bedeutung für den Schallschutz. So kann
der unsachgemäße Einbau des Fußbodenaufbaus sog.
Tritt- und Raumschall erzeugen, welcher in Mehrfamilienhäusern,
Krankenhäusern, Sanatorien oder Bürokomplexen
psychische und physische Schäden bei den Dauernutzern
zur Folge haben kann, was obendrein zu einer
erheblichen Einschränkung der Funktionsfähigkeit des
gesamten Bauwerks führt.
- Darüber hinaus müssen die vom Estrichlegerhandwerk
ausgeführten Beläge insbesondere im Hinblick auf die
Rutschsicherheit bzw. die elektrische Leitfähigkeit die
gleichen erheblichen sicherheitsrelevanten Anforderungen
erfüllen wie die vom Fliesenlegerhandwerk ausgeführten
Bodenbeläge. Aus diesem Grund kann auf die
dort gemachten Ausführungen vollumfänglich verwiesen
werden.
- Nach alldem kann auch der zwingend notwendige
Verbleib des Estrichlegergewerbes in der Anlage A der
Handwerksordnung nicht in Frage stehen.
- Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk
- Das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk ist für
die Sicherheit, Hygiene und den Gesundheitsschutz von
erheblicher Bedeutung; die im Meisterprüfungsberufsbild
dieses Handwerks aufgeführten Tätigkeiten sind durchweg
als besonders gefahrgeneigt zu qualifizieren.
- Insbesondere in öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern,
Großküchen, Schwimmhallen und anderen öffentlich zugänglichen
Bauten müssen Bodenbeläge aus Fliesen und
Platten Anforderungen erfüllen, die besondere Kenntnisse
hinsichtlich der gefahrlosen Nutzung und der hygienisch
einwandfreien Reinigungsmöglichkeiten erfordern.
Bei der Ausführung von Fliesenverbundabdichtungen, z.B.
in häuslichen Bädern, in öffentlichen Schwimmbädern
und Duschanlagen, auf Balkonen und Terrassen, in
Großküchen, Produktionsstätten, Sportstätten, Wellnesscentern
usw. sind die bauaufsichtlichen Regelungen des
Deutschen Institutes für Bautechnik zu beachten, so dass
diese Abdichtungen ein allgemeines bauaufsichtliches
Prüfzeugnis aufweisen müssen. Kommt es aufgrund nicht
fachgerecht ausgeführter Fliesenverbundabdichtung in
diesen Bereichen zu einer Schädigung des Bauteils, hat
dies in der Regel den Verlust der Standsicherheit zur
Folge, so dass z. B. bei Balkonen, die zum Großteil mit
Fliesen und Platten belegt werden, unmittelbar Gefährdung
für Leib und Leben Dritter besteht. Besonderes,
ausschließlich über eine Meisterprüfung zu erlangendes
Fachwissen bei der Auswahl und Anwendung vorbeschriebener
Methoden und Produkte sowie der Technologie
der Fliesenverbundabdichtung, der Untergrundvorbehandlung,
des Anschlusses der Fliesenabdichtung an
Fugen und andere Bauteile sowie der Schadensmechanismen
bei eindringender Feuchte ist daher zur fachgerechten
Ausübung des Fliesenlegerhandwerks unbedingt
erforderlich.
- Dem Fliesenlegerhandwerk ist auch der sog. Fassadenbau
zuzuordnen, welcher u. a. das Aufbringen von
Dämmstoffen auf die Fassade, das Herstellen und Bewehren
und fachgerechte Verankern des Unterputzes
unter Berücksichtigung statischer und bauphysikalischer
Belange umfasst. Da das Fliesenlegerhandwerk die komplette
Konstruktion beim Fassadenbau erstellt, ist der gesamte
Fassadenbereich, d. h. Wände außerhalb von Gebäuden
sowie Wandverkleidungen innerhalb von Gebäuden
unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Tragfähigkeit
als besonders standsicherheitsrelevant und damit
gefahrgeneigt einzustufen.
- Die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit des Fliesenlegerhandwerks
im Bereich Fassadenbau kommt nicht zuletzt
dadurch zum Ausdruck, dass bei dieser Tätigkeit eine
Vielzahl bautechnischer Bestimmungen (technische Regeln
etc.) sowie sonstige Festlegungen des Gesetzgebers
zwingend zu berücksichtigen sind.
- Um den Anforderungen des § 19 Wasserhaushaltsgesetz
gerecht zu werden, finden zum Schutz von Gewässern
vor Verunreinigung u. a. keramische Beläge mit abdichtender
Funktion Verwendung, deren Konstruktionen der
im Säureschutzbau ähnlich ist. Der sog. Säureschutzbau
dient dem Schutz der Baukonstruktion bei der zu erwartenden
chemischen Beanspruchung. Hierbei werden große
Flächen im Industriebau oder im Gewässerschutz mit
keramischen Fliesen und Platten und entsprechenden
Fug- und Verlegewerkstoffen, die ebenfalls chemisch beständig
sind, bekleidet. Das Wasserhaushaltsgesetz sieht
für die Ausführung dieser Arbeiten vor, dass Fachbetriebe
entsprechend qualifiziert sein müssen. Nähere Ausführungen
zur Gefahrgeneigtheit dieser wesentlichen
Teiltätigkeit des Fliesenlegerhandwerks sind aufgrund
des zuvor Erläuterten entbehrlich.
- Bei der Ausführung von Fliesenbelagarbeiten im gewerblichen
Bereich, d. h. zum Beispiel bei Verkaufs- und
Produktionsstätten, sind vielfältige Anforderungen zu beachten,
aus denen sich maßgeblich die Gefahrgeneigtheit
dieser Tätigkeit ergibt. Hierzu zählen u. a. die Rutschhemmung
des Belages und damit einhergehend die vorbeugende
Unfallverhütung sowie die sog. elektrische
Ableitfähigkeit der Beläge entsprechend den berufsgenossenschaftlichen
Vorschriften.
- Die im Bereich von Verkaufs- und Produktionsstätten
verwandten keramischen Beläge müssen aufgrund der
berufsgenossenschaftlichen Richtlinien nutzungssicher
sein, um Unfallgefahrenpotentiale auszuschließen bzw.
zu minimieren. Elektrostatische Aufladungen, die zu
funkenförmigen Entladungen führen können, müssen in
Räumen, in denen wegen der Art der Nutzung unter Umständen
zündfähige Gase oder Luftgemische auftreten
können (Labors, Lackieranlagen, Operationssäle) ausgeschlossen
sein. Ein aus Fliesen und Platten hergestellter
elektrisch leitfähiger Bodenbelag stellt sicher, dass alle
Personen und Gegenstände, die mit dem Belag in Berührung
kommen, geerdet sind, so dass Zündgefahren in diesen
explosionsgefährdeten Bereichen minimiert werden
können.
- Auswertungen der Unfallversicherungsträger haben ergeben,
dass bei betrieblichen Tätigkeiten Stolper-,
Rutsch- und Sturzunfälle seit Jahren an der Spitze der
auftretenden Unfälle liegen. Insofern kommt der Tätigkeit
des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks
unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden Gesundheitsschutzes
hier eine entscheidende Bedeutung zu.
- Die Auswahl und Verarbeitung der Beläge wirkt sich
maßgeblich auf die Rutschhemmung und damit das Gefährdungspotential
in diesen Bereichen aus. So ist z. B. in
Großküchen oder Verarbeitungsbetrieben, in denen gleitfördernde
Mittel anfallen, mit einer erhöhten Rutschgefahr
zu rechnen, der durch Auswahl eines geeigneten
Fliesen- und Plattenbelags mit Verdrängungsraum Rechnung
getragen wird. Aus diesem Grund sehen sowohl die
Arbeitsstättenverordnung als auch einschlägige Merkblätter
und Richtlinien für gewerblich genutzte Arbeitsbereiche
mit erhöhter Rutschgefahr sicherheitstechnische
Vorgaben insoweit vor, als dass diese Bereiche mit
rutschhemmenden Belägen ausgestattet werden müssen,
um Gefahren für dort arbeitendes Personal zu minimieren.
- Das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk erstellt
auch Bodenbelagskonstruktionen für mechanisch hoch
belastete Bereiche, z. B. in Geschäften des Lebensmittel
oder Großhandels, Baumärkten oder in sonstigen gewerblichen
Flächen, Großküchen und Fabrikationsbetrieben
Bodenbelagskonstruktionen (Beläge inklusive Unterkonstruktionen),
die hohen statischen dynamischen
Belastungen als gesamtes Bauteil standhalten müssen.
Bei nicht fachgerechter Ausführung bzw. Unterdimensionierung
der Konstruktion inklusive eventuell vorhandener
Dämmstoffe kann es zu Schädigungen oder Zerstörungen
des Bauteils in Form von Rissen und Einbrüchen
kommen. Es können Stolperstufen oder Kanten bei
durchgebrochenen Konstruktionen auftreten, die die Statik
des Bauteils, der Gesamtkonstruktion und damit auch
die Sicherheit der Benutzer gefährden können.
- Es kann von daher keinen Zweifel daran geben, dass das
Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk maßgeblich
von sog. gefahrgeneigten Tätigkeiten geprägt ist, so dass
ein Verbleiben dieses Handwerks in der Anlage A der
Handwerksordnung unter dem neuerdings überragenden
Gesichtspunkt des Schutzes von Leib und Leben Dritten
zwingend erforderlich ist.
- Stuckateurhandwerk
- Auch das Stuckateurhandwerk ist mit seiner überwiegend
gefahrgeneigten Tätigkeit unbedingt als Vollhandwerk
mit dem Erfordernis der Meisterprüfung in der Anlage A
der HwO zu erhalten.
- Die Gefahrgeneigtheit der großen Bandbreite der vom
Stuckateurhandwerk erbrachten Tätigkeiten ergibt sich u.
a. daraus, dass Betriebe des Stuckateurhandwerks ganze
Wohn- und Bürogebäude in Leichtbauweise erstellen, so
z. B. beim Innenausbau und der vollständigen Fassadenbekleidung.
- Insbesondere bei der Fassadenbekleidung steht es außer
Frage, dass dieses Betätigungsfeld besondere, für die Sicherheit
von Arbeitnehmern und Dritten entscheidende
Fachkenntnisse insbesondere im Gerüstbau erfordert.
- Sowohl im Bereich des Neubaus von Gewerbebauten als
auch von Wohnungsbauten können bei nicht fachgerechter
Ausführung Gefahren durch herunterfallende abgehängte
Deckenelemente bzw. Putz- und Stuckdecken
entstehen. Gleiches gilt für an der Außenfassade angebrachte
Wärmedämmverbundsysteme mit aufgebrachtem
Putz oder Vorsatzschalen sowie Konstruktionen des
Wärme-, Schall- und Brandschutzes sowie der Raumakustik.
Insoweit kann auf die Ausführungen beim WKSHandwerk
verwiesen werden, die voll umfänglich auch
im Bereich des Stuckateurhandwerks von maßgeblicher
Bedeutung sind.
- Ein wesentliches Betätigungsfeld des Stuckateur-Handwerks
ist auch die Modernisierung, Sanierung und Umnutzung
von Gebäuden im sogenannten Bestandsbau.
Dies bedeutet, dass z. B. in vielen historischen Gebäuden
umfangreiche Restaurierungsarbeiten im Decken- und
Wandbereich durchgeführt werden müssen, deren sorgfältige
Ausführung lediglich durch das Stuckateur-
Handwerk sichergestellt werden kann. So liegt es auf der
Hand, dass bei der Arbeit an Stuckdecken, abgehängten
Decken, Stuckornamenten und –figuren an Wänden sowie
in Kuppelgewölben teilweise in Höhe von über 20 m
bei unsachgemäßer Ausführung erhebliche Gefahren für
Dritte und auch Beschäftigte drohen.
- Ein besonders anschauliches Beispiel für die Gefahrgeneigtheit
der Tätigkeit des Stuckateurhandwerks ist die
Planung und Ausführung sog. Röntgendiagnostikräumen.
Hier ist eine der wesentlichen Aufgaben des Stuckateurmeisters,
den notwendigen Bleigleichwert für den ausreichenden
Strahlenschutz zu berechnen. Bei nicht fachgerechter
Berechnung und Ausführung des Strahlenschutzes
kann dies für alle Nutzer außerhalb des sodann unzureichend
geschützten Raumes schwerwiegende gesundheitliche
Folgen haben. Allein die in der Meisterausbildung
vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten stellen sicher,
dass diese Aspekte sorgfältig berücksichtigt werden.
- Bei einer Vielzahl der vorgenannten Tätigkeiten des
Stuckateurhandwerkes bedarf es zur ordnungsgemäßen
Ausführung umfangreicher Arbeits- und Schutzgerüste
sowie Leergerüste, deren unsachgemäßer Aufbau eine
erhebliche Gefahr für die ausführenden Beschäftigten
sowie für Dritte darstellen.
- Die Verlagerung des Stuckateurhandwerks von der Anlage
A in die Anlage B der Handwerksordnung, verbunden
mit der Freistellung vom Erfordernis der Meisterprüfung,
kann angesichts des zuvor Ausgeführten für das Stuckateurhandwerk
nicht in Frage kommen.
- Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer (WKS)
- Zum Betätigungsfeld eines Betriebes des WKSHandwerks
gehören alle Bereiche des Entwurfs, der Herstellung
und Instandhaltung von Dämmungen gegen
Wärme, Kälte und Schall einschließlich des Oberflächenschutzes,
insbesondere als Ummantelung sowie Sperrung
gegen Feuchtigkeit. Darüber hinaus ist das WKSHandwerk
befasst mit der Herstellung und Instandhaltung
von Dämmungen gegen Schwingungen und Abschirmungen
gegen Strahlen einschließlich der Akustik-,
Trockenbau- und Brandschutzarbeiten an Gebäuden und
technischen Anlagen sowie an Fahrzeugen und Schiffen.
- Bereits diese kurze Aufzählung der wesentlichen Tätigkeiten
des WKS-Handwerks zeigt, dass das WKSHandwerk
ganz maßgeblich gefahrgeneigte Tätigkeiten
ausführt.
- Im Bereich Wärmeschutz sei nur auf die aus einer fehlerhaften
Isolierung resultierende Schimmelbildung in Gebäuden
mit der damit verbundenen erheblichen Gefährdung
für die Gesundheit der Bewohner hingewiesen.
- Im Bereich Kälteschutz kann es insbesondere aufgrund
des Einsatzes von falschen Dämmstoffen bzw. der unsachgemäßen
Anbringung des Dämmstoffes zur Freisetzung
von schädlichen Stoffen kommen. Für die Ausführung
von Dämmungen ist es in den meisten Fällen erforderlich,
eine Dämmberechnung zu erstellen, um die notwendigen
Dämmdicken zu ermitteln. Eine falsche Berechnung
kann zu sehr großen Bauschäden führen, bei
Gebäudedämmungen z. B. durch die Verlagerung des
Taupunkts auf die Innenseite der Wände (Schimmelbildung,
Durchnässung des Mauerwerks usw.) oder bei
Dämmung an Haustechnikanlagen zur Vereisung von
Kälteleitungen, Schwitzwasserbildung an Rohren durch
zu gering bemessene Dämmdicke usw.
- Im Bereich des Schallschutzes ist zu beachten, dass die
Lösung von Schallschutzmaßnahmen erhebliche physikalische
Kenntnisse, insbesondere der einschlägigen Berechnungen,
erfordert. Nicht zuletzt die Bekämpfung von
Schallproblemen am Arbeitsplatz zur Verhinderung der
in diesem Bereich stark zunehmenden Gesundheitsschädigungen
ist eine der wesentlichen Teiltätigkeiten des
WKS-Handwerks.
- Ganz besonders hervorgehoben sei jedoch der Bereich
des Brandschutzes. Der vorbeugende Brandschutz im
baulichen Bereich ist eine der Haupttätigkeiten des
WKS-Handwerks, die von herausgehobener Bedeutung
für Gesundheit oder Leben Dritter ist. Zahlreiche Brände
in der Vergangenheit haben – leider – immer wieder gezeigt,
welche gravierenden Auswirkungen mangelhaft
ausgeführter oder gar gänzlich fehlender Brandschutz
haben kann. Sofern erst ein weiterer durch mangelnde
Qualifikation des den Brandschutz ausführenden Betriebes
verursachter Großbrand die Einsicht bringen kann,
dass die Gefahrgeneigtheit des WKS-Handwerks immanent
ist, wäre dies sehr bedauerlich.
- Auch aus diesem letztgenannten Grunde sind fast alle
technischen Regelwerke, die das WKS-Handwerk betreffen,
bauaufsichtlich eingeführt, worin der überragende
Stellenwert der gefahrgeneigten Tätigkeit des WKSHandwerks
zum Ausdruck kommt.
- Zudem widerspräche es der besonderen energiepolitischen
Zielsetzung der Bundesregierung, wenn dieses für
die Reduzierung der CO2-Emission besonders wichtige
Handwerk ohne nachgewiesene fachliche Qualifikation
ausgeübt werden könnte. Ein Verbleib des WKSHandwerks
in der Anlage A der HwO ist daher insbesondere
unter dem Gesichtspunkt der Gefahrgeneigtheit
zwingend erforderlich.
- Abschließend noch eine Anmerkung, die die Zuordnung
von Handwerken zur Anlage A bzw. B der HwO zusätzlich
außerordentlich fragwürdig erscheinen lässt:
- Die im Referentenentwurf einerseits vorgenommene
grundsätzliche Einschätzung von Gerüstbauarbeiten als
gefahrgeneigte Tätigkeit, mit der Folge des Verbleibs
dieses Handwerks in der Anlage A der HwO und die andererseits
zukünftig auch den in der Anlage B aufgeführten
Handwerken erlaubte Aufstellung von Gerüsten
erscheint, eine Begründung sucht man auch hier wiederum
vergeblich, völlig willkürlich und belegt, wie wenig
durchdacht und in sich stimmig der Entwurf ist.
- Ruft man sich dann noch in Erinnerung, dass erst anlässlich
der letzten Novelle der HwO im Jahre 1998 auch den
Gewerben Wärme-, Kälte – und Schallschutzisolierer,
Fliesen–, Platten- und Mosaikleger, Betonstein- und Terrazzohersteller,
Estrichleger und Stuckakteure das „Aufstellen
von Arbeits- und Schutzgerüsten“ als wesentliche
Tätigkeit zugeordnet wurde, sie nun aber wegen „mangelnder“
Gefahrgeneigtheit die Anlage A verlassen sollen,
so ist dies selbst für einen unbefangenen Betrachter
logisch nicht mehr nachvollziehbar.
- Zu den weiteren angedachten Gesetzesänderungen kann
im Einzelnen noch Folgendes angeführt werden:
- Die Einführung einer Ausübungsberechtigung für Altgesellen
mit einer Tätigkeit von insgesamt 10 Jahren, und
davon insgesamt 5 Jahre mit Aufgaben in herausgehobener,
verantwortlicher oder leitender Stellung, ist in ihrer
konkreten Ausgestaltung so nicht akzeptabel. So muss
auch in dieser Vorschrift der Grundsatz verankert sein,
dass es Selbstständigkeit im Handwerk nur über geprüfte
und nachgewiesene Qualifikation geben kann. Das Ersitzen
von Qualifikationen durch reinen Zeitablauf kann
nicht ausreichend sein. Vielmehr muss es bei dem bereits
im Masterplan Bürokratieabbau enthaltenen Anforderungsprofil
eines zumindest absolvierten betriebswirtschaftlichen
Lehrgangs mit entsprechenden Nachweisen
sowie der Befähigung zur Ausbildung verbleiben. Auch
die 5-jährige Tätigkeit „herausgehobener, verantwortlicher
oder leitender Stellung“ ist – was diese Tatbestandsmerkmale
angeht – zu konkretisieren. So jedenfalls
ist hierunter das Gewollte nicht subsumierbar.
- top
- Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
- Der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Handwerksgewerkschaften
sind der Auffassung, dass das
Kriterium der Gefährdung von Leib und Leben Dritter
für die Zuordnung zu den zulassungspflichtigen
Handwerksgewerben zu kurz greift – auch verfassungsrechtlich.
U. E. müssen auch „Gefahr für Leib
und Leben der Beschäftigten“ („Berufsgenossenschaft“
und Sicherheitsgesetze reichen nicht aus) sowie
Umwelt- (Verfassungsrang!) und Verbraucherschutz
Kriterien für die Aufnahme eines Handwerkgewerbes
in das Verzeichnis der zulassungspflichtigen
Handwerke sein. Muss für die Gefahrenabwehr
für Leib und Leben der Beschäftigten die gleiche Begründung
zur Aufnahme in das Verzeichnis der zulassungspflichtigen
Handwerke gelten (Gefahrengeneigtheit),
so ist das Kriterium Umwelt- und Verbraucherschutz
der verfassungsrechtlich zulässigen
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschussdrucksache 15(9)519
politischen Entscheidung „Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter“
zuzuordnen.
- top
- Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
- Die vorgesehene Unterscheidung zwischen zulassungspflichtigen
und zulassungsfreien Handwerksgewerben
allein anhand des Kriterium der „Gefahrgeneigtheit“ ist
keinesfalls ausreichend. Zusätzlich muss zumindest die
Ausbildungsleistung sowie der Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter
berücksichtigt werden. Bereits die Erfüllung
eines Kriteriums muss zur Aufnahme in die Anlage
A der HwO führen.
- top
- Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)
- Als Maßnahme sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung
eine Beschränkung des Meisterbriefs als Berufszugangsregelung
auf den Bereich der Abwehr von Gefahren
für Gesundheit oder Leben Dritter vor; 65 bisherige
Gewerbe der Anlage A sollen deshalb als neue zulassungsfreie
Handwerksgewerbe in die Anlage B überführt
werden.
- Mit dem Abstellen auf die Gefahrgeneigtheit als einziges,
die Verfassungsmäßigkeit der obligatorischen Meisterprüfung
legitimierendes Element, nimmt die Bundesregierung
den bereits festgestellten Paradigmenwechsel
vor. Sie versucht, damit eine neue verfassungsrechtliche
Basis zu kreieren. Dieser Versuch schlägt fehl.
- Die Bundesregierung, die mit dem Gesetzentwurf nach
eigenem Bekunden über das Zuordnungskriterium „Gefahrgeneigtheit“
eine verfassungsrechtliche Absicherung
bewirken will, muss sich fragen lassen, was betriebswirtschaftliche,
kaufmännische, rechtliche sowie berufs- und
arbeitspädagogische Kenntnisse mit der Frage zu tun haben,
ob von der Ausübung eines Gewerbes Gefahren für
Gesundheit, Leib oder Leben Dritter ausgehen.
- In bisher nicht gekannter Art und Weise wird in dem Gesetzentwurf
versucht, den Zugang zur Selbständigkeit im
Handwerk über „den Königsweg Meisterbrief“ zu relativieren,
parallel dazu Ausnahmetatbestände zu erweitern
und zu einem alternativen, gleichberechtigten Zugangsweg
aufzuwerten. Auch hiermit wird eine bewusste Abkoppelung
von den Grundaussagen des Bundesverfassungsgerichts
in seinen bisherigen Entscheidungen zur
Handwerksordnung vorgenommen und ein Paradigmenwechsel
herbeigeführt.
- Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
hat klargestellt, dass die Handwerksordnung in der
Frage der Ausnahmekonstellationen großzügig zu handhaben
ist, weil der große Befähigungsnachweis eine
subjektive Berufungszulassungsschranke im Sinne des
Artikels 12 des Grundgesetzes darstellt. Diese Feststellungen
gründen sich und sind zu sehen vor dem Hintergrund
der bisherigen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung
des großen Befähigungsnachweises, Leistungsstand
und Leistungsfähigkeit wie die Nachwuchsqualifizierung
im Interesse der gesamten Wirtschaft zu gewährleisten.
Die Aussagen sind ferner zu sehen vor dem Hintergrund
der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht die
1953 in die Anlage A der HwO eingestellten Berufe lediglich
typisierend betrachtet und keine Rechtfertigung
im Hinblick auf einzelne Gewerbe vollzogen hat. Der
Regierungsentwurf stellt nunmehr auf ein ganz anderes
Kriterium, nämlich das der Gefahrgeneigtheit ab. Vor
diesem Hintergrund ergibt sich verfassungsrechtlich wie
denklogisch eine ganz andere Bewertung und eine ganz
andere Gewichtung von Ausnahmekonstellationen. Die
bisherige Bewertung durch das Bundesverfassungsgericht
kann jedenfalls nicht mehr heran gezogen werden,
denn es werden ganz andere Schwellen normiert.
- Eine Regelung, handwerkliche Betätigungen unterhalb
bestimmter Umsatzgrenzen und Arbeitszeiten im Rahmen
eines unerheblichen Nebenbetriebs ohne Qualifikation
zu ermöglichen, ist gänzlich anders zu betrachten,
wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die ein spezielles
Gefahrenpotenzial aufweisen. Konsequent dürfte bei der
Gefahrengeneigtheit als Zulassungskriterium gar keine
Ausnahme vom Qualifikationsnachweis mehr zulässig
sein.
- Die von der Bundesregierung getroffene Auswahl der gefahrengeneigten
Handwerke ist im Übrigen willkürlich.
Auch in vielen Handwerken, die als „harmlos“ in die
Anlage B überführt werden sollen, bestehen erhebliche
Unfall- und Gesundheitsgefahren, sowohl für Kunden/
Verbraucher als auch für die Mitarbeiter. Unklar
bleibt, ob nicht auch Eigentumsverletzungen und Vermögensschäden
als Gefahrenpotential berücksichtigt
werden müssen. Wie ist es überhaupt mit Gefahren für
die öffentliche Sicherheit? Soweit erkennbar, hat die
Bundesregierung gar nicht erst eine profunde Analyse
des Gefahrenpotentials in einzelnen Handwerken vorgenommen.
Ohne eine solche rechtstatsächliche Untersuchung
darf aber die verfassungsrechtlich bedeutsame
Frage wie der Abbau von Zulassungsvoraussetzungen im
Handwerk nicht entschieden werden.
- Die Besänftigung von kritischen Betrachtern der von der
Bundesregierung getroffenen Eingruppierung mit dem
Hinweis, evtl. noch vorhandene Gefahrenpotentiale bei
Anlage-B-Berufen durch Qualitätssicherungssysteme
bzw. Zertifizierungen jeder Art in den Griff zu bekommen,
führt in die Irre. Solche Systeme führen – das haben
die bisherigen Erfahrungen gezeigt – zu einem enormen
bürokratischen Aufwand, ohne dass mit einem solchen
„Flickenteppich“ von privaten und öffentlichen Sicherungssystemen
eine effektive Gefahrenabwehr erreicht
wird. Im gesetzlich nicht geregelten Bereich hat die
Qualitätssicherung kaum noch eine Zukunft. Man spricht
von einem kurz bevorstehenden Zusammenbruch des
Zertifizierungssystems. Mit keinem Wort wird gerechtfertigt,
warum man ein bewährtes System prophylaktischer
Qualitätssicherung (Ausbildung, Gesellen-, Meisterprüfung)
durch Qualifikation der Produkthersteller
und Werkleistungserbringer zugunsten eines vagen, lükkenhaften
und extrem bürokratischen Systems mit ungewisser
Zukunft opfern will. Dies kann nur mit dem offenen
Willen erklärt werden, bewährte handwerkliche
Strukturen –zu zerstören.
- Die Zerstörung von Strukturen zeigt sich auch bei dem
Vorhaben der Bundesregierung, die in der Rechtsform
der juristischen Person des Privatrechts in der HwO geregelten
Landes- und Bundesinnungsverbände aus der
HwO zu entfernen. Ihnen wird aufgegeben, sich innerhalb
von 2 Jahren eine andere Rechtsform zu geben; anderenfalls
wird sie aufgelöst, zerschlagen. Einen Regelungsmechanismus,
wie sich dieser Rechtsformwechsel
rechtlich und praktisch vollziehen soll, stellt die Bundesregierung
nicht zur Verfügung. Das Umwandlungsgesetz
gilt ausdrücklich nicht für Rechtsformwechsel der hier
notwendigen Art.
- top
- Deutscher Industrie- und Handeskammertag (DIHK)
- Die Anknüpfung der Erforderlichkeit des großen Befähigungsnachweises
an die Gefahrgeneigtheit der
Tätigkeit ist ein Versuch, die darin liegende Berufszugangsbeschränkung
auf eine entmystifizierte und
nachprüfbare Begründung zu stellen. Er hat einen
gewissen Rückhalt in allgemeinen Anschauungen,
wie sie auch von den Organisationen des Handwerks
in der Vergangenheit gepflegt worden sind. Allerdings
ist diese Begründung nicht geeignet, die Berufszugangsbeschränkung
zu tragen.
- Wie das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner
Entscheidung aus dem Jahre 1961 festgestellt hat,
„kam es dem Gesetzgeber nicht darauf an, Gefahren
für die Gesamtheit oder die Einzelnen aus einer unsachgemäßen
Berufsausübung abzuwenden, die bei
zahlreichen Handwerksbetrieben drohen“ (BVerfG
a.a.O., S. 110.). Dafür wäre die Handwerksordnung
auch gar nicht tauglich gewesen. Die spezifischen
Gefahren der einzelnen Gewerbe sind so unterschiedlich
und fließend, dass sie sich kaum durch einen
einmal abgelegten großen Befähigungsnachweis
wirksam vermeiden lassen.
- Die Sachkundeprüfung, wie sie auch in der Prüfung
zum Handwerksmeister enthalten ist, kann nur eine
Komponente im System des Schutzes vor den Gefahren
sein, die von einer gewerblichen Betätigung ausgehen.
Wichtiger ist die kontinuierliche Erneuerung
des Fachwissens, die Einhaltung von Normen und die
regelmäßige Überprüfung des Arbeitsprodukts. Alles
das gibt es auch außerhalb des Handwerks. So waren
etwa die nichthandwerklichen Behälterbauer vor
mehr als 100 Jahren die Geburtshelfer der TÜVs.
Schweißer – gleichgültig, ob im Handwerk oder in
der Industrie – unterliegen einer fortlaufenden Zertifizierung.
- Es ist nicht zu bestreiten, dass eine gründliche Ausbildung
etwa für Elektrotechniker sehr sinnvoll ist,
denn von der Elektrizität können in der Tat erhebliche
Gefahren ausgehen. Allerdings fragt es sich, ob
die Gefahrenabwehr dazu zwingt, von dem Inhaber
oder sonst Verantwortlichen eines Elektrobetriebes
eine Meisterprüfung - einschließlich eines umfangreichen
betriebswirtschaftlichen Teils (!) - zu verlangen,
wenn er über qualifizierte und kontinuierlich
überprüfte Mitarbeiter verfügt.
- top
- Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)
- Das BMWA verfolgt als hauptsächliches Anliegen, die
Liste der zulassungsbedürftigen auf „gefahrengeneigte“
Handwerke zu begrenzen und damit die Anlage A der
Handwerksordnung auf 32 Handwerke zu verkürzen. Der
BDI teilt die meisten Begründungen, die das Ministerium
für diesen Schritt anführt, ist aber nicht überzeugt, dass
daraus zwangsläufig gerade jene Reform folgen muss,
die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagen wird. Uns
scheint, dass zumindest an einer Stelle – der Lehrlingsausbildung
- noch einmal vertiefter nachgedacht
werden sollte. Dies wäre auch vorteilhaft, um jene zu
überzeugen, die dem Konzept des Ministeriums im
Grunde aufgeschlossen gegenüber stehen.
- top
- Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)
- Der Verbraucherzentrale Bundesverband unterstützt
prinzipiell die im Gesetzentwurf der Bundesregierung
vorgesehenen Änderungen der Handwerksordnung, wonach
der Meisterzwang nur noch auf den Kreis der
Handwerke beschränkt werden soll, bei deren Ausübung
Gefahren für die Gesundheit und das Leben Dritter entstehen
können. Dieser Entbürokratisierungsschritt kann
dazu dienen, die Chancen für Neugründungen kleiner
Handwerksbetriebe zu verbessern, den Wettbewerb anzuregen
und auf diese Weise dem Verbraucher eine preiswerte
Versorgung mit Handwerksleistungen zu verschaffen.
Eine Reduktion der in Anlage A HwO aufgeführten
Handwerke mit Meisterzwang auf gefahrengeneigte Tätigkeiten
ist daher zu begrüßen. Dass bei Tätigkeiten, wie
beispielsweise der eines Elektrotechnikers, eines Gerüstbauers
oder eines Augenoptikers, sichergestellt sein
muss, dass sie nur von Personen mit entsprechend hohen
Qualifikationsnachweisen ausgeübt werden, ist im Interesse
der Verbraucher dringend geboten. Dabei ist eine
Berufszulassungsschranke nicht nur zum Schutz des einzelnen
Kunden, sondern auch aus Gründen der allgemeinen
Gefahrenabwehr gerechtfertigt.
- top
- Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer e.V.
- Der Gesetzentwurf sieht vor, den Katalog der heute 94
Berufe umfassenden „Anlage A“ der HwO, die den Meisterbrief
als Voraussetzung für eine Betriebsführung vorschreibt,
auf 29 „gefahrgeneigte Berufe“ zu reduzieren.
Die 65 in „Anlage B“ überführten Berufe, die dann als
„zulassungsfreie Handwerksgewerbe oder handwerksähnliche
Gewerbe“ definiert werden, benötigen den
„Großen Befähigungsnachweis“ für eine selbständige,
handwerkliche Tätigkeit somit nicht mehr. Die ASU sieht
in dieser Reduzierung der Berufe mit Meisterzwang um
mehr als zwei Drittel das zentrale Element des Gesetzesentwurfs
und unterstützt die Lockerung nachdrücklich.
- Mit der Umsetzung dieser Anpassungen der Anlagen A
und B ist eine erhebliche Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten
von Handwerksgesellen zur Selbständigkeit
verbunden, die zugleich den Wettbewerb um Handwerksleistungen
verstärkt und so marktgerechte Preise
von Handwerksleistungen in hoher Qualität generiert.
Gleichzeitig ist zu erwarten, dass heute in der Schattenwirtschaft
dargebrachte Leistungen in den regulären
Markt zurückgeführt werden. Die ASU unterstützt daher
die Abkehr vom „Großen Befähigungsnachweis“; ihr gehen
die Bemühungen allerdings nicht weit genug, denn
die Bereiche, die zu den sog. „gefahrgeneigten Berufen“
gezählt werden, machen rund zwei Drittel der Betriebe
im Handwerk aus. Auch für die in der Anlage A verbleibenden
Handwerksgewerbe ist nach unserer Auffassung
ein Meisterzwang nicht zwingend.
- Gefahrengeneigtheit
- Die Aufrechterhaltung des Meisterzwangs für sog. „gefahrgeneigte
Berufe“ als Zugangsberechtigung zum
Markt für Handwerksleistungen führt weiterhin zu den
beschriebenen negativen Konsequenzen auf Existenzgründungsklima,
Wettbewerb und Preise in den entsprechenden
Bereichen. Erschwerend kommt hinzu, dass die
Beurteilung, welcher Bereich gefahrgeneigt ist und welcher
nicht, sich dem Vorwurf der „Willkür“ ausgesetzt
sehen könnte. Eine objektive Beurteilung ist nur schwer
möglich.
- Bei der Abwägung dieser Negativ-Faktoren gegenüber
den vermeintlichen Vorteilen der Protektion des Gefahrenhandwerks
ist zu berücksichtigen, inwieweit ein Unterschied
in der sicherheitsrelevanten Qualifikation zwischen
der Gesellen- und Meisterausbildung existiert. Bereits
die Gesellenausbildung beinhaltet alle sicherheitsrelevanten
Tatbestände. Wie bereits die Monopolkommission
in ihrem Sondergutachten zur Reform der
Handwerksordnung (Mai 2001) zu Recht bemerkt, besteht
für einen Sonderstatus des Gefahrenhandwerks deshalb
keine (besondere) Notwendigkeit. Vollkommener
Verbraucherschutz kann auch durch den Zwang, einen
Meisterschule zu besuchen und den Meisterbrief zu erwerben,
nicht gewährleistet werden kann. Wie in jedem
anderen Beruf auch, sind Fehler und Mangelleistungen
nicht in jedem Fall auszuschließen und im wesentlichen
auf den individuellen Leistungserbringer zurückzuführen.
- Die ASU plädiert dafür, den Meisterzwang auch für diese
„gefahrgeneigten Berufe“ aufzugeben und damit generell
abzuschaffen. Maßnahmen zum vorbeugenden Konsumentenschutz
im Gefahrenhandwerk werden damit allerdings
deshalb nicht grundsätzlich abgelehnt, da die Ergebnisse
der Handwerkstätigkeit oft sog. Erfahrungsgüter
sind und die Qualität erst später erkennbar ist. Jedoch
werden dafür nicht handwerksrechtliche Schutzvorschriften
benötigt, sondern eher ist eine Anpassung des
Haftungsrechts erforderlich. In vielen Branchen ist dies
bereits heute schon der Fall.
- Vor diesem Hintergrund plädiert die ASU im Grundsatz
dafür, auch das Kriterium der Gefahrengeneigtheit als
Zugangsvoraussetzung zur Aufnahme einer selbständigen
Tätigkeit zu überprüfen. Sie lehnt es jedoch ab, über die
„Gefahrengeneigtheit hinaus noch weitere Kriterien einzubeziehen,
wie dies die CDU/CSU-Fraktion vorschlägt.
Die positiven Wirkungen der geplanten Reform würden
weiter verringert, um den Status quo möglichst zu erhalten.
- Freiwilliges Qualitätssiegel Meisterbrief
- Der Meisterbrief kann als Qualitätsmerkmal im Wettbewerb
um Handwerksleistungen als Orientierungshilfe für
den Verbraucher dienen. Als fakultative Institution sollte
der Meisterbrief nach wie vor als Gütesiegel fungieren,
so wie es im Gesetzentwurf vorgesehen ist. Die ASU ist
nicht für eine generelle Abschaffung des Meisterbriefs,
sondern für die Abschaffung seines Zwangscharakters.
Die Freiwilligkeit des Meisterbriefs sollte nach Auffassung
der ASU dabei nicht nur auf die „zulassungsfreien
Handwerksgewerbe“ der Anlage B, sondern auch auf die
„gefahrgeneigten Berufe“ der Anlage A angewendet
werden. Eine handwerksrechtliche Unterscheidung dieser
beiden Berufsgruppierungen wäre damit hinfällig. Die im
Gesetzentwurf vorgesehenen Erleichterungen für Selbständigkeit
der in Anlage A aufgelisteten „gefahrgeneigten
Berufe“ wären im übrigen dann auch nicht erforderlich.
- Bleibt der Gesetzgeber bei der Auffassung, dass das
Kriterium der Gefahrgeneigtheit als Begründung für einen
obligatorischen Meisterbrief anzuwenden ist, dann
sind die Erleichterungen als Übergangs- und Testmodell
jedoch sinnvoll. Laut Gesetzentwurf kann nach 10-jähriger
Gesellentätigkeit, davon 5 Jahre in „verantwortungsvoller
Stellung“, jeder Handwerker auch in diesen Berufen
selbständiger Unternehmer werden. Weiterhin soll
auch das Inhaberprinzip abgeschafft werden (§ 7 b des
Entwurfs), womit jeder einen Handwerksbetrieb gründen
kann, wenn er entsprechende Fachkräfte einstellt. Diese
Lockerungen würden die Wettbewerbsverzerrungen zumindest
ansatzweise lindern sowie Nachfolgeprobleme
und Betriebsübergaben erleichtern.
- top
- IF Handwerk
- 2. Zum Kriterium der Gefahrengeneigtheit als
alleiniger Zugangsvoraussetzung nach Anlage
A u.a. am Beispiel handwerklicher Elektrotechniker-
Tätigkeiten
- Der IFHandwerk begrüßt den vorliegenden Gesetzantrag
(Drs. 15/1206) zur Änderung der Handwerksordnung und
anderer gewerberechtlicher Vorschriften als überfälligen
Schritt in die richtige Richtung. Der Paradigmenwechsel,
der mit dem Gesetzantrag (Drs. 15/1206) angestrebt
wird, begründet den meisterlichen Ausbildungsstand aus
Verbrauchersicht zutreffend neu und stellt die Gefahrenabwehr
in den Vordergrund. Die hiermit angestrebte Deregulierung
des Handwerks, der als einer der letzten gewerblichen
Bereiche in Deutschland noch den Marktzutritt
durch hohe Marktzutrittsschranken behindert, ist ein
notwendiger Schritt in einem zusammenwachsenden europäischen
Binnenmarkt.
- Die Ausrichtung der Berufszugangsvoraussetzungen auf
Gefahrenhandwerke ist nach Auffassung des IFHandwerk
e.V. grundsätzlich richtig. Allerdings ist die Vermeidung
von Gefahren auch heute schon in zahlreichen
Berufen in Form von zusätzlichen Regulierungen außerhalb
der Handwerksordnung üblich. Die Umsetzung dieser
Vorgabe fällt in dem Gesetzesantrag unbefriedigend
aus. So bliebe beispielsweise für den Zahntechniker auch
nach Ausgliederung aus der Anlage A HWO Voraussetzung
für die selbstständige Betätigung die Erfüllung der
Anforderungen des Medizinproduktegesetzes, für den
Elektriker oder Gas- und Wasserinstallateur die Eintragung
in des Verzeichnis der Energieversorgungsunternehmens,
Heizungsanlagen müssen weiterhin vom Bezirksschornsteinfeger
abgenommen werden, für die Statik
von Bauwerken wird weiterhin ein Statiker beauftragt
werden müssen. Der durch den Verbleib in der Anlage A
HWO notwendige inhaltliche Ausbildungsüberschuss
geht somit an der Zielsetzung vorbei und verfehlt sein
Deregulierungsziel. Während beispielsweise für
Schweißerarbeiten die Prüfungen regelmäßig erneut abgelegt
werden müssen, ist Weiterbildung für Handwerksmeister
auch nach dem vorliegenden Gesetzesantrag
noch immer kein Zwang. Insofern bietet eine vor 40
Jahren abgelegte Meisterprüfung keine Gewähr für die
Kenntnis des Stands der Technik. Wenn Walter Riester,
geprüfter Fliesenlegermeister, nach heute 34 Jahren beruflicher
Abstinenz als Bundesminister a.D. wieder in
seinen alten Beruf zurückkehren möchte, so wird ihn
keiner fragen, ob und wie viele fachtheoretische und
fachpraktische Weiterbildungen er in seiner Zeit als
Bundesarbeitsminister absolviert hat, um in seinem alten
Beruf auf dem Laufenden zu bleiben. Dies wird nach den
Vorstellungen des Gesetzesantrag es zwar im Fliesenleger
in Zukunft obsolet sein, weil er nicht mehr zulassungspflichtig
sein wird. In anderen in der Anlage A
HWO verbleibenden Handwerken, die der Gesetzesantrag
als gefahrengeneigt ansieht, wird es aber auch in
Zukunft nicht wichtig sein, ob der Handwerksmeister up
to date ist. Der vorliegende Gesetzesantrag verschärft
somit die Berufszugangsvoraussetzung, ohne dass damit
auch eine Qualitätssteigerung zu erwarten ist. Dass dieses
auch auf einer niedrigeren Ebene geht, zeigt der Gesetzentwurf,
indem er den Büchsenmacher durch eine Verschärfung
der Schussverordnung ohne Gefährdung des
Verbrauchers in die Anlage B verschob. Dieser Weg ist
auch bei den meisten anderen Handwerken der Anlage A
möglich, so dass der große Befähigungsnachweis ersatzlos
abgeschafft werden kann.
- Fazit: Das von den Regierungsparteien eingeführte Kriterium
der Gefahrengeneigtheit ist grundsätzlich begrüßenswert
und dennoch in der vorgelegten Form problematisch.
Der Gesetzantrag (Drs. 15/1206) ist insofern inkonsistent,
bleibt doch das Anbieten auf dem Markt auch
in Gefahrenhandwerken weiterhin möglich wie z.B. im
unerheblichen Nebenbetrieb und Hilfsbetrieb nach § 2,3
HWO oder im Reisegewerbe nach § 55 GewO.
- Beispiel Elektrotechniker:
- Der Gesetzesantrag verfolgt das Ziel, mit der Einschränkung
der freien Berufswahl von 29 verbleibenden Gewerbearten
in der Anlage A HWO den Schutz von „Leben
und Gesundheit Dritter“ zu sichern: „Bei diesen
Gefahren für Leben und Gesundheit ist zu gewährleisten,
dass ein handwerklich tätiger Gewerbetreibender, dessen
Gewerbe zu solchen Gefährdungen führen kann, nur
dann zur Handwerksausübung zugelassen wird, wenn er
die hierfür erforderliche Qualifikation besitzt“ (aus der
Begründung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur
Änderung der Handwerksordnung und anderer gewerberechtlicher
Vorschriften).
- Der IFHandwerk stimmt der Zielsetzung nur insoweit zu,
dass ein Gefahrenhandwerk nur von einem handwerklich
qualifizierten Gewerbetreibenden oder seinem Arbeitnehmer
ausgeübt werden darf, der die hierfür erforderliche
Qualifikation nachgewiesen hat. Das ergibt sich u.a.
bereits aus den, für alle Gewerbezweige gleichermaßen
verbindlichen Vorschriften Unfallverhütungsvorschriften
der Berufsgenossenschaften. Diese haben
sich in der Praxis bewährt. So verlangt zum Beispiel die
Unfallverhütungsvorschrift (UVV) "elektrische Anlage
und Betriebsmittel" (VBG), dass unbeaufsichtigte Arbeiten
nur von einer Elektrofachkraft oder "Elektrofachkraft
für festgelegte Tätigkeiten" durchgeführt werden
dürfen. VBG § 2, Abs. 3 (Elektrofachkraft): "Als Elektrofachkraft
im Sinne dieser UVV gilt, wer auf Grund
seiner fachlichen Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen
sowie Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen,
die ihm übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche
Gefahren erkennen kann."
- Die Durchführungsanweisung führt hierzu u.a. Folgendes
aus: "Sollen Mitarbeiter, die die obigen Voraussetzungen
(Elektrogeselle, -meister, usw.) nicht erfüllen, für festgelegte
Tätigkeiten, z. B. nach § 5 Handwerksordnung,
bei der Inbetriebnahme und Instandhaltung von elektrischen
Betriebsmitteln eingesetzt werden, können diese
durch eine entsprechende Ausbildung einer Qualifikation
als ‚Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten’ erreichen.
Festgelegte Tätigkeiten sind gleichartige, sich wiederholende
Arbeiten an Betriebsmitteln, die vom Unternehmer
in einer Arbeitsanweisung beschrieben sind. In
eigener Fachverantwortung dürfen nur solche festgelegten
Tätigkeiten ausgeführt werden, für die die Ausbildung
nachgewiesen ist."
- Aus der Durchführungsanweisung ergibt sich, dass bereits
ein Geselle die Anforderungen erfüllt, welche im
Regierungsentwurf zur Vermeidung von Gefahren für
Leben und Gesundheit gefordert werden. Auch die Tatsache,
dass der Gesetzgeber bisher keine Bedenken hatte,
dass auch Fachkräfte in eigener Fachverantwortung an
elektrischen Betriebsmitteln mit sich wiederholenden
Arbeiten beschäftigt werden, die keinen Gesellen- beziehungsweise
Facharbeiterbrief erworben haben, lässt eindeutig
erkennen, von welcher Erwägung sich der Gesetzgeber
bis jetzt hat leiten lassen. Derjenige der eine Arbeit
in eigener Verantwortung erbringen soll, von der für ihn
oder Dritte eine Gefährdung ausgehen kann, soll diese
nur ausführen dürfen, wenn er alle zur Abwendung dieser
Gefahren erforderlichen Kenntnisse besitzt. Damit diese
Forderung erfüllt wird, muss der Geselle das erforderliche
Fachwissen haben und die erforderliche Eignung
nachweisen. Daher muss diese Fähigkeit bereits bei der
Ausbildung zum Gesellen oder Facharbeiter vermittelt
werden und Grundlage für den erfolgreichen Abschluss
einer Facharbeiterprüfung beziehungsweise Gesellenprüfung
sein.
- Strafrechtlich ist beim eingetragenen Handwerksbetrieb
derzeit auch der vor Ort tätige als Arbeitnehmer beschäftigte
Geselle, der eigenverantwortlich Arbeiten erledigt,
für die Vermeidung von Gefahren für Leben und Gesundheit
verantwortlich. Welche Auswirkungen hat die
geplante Novellierung der Handwerksordnung mit der
erstmaligen Einführung einer Expliziten Verbraucherschutzbegründung
auf die Frage der Verantwortung z. B.
in einem Strafverfahren? Der IFHandwerk sieht unpraktikable
Praxis-Auswirkungen, weil der zukünftige Arbeitgeber
den Gesellen in vielen Bereichen nicht mehr
unbeaufsichtigt arbeiten lassen dürfte. Auf der anderen
Seite ist ein ausreichender Schutz für Leben und Gesundheit
gewährleistet, wenn die bisherigen Unfallschutz-
Regelungen beibehalten werden.
- Wenn mit dem Gesetzesantrag unterstellt wird, dass die
Gefahren nur abwendbar sind, wenn eine Qualifikation in
Form der Meisterprüfung oder zehnjährige Berufstätigkeit
gefordert wird, kann eine solche Forderung nur auf
sachfremde Erwägungen beruhen, "um den Mitgliedern
der verschiedenen Handwerks-Interessenvertretungen
Vorrechte auf bestimmte Arbeiten zuzusprechen und zu
sichern." Diese Behauptung ist nicht eine Erfindung des
IFHandwerks, sondern stammt von einem Energieversorgers
(Karl Hans Hradil, Geschäftsführer der Stromversorgung
Osthannover SVO GmbH, Cellesche Zeitung,
27. Juni 1997) und wurde von den Anteilseigentümer
Land Niedersachsen, Landkreis Celle inhaltlich bestätigt
(z.B. Oberkreisdirektor Celle Klaus Rathert und Aufsichtsratsvorsitzender
der SVO). Dieser öffentliche Energieversorger
hatte mit der Telekom eine Kooperationsvereinbarung,
die vorsah, die Erstellung von Hausanschlüssen
gemeinsam in Auftrag zu geben und diese Leistungen
sich zukünftig von den Unternehmen erbringen
zu lassen, die bisher die Erdarbeiten erbracht haben.
Hierzu sollten die Subunternehmer ihr Personal bei dem
Energieversorger unterweisen lassen, so dass diese anschließend
die Fertigkeiten vermittelt bekommen, um als
"Fachkraft für festgelegte Tätigkeiten" den Telefonanschluss,
den Elektroanschluss, den Wasseranschluss, und
soweit regional vorhanden auch den Gasanschluss zu erstellen,
ohne dass während der Anschlussarbeiten die
Versorgung unterbrochen wird. Die Arbeitnehmer mussten
also mit besonderen Gefahren umgehen können die
sich bei den Arbeiten an Hauptleitungen die unter Spannung
stehen (Drehstrom mit Stromstärken von mehreren
hundert Ampere und somit nicht mit den bei der Hausinstallation
üblichen Gefahren vergleichbar sind). In Zeiten,
in denen der Kunde komplette Anschlusspakete verlangt,
sind auch nach Auffassung der Stromwirtschaft die
in verschiedene Gewerke zu zerlegenden Einzelleistungen
überholt.
- Das Arbeitsamt Hannover hatte überprüft, ob die Arbeiten
wirklich eigenverantwortlich durchgeführt werden,
weil sonst eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung
vorliegt, zumal der Subunternehmer als Arbeitgeber keine
Fachkenntnisse hätte. Aus dem Schreiben des Arbeitsamtes
Hannover (8. 4 1997, Zeichen III 09 –
7402.2):
- "...... Die Arbeiten wurden durch den W. Mitarbeiter M.
erledigt. Herr M war im Jahr 1996 im Haus der SVO in
die entsprechenden Elektro-Arbeiten unterwiesen worden.
Die diesbezüglichen Kenntnisse des Herrn M. wie
auch entsprechend anderer Mitarbeiter der Firma W.
werden in regelmäßigen Abständen überprüft. Die anfängliche
Unterweisung des Herrn M. und auch die weiteren
turnusmäßigen Sicherheitsunterweisungen erfolgen
unentgeltlich. Unter Einsatz derart geschulten Personals
ist die Firma W. in der Lage, nicht nur die sonst üblichen
Erdarbeiten, sondern auch das Erstellen der Elektroanschlüsse
selbstständig zu erledigen. Die durch die Firma
W. erledigten Elektroarbeiten sind werkvertraglich fassbar.
..."
- Die staatliche Gewerbeaufsicht, welche die Einhaltung
der vorgenannten Unfallverhütungs-vorschriften zu
überwachen hat, bestätigte öffentlich, dass sie keine Bedenken
gegen die bisherigen SVO-Praktiken habe und
somit keine Einwände hinsichtlich des Prüfungsergebnisses
gegeben hat und somit auch keine Gefährdung der
Arbeitnehmer sowie der Hauseigentümer beziehungsweise
der Bewohner vorliegt. Derartiges Personal sei in der
Lage selbstständig und somit ohne Aufsicht eines Facharbeiters
die sich aus der Tätigkeit ergebenden Gefahren
zu erkennen und abzuwenden.
- Aufgrund der Erkenntnisse der staatlichen Gewerbeaufsicht
wurden auch Anfragen dahingehend beantwortet,
dass keine Bedenken bestehen, solche Arbeiten von Arbeitnehmern
erbringen zu lassen die keinen Facharbeiterbrief
vorweisen können. Aus dem Schreiben der staatlichen
Gewerbeaufsicht Celle vom 16.04.1997 (Zeichen:
24-4/97 Her/Dr)
- "Für die von ihnen beabsichtigte Erstellung von Elektrohausanschlüsse
sind die Anforderungen an eine ‚Elektrofachkraft
für festgelegte Tätigkeiten’ z. B. durch einen
Sachkundelehrgang eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens
(EVU) und eine über einige Monate andauernden
praktischen Ausbildung in den später eigenverantwortlich
durchzuführenden Arbeiten als erfüllt anzusehen.
Mit der vorher beschriebenen Fachkunde sind auch
die Voraussetzungen des § 3; Abs. 1 der UVV erfüllt, so
dass eine zusätzliche Beaufsichtigung durch eine weitere
Elektrofachkraft nicht erforderlich ist."
- In diesem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen,
dass die Handwerksordnung zur Beurteilung einer
abzuwendenden Gefährdung des Arbeitnehmers und
Kunden, nicht herangezogen werden darf, weil deren Bestimmungen
nicht auf die Bedürfnisse der Arbeitssicherheit
abgestellt sind. Diese Tatsache ergibt sich bereits
daraus, dass sich aus den Bestimmungen der Handwerksordnung
ergibt, dass die Erben des eingetragenen Handwerksmeisters
nach der bis jetzt geltenden Regelung des
§ 4 HWO den Betrieb auch ohne Fachkenntnisse befristet
weiterführen dürfen, ohne dass in dieser Zeit besondere
Schutzvorkehrungen für Dritte getroffen werden müssen.
Nur die Anwendung der Unfallverhütungsvorschriften
schränkt die so gewonnene Gewerbefreiheit ein und berücksichtigen
die Gefahren der einzelnen Tätigkeiten,
ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob es sich um Handwerk
oder Industrie handelt bzw. die Vorschrift der
Handwerksordnung anzuwenden ist. Auch die Handwerksorganisationen
traten dieser Rechtsauffassung bei
ohne einzuwenden, dass zum Nachteil der Arbeitnehmer
und Kunden Gefahren entstehen könnten bzw. entstanden
sind.
- Nachdem auch die Fachverbände des Handwerks, eine
Gefährdung ausgeschlossen hatten und die Handwerksordnung
nicht als erweiterte Unfallverhütungsvorschrift
angesehen werden konnte, waren Landes-, Bundesregierung
und Bundesbehörden unter Berufung auf die Handwerksorganisationen
in der Lage, dem Verdacht einseitiger
Begünstigung entgegenzuwirken, dass im Zusammenhang
mit dem Börsengang der Telekom diese zur
Verbesserung des Geschäftsergebnisses Kooperationsverträge
mit Energieversorgern abschließen konnte, wonach
auch zum finanziellen Vorteil dieser Energieversorger
Subunternehmer zukünftig Arbeitnehmer unter Verstoß
der Unfallverhütungsvorschriften beschäftigen sollten.
Damit wurde dem Verdacht entgegengetreten, die
Bundesregierung habe zusammen mit den Landesregierungen
die Aufsichtsbehörden angewiesen, zum finanziellen
Vorteil der Bundesregierung, als Eigentümer der
Telekom, die Unfallverhütungsvorschriften anders anzuwenden,
als wie sie es üblicherweise bei privaten Unternehmen
beziehungsweise auch Konkurrenzunternehmen
der Telekom angewendet.
- Wenn die Bundes und Landesregierung zusammen mit
den für die Arbeitssicherheit zuständigen Behörden eine
Gefährdung ausdrücklich verneint haben und wenn Arbeitnehmer,
die lediglich eine Qualifikation als "Fachkraft
für festgelegte Tätigkeiten" besitzen, derartige Leistungen
erbringen, dann ist nicht mehr nachvollziehbar,
weshalb mit dem großen Befähigungsnachweis für das in
der Anlage A nach dem Gesetzesantrag verbleibende
Elektrohandwerk nun ein höherer als in der bisherigen
Praxis verlangter Qualifikationsnachweis geeignet sei,
den Schutz von Leib und Leben als überragend wichtiges
Gemeinschaftsgut besser zu schützen und sich daraus
zwingend die Notwendigkeit zur Einschränkung der Berufsfreiheit
nach Art. 12 GG ergibt.
- Der IFHandwerk ist der Auffassung, dass zur Erreichung
des im Gesetzesantrag genannten Zieles die in der Praxis
vorhandenen Vorschriften im Elektrotechnikerhandwerk
ausreichen. Eine analoge Anwendung ist auch für andere
als Gefahrenhandwerke eingestuften Handwerke möglich.
Damit ist kein Grund für einen Verbleib in Anlage
A mehr ersichtlich, wenn es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit
der erforderliche und vom IFHandwerk befürwortete
Schutz von Leben und Gesundheit Dritter auf
einfachere Art und Weise erreicht werden kann. Der
Schutzzweck der Novellierung wird insbesondere dann
besser erreicht, wenn regelmäßige Nachweise wie etwa
bei Schweißerarbeiten oder Medizinprodukten nach dem
Medizinproduktegesetz erbracht werden müssen, die sicherstellen,
dass die Kenntnisse und Fertigkeiten wie
auch Betriebsvorrichtungen dauerhaft auf dem neuesten
Stand der Technik vorhanden sind.
- Folgender Praxis-Fall verdeutlicht, welche nachteiligen
Folgen der IFHandwerk verhindern will:
- Der Verkäufer W., der mechanische und elektronische
Sicherheitstechnik verkauft und montiert, erkundigt sich
bei der Polizei, wo es Einbrüche gegeben hat, um anschließend
in diesem Gebiet den Haus- und Wohnungseigentümern
Sicherheitstechnik anzubieten. Der Verkäufer
ist erfolgreich bei seinen potenziellen Kunden und die
Kunden bestellen in großem Umfang, so dass mehrere
Monteure des Händlers mehrere Tage damit beschäftigt
sind, diese einzubauen. Ein frustrierter Handwerksmeister,
der für einen Bauträger arbeitet und von diesem weniger
Aufträge erhält, ist verärgert über das florierende
Geschäft des Konkurrenten, fehlt ihm offensichtlich das
Verkaufstalent und der Einfallsreichtum, ebensolche
Verkaufswege zu beschreiten. Der Handwerksmeister
zeigt daher den Händler bei der Ordnungsbehörde an.
Daraufhin beantragt ein provisionsabhängiger Beamter
einen Hausdurchsuchungsbeschluss, um zu ermitteln, in
welchem Umfang die Monteure des nicht in die Handwerksrolle
eingetragen Verkäufers handwerkliche Leistungen
erbracht haben. W. erhält einen Bußgeldbescheid,
weil er das eintragungspflichtige Handwerk des
Elektrikers, Schlossers und Rollladenbauers ausgeübt haben
soll, ohne pflichtgemäß in die Handwerksrolle eingetragen
zu sein. Hinsichtlich der Bußgeld-Forderung
kann er die Leistung nicht mehr wirtschaftlich anbieten
und ist wegen des Bußgeldes so ruiniert, dass er aufgeben
muss und somit die Arbeitsplätze verloren sind.
Der Handwerksmeister war in diesem Fall kein guter
Verkäufer. Er war nicht in der Lage gewesen, die Aufträge
zu generieren. Er hätte die Arbeitsplätze, die durch
das ruinöse Bußgeld vernichtet wurden, nicht geschaffen.
Er hat jedoch mit Hilfe der Handwerksordnung die vorhandenen
Arbeitsplätze vernichtet.
- Fazit: In der Praxis werden schon heute andere Anforderungen
gestellt, die regelmäßig und fortlaufend überprüft
und durch den fortlaufend zu wiederholenden Nachweis
höher sind. Der von den Regierungsparteien eingebrachte
Gesetzesantrag verschärft somit die Berufszugangsvoraussetzung,
ohne dass damit auch eine Qualitätssteigerung
zu erwarten ist.
- top
- Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V.
- Die mögliche Gefährdung der Verbraucher durch den
Konsum von Lebensmitteln, die mit einer geringeren als
der meisterlichen Qualifikation hergestellt worden sind,
darf vom Gesetzgeber nicht einfach vernachlässigt werden.
So zeigt alle Erfahrung, dass eine große Zahl der
durch Lebensmittel verursachten Erkrankungen in bestimmten
Bereichen der Gastronomie entstehen, deren
Speisen durch lediglich geringfügig vorgebildete Gastwirte
zubereitet werden. Gerade das Thema Hygiene,
aber auch die wichtigen Fragen der Zutatenauswahl und
Rohstoffqualität stellen wesentliche Teile der Meisterausbildung
im Lebensmittelhandwerk dar. Gleichzeitig
ist diese Qualifikation Ausdruck der engen Verzahnung
wischen Verbraucherschutzinteresse und dem legitimen
wirtschaftlichen Interesse unserer Betriebe. Die Zuordnung
der Berufe, von denen eine Gefahr ausgehen kann
ist unvollständig, wenn man gerade die Lebensmittelhandwerke
hier ausklammert. Es ist offensichtlich, dass
von einer schlampig montierten Gasleitung oder einer
schlecht isolierten Elektroleitung eine erhebliche Gefahr
für den Verbraucher ausgeht. Ebenso offensichtlich ist es
jedoch, dass von einem Lebensmittel, einem Stoff, der
unmittelbar dem Körper zugeführt wird, eine direkte Gefährdung
der Gesundheit oder sogar des Lebens ausgehen
kann. Man denke nur an Glassplitter im Teig und mikrobiologische
Beeinträchtigungen der Produkte, wie z. B.
durch Salmonellen. Bisher kommt es hier im Bereich des
Bäckerhandwerks selten zu Vorkommnissen. Das liegt an
der systematischen Schulung bereits in der dreijährigen
Lehre und auch in den Vorbereitungskursen auf die Meisterprüfung.
Bei den Prüfungen wird dem Hygienebereich
ein besonderer Stellenwert zugemessen. Die aktuelle
Novellierung der Ausbildungsordnung Bäkker/
Bäckerin berücksichtigt die Inhalte der Lebensmittelhygieneverordnung
und der von unserem Verband in Zusammenarbeit
mit den Bundesländern entwickelten Hygieneleitlinie
in besonderer Weise.
- top
- Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks
- Auch wenn dem Friseurhandwerk eine spezifische und
nachhaltige „Gefahrgeneigtheit“ zukommt, was bisher
nicht bezweifelt wurde und auch Eingang in die Rechtssprechung
gefunden hat, vertreten wir die Auffassung,
dass eine Reduzierung der Einordnungskriterien für die
Anlage A der Handwerksordnung auf eine Form der eingeschränkten
Gefahrgeneigtheit zu kurz greift und die
gebotenen Regelungsziele und -interessen nicht adäquat
umsetzt. Der Gefahrenaspekt einer Handwerksausübung
muss nach unserer Auffassung in Zusammenhang mit
dem Befähigungsgrundsatz, dessen positive Auswirkungen
in der Praxis ja die Beschränkung der Berufsfreiheit
rechtfertigen sollen, gesehen werden. Es handelt sich insofern
nicht um einen abstrakten Tatbestand, der sich anhand
von katastrophalen Potentialen eines Tätigkeitsbereichs
bemisst, sondern muss in typisierender Weise und
unter Einbeziehung der konkreten Situation der Handwerkserbringung
in Verbindung mit den tatsächlichen
und möglichen Effekten des Befähigungsgrundsatzes
konkret beurteilt werden. Somit wird zur Kernfrage, inwieweit
durch Qualifizierung, berufliche Erfahrung und
geprüfte Zertifizierung in Verbindung mit der entsprechenden
Anleitung und Kontrolle der Mitarbeiter gewerkspezifische
Verletzungsgefahren und Gesundheitsrisiken
von Dritten weitestgehend vermieden werden können.
- Im Friseurhandwerk steht in diesem Zusammenhang die
Gewährleistung der körperlichen und psychischen Integrität
und die Gesundheit der Kunden und Verbraucher
im Zentrum. Damit sind überwiegend Situationen verbunden,
die unter dem Gesichtspunkt einer beschränkten
oder willkürlich selektierten staatlichen Gefahrenabwehr
nicht angemessen erfasst werden. Vielmehr stellt sich in
diesem Kontext die Frage, welche Gefahrenvorsorge
der Staat zum Schutz seiner Bürger ergreifen soll und
welche Methoden sich dabei als besonders wirksam erweisen.
In diesem Kontext berührt die Frage der Gefahrgeneigtheit
auch Fragen der Qualität, des Verbraucherschutzes
und auch der Umweltauswirkungen. Anders als
in kaufmännischen Bereichen und spezialgesetzlich geregelten
Gefahrensphären wird die Allgemeinheit hier direkt
mit handwerklichen Leistungen und Produkten konfrontiert,
die ein hohes Qualitäts- und Sicherheitsniveau
verlangen. Schon deshalb kann sich die Gestaltung der
Anlagesystematik nicht auf die Vermeidung tatsächlicher
oder vermeintlich extremer Gefahren beschränken; wie
auch laientheoretische Gefahreneinschätzungen die spezifischen
Gefahrenmomente verkennen können. Darüber
hinaus lässt sich in diesem Kontext auch der „Schutz“
der Allgemeinheit vor übermäßigen Insolvenzrisiken und
der Nichtgefährdung einer hohen Ausbildungsleistung
rechtfertigen, wenn sich das Befähigungsprinzip als eine
effiziente Methode erweist. Dies ist im Friseurhandwerk
positiv zu beantworten.
- Im Friseurhandwerk bewirkt der Befähigungsgrundsatz
als Ausübungsvoraussetzung in effizienter Weise die
qualifizierte und durch geprüfte Zertifizierung sichergestellte
notwendige Einflussnahme auf die fachliche Qualität
der Handwerkstätigkeit. Damit ist untrennbar die
Vermeidung von spezifischen Gefahren und Verletzungsrisiken
verbunden.
- Insbesondere die hohen fachlichen Qualitätserfordernisse
aufgrund des direkten Arbeitens am Menschen selber im
sensiblen Kopfbereich unter spezifisch gesundheitsrelevanten
Umständen können im Zusammenhang mit immer
anspruchsvolleren Kundenerwartungen nur durch dieses
Ausbildungs- und Qualifizierungssystem garantiert werden.
Gerade in diesem Bereich bedarf es fachlicher Perfektion
unter Einhaltung aller Qualitäts- und Sicherheitsstandards,
da Korrekturen und Nachbesserungen im Gegensatz
zum materialbezogenen Handwerk kaum, und
wenn dann nur unter erheblicher gesundheitlicher oder
psychischer Beeinträchtigung der Kunden, möglich sind.
Fachliche Fehler können den Tatbestand der fahrlässigen
Körperverletzung erfüllen. Das handwerkliche Ergebnis
muss kunstgerecht erfolgen und im Ergebnis „sitzen“, um
so mehr als durch die Anwendung friseurchemischer
Produkte hohe Gefahrenpotentiale zu kontrollieren und
zu vermeiden sind. Die dabei verwendeten Produkte
müssen aufgrund hautreizender, sensibilisierender und
allergener Potentiale und evtl. ätzender Konzentrationen
besonderen Anforderungen und darauf bezogenen Anwendungsgarantien
genügen, die erfahrungsgemäß am
effizientesten durch eine zertifizierte Qualifikation als
Ausübungsvoraussetzung ge-währleistet wird. Die haarkosmetischen
Mittel, vor allem Farb- und Umformungsprodukte,
aber auch Desinfektionsmittel unterfallen der
Gefahrstoffverordnung und darauf basierender Technischer
Regeln mit der TRGS 530 im Zentrum der friseurspezifischen
Anwendung, die auch bezogen auf die Friseurkunden
als Ausdruck der akuten Gefährdungspotentiale
und Gesundheitsrisiken bei Ausübung des Friseurhandwerks
gesehen werden müssen.
- Im Bereich der Dauerwell- und Farbbehandlung werden
die höchsten Anforderungen an die friseurtechnischen
Qualifikationen gestellt. Die Einzelheiten der komplexen
Wirkzusammenhänge und Präventionsmaßnahmen verlangen
aufgrund der unterschiedlichen Produktarten und
abweichenden Wirkmechanismen ein Höchstmaß an präsentem
Know-how, fachlicher Anleitung und Kontrolle
und besonderer Maßnahmen zum Schutz der Kunden. Im
Vorfeld bedarf es „diagnostischer“ Kenntnisse in Bezug
auf Haarstruktur und eventueller Vorschäden im Kopfhautbereich.
Dieser das Friseurhandwerk prägende Gefahrenbereich
korrespondiert mit den Gefahren direkten Agierens am
menschlichen Körper unter zeitlich sehr forcierten Umständen,
die ein besonderes Verletzungsrisiko (Einsatz
von Schneidewerkzeugen, elektrischen und thermischen
Quellen und direkte oder indirekte Folgen von chemischen
Prozessen zur Struktur- und Farbumwandlung),
aber auch infektionshygienisches Risiko (AIDS- und Hepatitis-
Prophylaxe) begründen. Wegen der ständigen Gefahrpräsenz
beim fachlichen Agieren am Menschen ist
von einem permanent zu kontrollierenden Gefahrenpotential
auszugehen. Anders als bei Werkstücken, Anlagen
und technischen Installationen, die vor Inbetriebnahme
überprüft und quasi „abgenommen“ werden können, bedarf
es hier unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes
und der Gefahrprophylaxe besonders hoher präsenter
Qualitätsstandards, die durch dieses Qualifizierungssystem
in Verbindung mit der Ausübungsberechtigung mit
großem Erfolg garantiert werden.
- Die jeweils sich sehr individuell und situativ konkretisierenden
Gefahrenmomente verlangen im Handwerksprozess
noch mehr, als im Kontext objektivierbarer Messfehler
und sekundärer Kontrollmechanismen, präsentes
fachliches Niveau und Anleitung. Dies wird im Friseurhandwerk
aufgrund der Qualifikation durch Ausbildung,
praktischer Berufserfahrung und Zertifizierung mit dem
dadurch typischerweise erworbenen Know-how und meisterlichen
Standards, die in Verbindung mit der fachlichen
Anleitung und Überwachung der Mitarbeiter im
Betriebsalltag umgesetzt werden, realisiert und garantiert.
- Wegen der evtl. körperlichen und psychischen Beeinträchtigung
in Schadensfällen sollten nicht haftungsrechtliche
Korrektive zum vorrangigen Steuerungsinstrument
werden, wie Geschädigte nicht mit zunehmender
Tendenz auf Versicherungsleistungen und komplizierte
Schadensersatzauseinandersetzungen verwiesen
sein sollten. Vielmehr sollten die friseurspezifischen Risiken
und mangelhafte Leistungen durch ein Qualifikations-
und Zertifizierungssystem, wie es im Friseurhandwerk
im Rahmen der HwO und seiner Ausbildungsinitiative
erfolgreich und auch quantitativ nachhaltig praktiziert
wird, wie bisher auf ein Minimum reduziert bleiben.
- Das Friseurhandwerk steht in einem sehr engen Zusammenhang
mit den Gesundheitswerken (Vgl. Schmitz,
WuV 2/99, S.88(96f.)) und wurde bisher allgemein als
Gefahrenhandwerk angesehen. Dieser Zusammenhang
und die Gefahrproblematik hat Eingang in die Rechtsprechung
gefunden (VG Arnsberg, Urt. v. 09.07.1970 (1 K
86/70), BayVG Ansbach, Beschl. vom 08.11.1983 (AN 4
S 83 A.1587), VG München, Urt.v. 13.01.1987 (M 16 K
86.2212) in: GewArch 1987,381f., zuletzt VG Stuttgart,
Beschl. v. 19.01.2001 (4 K 23/01)). Dort wird von einer
ständigen möglichen „Gefährdung der Friseurkunden“
durch Verletzungsrisiken, Anwendungsfehlern bei Dauerwellen
oder Farbbehandlungen und potentiellen „Beeinträchtigung
des körperlichen und psychischen Wohlbefindens
ausgegangen“. Das VG München spricht explizit
von einem „Gefahrenhandwerk“.
- Der Gesetzgeber hat friseurspezifische Gefahrenaspekte
zur Regelung der Ausübung des Friseurhandwerks im
Reisegewerbe in § 56 Gewerbeordnung (GewO) herangezogen.
Das Ausübungsverbot ohne Meisterqualifikation
im Rahmen der ambulanten Ausübung soll spezifischen
gesundheitlichen Gefahren vorbeugen. Somit wird
darin ein geeignetes Instrument zur Gefahrkanalisierung
gesehen. (Vgl. Schönleiter in: Landmann-Rohmer, GewO
2002, § 56 Rz 97) Diese Regelung ist insofern beizubehalten.
- top
- Deutscher Fleischer-Fachverband
- Bei der Frage der Zuordnung eines Handwerks zur Anlage
A allein auf die Gefahrengeneigtheit einer Tätigkeit
abzustellen, scheint für das Lebensmittelhandwerk, insbesondere
für das Fleischerhandwerk, unzureichend.
Hervorzuheben ist die hohe Bedeutung der Meisterprüfung
wiederum insbesondere im Hinblick auf die sich
daraus ergebenden verbraucherschützenden Effekte. Bei
den ca. 100 Millionen Kundenkontakten, die das Fleischerhandwerk
pro Jahr verzeichnet, findet dies auch in
zahlreichen Gesprächen und Feststellungen von Kundenseite
seinen Niederschlag. Damit sollte ergänzend zum
Kriterium der Gefahrengeneigtheit vor allem auf den
Verbraucherschutz abgehoben werden.
- Obwohl gegenwärtig die Preissensibilität der Verbraucher
sehr hoch ist und dies den Umsatzanteil der Discounter
gesteigert hat, ist darauf hinzuweisen, dass sich
gerade in Krisenzeiten das hohe Vertrauen, das die Kunden
„ihrem Metzgermeister“ entgegenbringen, zeigt. Als
die Verbraucherverunsicherung aufgrund des Auftretens
der ersten BSE Fälle in Deutschland am größten war,
hatten die von Fleischermeistern geführten Fleischer-
Fachgeschäfte in Deutschland Umsatzzuwächse im zweistelligen
Bereich zu verzeichnen. Die
meisterliche Qualifikation, die überschaubare Betriebsgröße
und die räumliche Nähe zum Verbraucher wurden
von den Kunden als Grund dafür genannt, dass man beim
Metzger seines Vertrauens weiterhin Rindfleisch und
Produkte mit Rindfleisch einkaufte. Auch die Erkenntnis
der Kunden, dass ihr Fleischermeister persönlich in Verantwortung
steht für die Qualität und die Unbedenklichkeit
der von ihm hergestellten und verkauften Produkte
führte zum Erhalt, in vielen Fällen zu einer Steigerung
des Verbrauchervertrauens in handwerklich gewonnene
Fleischprodukte. Häufig wurde der Betriebsleiter bzw.
die Betriebsleiterin auch von Kunden um ein umfassendes
Beratungsgespräch über die Herkunft und Sicherheit
des Rindfleischs und der Rindfleischerzeugnisse gebeten.
Die für eine kompetente Verbraucherinformation umfassende
Kenntnis der gesamten Betriebsabläufe erschien
den Verbrauchern wesentlich überzeugender, als umfangreiche
schriftliche Deklarationen auf vorverpackter, industriell
hergestellter Ware.
- Aber nicht nur in Ausnahmezeiten erfordert aus Verbrauchersicht
der Umgang mit Fleisch und Fleischerzeugnissen
eine hohe Kompetenz. Kaum ein Lebensmittel stellt
so hohe Anforderungen an das Wissen und Können derjenigen,
die mit ihm umgehen. Dies findet seinen Niederschlag
in einer Vielzahl von europäischen sowie nationalstaatlichen
Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien.
Gerade der derzeit entstehenden Verordnung des europäischen
Parlamentes und Rates über Lebensmittelhygiene,
mit der 17 bestehende europäische Richtlinien
konsolidiert werden sollen, lässt sich entnehmen, was
Grundlage der Qualifikation im Fleischerhandwerk sein
muss: “Ein hohes Maß an Schutz für Leben und Gesundheit
des Menschen ist eines der grundlegenden Ziele des
Lebensmittelrechtes“. Diesem hohen Anspruch werden
nur meisterlich qualifizierte Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter
gerecht.
- Hauptziel der neu entstehenden allgemeinen und spezifischen
Hygienevorschriften auf europäischer Ebene ist es,
hinsichtlich der Sicherheit von Lebensmitteln ein hohes
Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. In den Verordnungsentwürfen,
wie auch schon in den vorhergehenden
Richtlinien, wird stets betont, dass „die Hauptverantwortung
für die Sicherheit eines Lebensmittels beim Lebensmittelunternehmer“
liegt. Den sich derzeit aus 17 europäischen
Richtlinien ergebenden entsprechenden Anforderungen
kann nur eine Unternehmerpersönlichkeit
mit meisterlicher Qualifikation genügen. Auch wenn
durch die neu entstehende europäische Lebensmittelhygiene-
Verordnung die bislang zu beachtenden europäischen
Richtlinien durch ein einheitliches Gesetzeswerk
mit unmittelbarer nationaler Geltung abgelöst werden, ist
kaum zu erwarten, dass sich hierdurch die Anforderungen
an den Lebensmittelunternehmer verringern. Im Gegenteil
ist in vielen Bereichen - aus Gründen des Verbraucherschutzes
auch berechtigterweise - von einer Erweiterung
des Aufgabenspektrums auszugehen.
- Auch wenn 90 Prozent der für die Betriebsleiter im Fleischerhandwerk
erforderlichen Vorschriften ihren Ursprung
auf europäischer Ebene haben, finden sich auch
auf nationaler Ebene über 100 Vorgaben verbraucherschützender,
tierschützender und umweltbezogener Gesetze
und Verordnungen.
- Daher betonen wir noch einmal, dass neben dem Kriterium
der Gefahrengeneigtheit vor allen Dingen der Verbraucherschutz
eine wesentliche Rolle bei der Frage der
Zuordnung eines Handwerks zur Anlage A spielen sollte.
Nur wer in der Lage ist, die Vielzahl der verbraucherschützenden
Vorschriften aufgrund seiner hohen beruflichen Qualifikation anzuwenden,
kann qualitativ hochwertige und lebensmittelrechtlich
einwandfreie Produkte herstellen und den Kunden
anbieten.
- top
- Bundesfachgruppe Behälter- und Apparatebau c/o ZVHK
- Das Abstellen auf die Gefahrengeneigtheit als einziges,
die Verfassungsmäßigkeit der obligatorischen
Meisterprüfung legitimierendes Element, ist nach unserer
Auffassung nicht ausreichend.
- Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung
aus dem Jahre 1961 festgestellt,
Ausschussdrucksache 15(9)519 Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
dass nicht alleine absolute und von der jeweiligen
Politik des Gemeinwesens unabhängige Gemeinschaftswerte
anerkannt werden, wie etwa die Volksgesundheit
oder das Leben Dritter, sondern auch
Gemeinschaftsinteressen, die sich aus den besonderen
wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen
Vorstellungen des Gesetzgebers ergeben.
- Hierzu gehören z.B.:
- Erhalt des nationalen Leistungsvermögens
- Wirtschaftliche Nachhaltigkeit und Bestandsfestigkeit
- Sicherstellung des Technologie- und Wissenstransfers
- Sicherung des Qualitätsstandards nach Grundsätzen der Selbstverwaltung (Normung)
- Sicherung einer weltweit anerkannten Ausbildungsleistung
- Die Definition der Gefahrengeneigtheit als Abwehr
von Gefahren für Gesundheit und Leben Dritter ist im
vorliegenden Gesetzesentwurf willkürlich festgelegt
und führt bei der Bewertung und Einstufung der unterschiedlichen
Gewerke in eine Anlage A oder B zu
Fehlinterpretationen. Eine offensichtliche Fehlbewertung
liegt bei der geplanten Überführung des
Behälter- und Apparatebauer-Handwerks in die
Anlage B vor.
- Anm.: Die beabsichtigte Überführung des Behälter-
und Apparaterbauerhandwerks von der Anlage
A in die Anlage B wird ohne nähere Präzisierung
damit begründet, dass es sich bei diesem
Handwerk nicht um ein Handwerk handelt, bei deren
Ausübung Gefahren für Leib und Leben Dritter
bestehen. Diese Annahme ist sachlich unzutreffend.
Es ist ganz offensichtlich, dass eine nähere
Befassung mit den tatsächlichen Kenntnissen
und Fertigkeiten sowie der Ausübung dieses Berufes
nicht erfolgt ist. Das Apparate- und Behälterbauerhandwerk
hat unbestritten eine technologische
Spitzenstellung in der internationalen
Nachfrage hochwertiger Behälter und Apparate
inne. Tatsächlich gelten für dieses Handwerk die
höchsten Anforderungen als Zulieferer der chemischen
Industrie, der Raum- und Luftfahrtindustrie
sowie beim Bau von Anlagen und Behältern
im Bereich der Lebensmittel-Industrie. In der Regel
müssen für die hergestellten Produkte Gefahrenanalysen
durchgeführt werden, welche die
möglichen Gefahren beim Umgang und Betrieb
dieser Behälter in Anlagen aufzeigen. Kein chemisches
Unternehmen, kein Unternehmen der Luftund
Raumfahrt-Industrie und keine Brauerei wird
auf den Gedanken kommen, einen auf der Grundlage
der Handwerksrechtsnovelle geschaffenen
Mini-Betrieb der Anlage B als Zulieferer mit der
Fertigung von Behältern und Apparaten für die
industrielle Anwendung zu beauftragen.
- Die beabsichtigte Überführung des „gefahrgeneigten“
Behälter- und Apparatebauers (als „Mutterberuf“
aller Metallhandwerke) in eine Anlage B ist geradezu
grotesk und kann sicherlich nur auf einer Fehleinschätzung
und – Fehlbewertung beruhen. Die überragende
Wettbewerbsstellung dieses hochqualifizierten
Handwerks, vor allem im internationalen Vergleich,
kann nur durch einen Verbleib in der Anlage A sichergestellt
werden. Wir bitten daher um Korrektur
und Richtigstellung!
- top
- Berufsgenossenschaft der Gas-, Fernwärme- und Wasserwirtschaft
- Das besondere Gefahrenpotential, das wesentlichen Tätigkeitsbereichen
der von uns betreuten Ver- und Entsorgungsbereiche
eigen ist, bedeutet zugleich die Notwendigkeit,
besondere Gefahren für Leben und Gesundheit
Dritter abzuwenden.
- Im Einzelnen:
- Anlage A zur Handwerksordnung
- Nr. 8:
- Die Einordnung der Metallbauer unter die Anlage A wird
von uns für notwendig erachtet. Entsprechende Qualifikationen
sind im Rahmen der Errichtung, Unterhaltung
und Wartung von Anlagen der von uns betreuten Gewerbezweige
zur Abwendung naheliegender Gefahren für
die Allgemeinheit notwendig.
- Nr. 16, 17:
- Die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung
sind aufgrund psysikalisch-chemischer Gesetzmäßigkeiten
mit hohen Gesundheitsrisiken für die Allgemeinheit
behaftet. Dies erfordert eine besonders qualifizierte Ausbildung,
Anleitung und Überwachung der Beschäftigten.
Im Rahmen einer umfassenden, über Jahrzehnte bewährten,
strengen Verantwortungs- und Sicherheitsstruktur
obliegt dies regelmäßig der Meisterebene. Die
Meister stellen somit das wichtigste Verbindungselement
zwischen Unternehmensführung und den ausführenden
Kräften (Monteure u.ä.) dar. In kleineren Einheiten fallen
Unternehmensführung und Meisterei-genschaft nicht
selten zusammen. Dies macht deutlich, dass eine umfassende
Qualifizierung der für die allgemeine- und Arbeitssicherheit
zuständigen Kräfte unabdingbar ist. Die an den
genannten Personenkreis gerichteten Anforderungen bedingen
daher u.E. zwingend eine Qualifikation, wie sie
bislang allein durch die Meisterschulung und –prüfung
vermittelt wird. Dass ein herausgehobenes Qualifikationsniveau
unabdingbar ist, zeigt auch der Umstand, dass
die Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs
e.V. (DVGW, untergesetzlicher Normgeber im Rahmen
des § 16 des Energiewirtschaftsgesetzes) ihre Anforderungen
an die Qualifikation und die Organisation für die
Technischen Führungskräfte nicht unterhalb der Meisterqualifikation
ansetzt.
- Der Verbleib der genannten Gewerbe in der Anlage A ist
somit auch wesentlich im Interesse der Abwehr bedeutender
Gefahren für Leben und Gesundheit der Allgemeinbevölkerung.
- Augenscheinlich ist die potentiellen Gefährdung von Leben
und Gesundheit der Allgemeinheit im Bereich der
Gasversorgung. Die Meisterqualifikation ist hier im Hinblick
auf eine qualifizierte Ausbildung und Anleitung der
Monteure sowie die Gewährleistung eines unverzüglichen
und hochqualifizierten Störungsmanagements absolut
unabdingbar.
- Entsprechendes gilt für die Fernwärmeversorgung. Dort
müssen hohe thermische Energiemengen bewältigt werden,
die spätestens bei der Verteilung an den Endverbraucher
bei unsachgemäßer Behandlung der dazu benutzten
Vorrichtungen erhebliche Gefahrenpotentiale
bergen.
- Unsere Berufsgenossenschaft ist teilweise auch für Unternehmen
zuständig, die der allgemeinen Stromversorgung
dienen. Die damit verbundenen besonderen Gefahren
für die Beschäftigten und die Allgemeinheit, gerade
auch im Hochspannungsbereich, sind offenkundig.
- Anlage B zur Handwerksordnung
- Gegen die Zuordnung der Brunnenbauer zu Anlage B
(Nr. 5) und damit den Verzicht auf eine verpflichtende
Meisterqualifikation erheben wir Bedenken.
- Die hohen Anforderungen an die Güte des Lebensmittels
Wasser sowie die Vermeidung der aus der Gewinnung
potentiell entstehender Gefährdungen einer unbestimmten
Vielzahl von Dritten bei unsachgemäßer Gewerbeausübung
sind aus unserer Sicht nur dann umfassend zu
gewährleisten, wenn dieser Gewerbezweig der Anlage A
unterfällt.
- Selbst kleinste Bohrungen können die Ressource Trinkwasser
in ungeahntem Ausmaß gefährden (Anbohrung
kontaminierter Bereiche wie Industriebrachen, Abfalldeponien
u.ä.).
- Als fachlich betroffene Körperschaft erachten wir die
bisherige Zuordnung zur Anlage A als wesentlichen
Grund dafür, dass Trinkwassergewinnung, -verbreitung
und –verbrauch höchsten Standards des Gesundheitsschutzes
der Bevölkerung entsprechen. Dieser Standard
sollte nicht durch eine im Einzelfall mangelhafte Qualifikation
der Verantwortlichen gefährdet werden.
- Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die unsere
Berufsgenossenschaft unmittelbar betreffenden Gewerbezweige
der Nrn. 8, 16, 17 der Anlage A zutreffend eingeordnet
sind.
- Die „Rückstufung“ des Brunnenbaugewerbes in die Anlage
B sollte aus den genannten Gründen dringend überdacht
werden.
- top
- Dr. Bode, Institut für Weltwirtschaft Kiel
- 2. Kriterium der Gefahrengeneigtheit als alleinige
Zugangsvoraussetzung zur Aufnahme
einer selbständigen Tätigkeit in der Anlage A
- Dieser Themenbereich spricht nach meiner Interpretation
zwei Fragen an:
- a) Rechtfertigt Gefahrengeneigtheit die Beschränkungen
des Marktzutritts im Handwerk, wie sie durch die
Novelle der HwO vorgesehen sind?
- b) Existieren weitere Kriterien, die Marktzutrittsbeschränkungen
im Handwerk rechtfertigen?
- Ad a. Aus ökonomischer Sicht rechtfertigt Gefahrengeneigtheit
die in der Novelle der HwO vorgesehenen
Marktzutrittsbeschränkungen nach meiner Auffassung
nicht. Wie in Bode (2003: 8 ff.) im einzelnen dargelegt
wird, traue ich Verbrauchern durchaus zu, ihren systematischen
Informationsrückstand gegenüber Anbietern
im Hinblick auf die Qualität angebotener handwerklicher
Leistungen zu erkennen, zu bewerten und durch Beschaffung
geeigneter Informationen zu verringern. Dies gilt
auch für das Gefahrenpotenzial, das aus einer nicht fachgerechten
Ausführung handwerklicher Arbeiten resultiert.
Verbraucher haben ein vitales Eigeninteresse daran,
das Gefahrenpotenzial in ihre Entscheidungen über die
Auftragsvergabe einzubeziehen. Um die Reputation von
Anbietern im Hinblick auf ihre fachliche Kompetenz und
die Sorgfalt ihrer Arbeiten abzuschätzen, ist grundsätzlich
eine ganze Reihe von Indikatoren geeignet, darunter
der Meisterbrief, die Berufserfahrung, die vertragliche
Zusage besonderer Garantie- und Serviceleistungen, die
Erfahrungen anderer Nachfrager, oder das Urteil unabhängiger
Fachleute. Welche dieser Indikatoren im Einzelfall
besonders geeignet sind, hängt entscheidend von
der individuellen Situation ab. Es gibt nach meiner Überzeugung
keinen gleichmäßig besten Indikator.
- Staatliche Marktzutrittsbeschränkungen, die das Gefahrenpotenzial
dadurch zu verringern suchen, dass sie bestimmte
Indikatoren für die Reputation von Anbietern als
Voraussetzungen für den selbständigen Betrieb eines
Handwerksgewerbes definieren, verzerren das individuelle
ökonomische Kosten-Ertrags-Kalkül der Verbraucher
bei der Entscheidung über die Vergabe handwerklicher
Aufträge. Die gegenwärtig geltende HwO etwa
zwingt jeden Verbraucher, einen der Indikatoren für die
Reputation von Anbietern, namentlich den Meisterbrief, zu
verwenden und bürdet ihm zugleich die Kosten für die
Verwendung dieses Indikators auf. Dabei kann nicht sichergestellt
werden, dass der gesetzlich bevorzugte Indikator
seinen Preis tatsächlich wert ist. Dies führt letztlich
dazu, dass andere Indikatoren, die ebenso gut oder besser
geeignet sind, die Reputation von Anbietern zu beurteilen,
tendenziell vernachlässigt werden. Die Novelle der HwO
beseitigt diese Verzerrung nur in den künftig zulassungsfreien
Gewerben. In den Gewerben der Anlage A (mit
Ausnahme der Gesundheitshandwerke) hingegen wird sie
lediglich verringert, weil Verbrauchern „nur“ noch vorgeschrieben
wird, entweder den Meisterbrief oder die langjährige
Berufserfahrung als Indikator zu verwenden.
- Selbst wenn der Gesetzgeber es für notwendig erachtet,
Verbraucher durch staatliche Regulierungen vor gesundheitlichen
Schäden zu bewahren, so kann dieses Ziel
nach meiner Einschätzung mit Eingriffen erreicht werden,
die geringere volkswirtschaftliche Effizienzverluste
verursachen als die Marktzutrittsbeschränkungen der
HwO. Eine Möglichkeit besteht darin, statt ganzer
Handwerksgewerbe nur die tatsächlich besonders gefahrengeneigten
Tätigkeiten innerhalb der Gewerbe in einer
„Negativliste“ zu definieren, wie es der Bundesverband
unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker vorgeschlagen
hat. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die
regelmäßige Fortbildung zu stärken sowie Instrumente
des Haftungsrechts und der laufenden Gewerbeaufsicht
zu nutzen, um die Wahrscheinlichkeit gesundheitlicher
Schäden zu verringern (vgl. z.B. Deregulierungskommission
1991; Monopolkommission 1998, 2001).
- Ad b. Meines Erachtens rechtfertigt keines der übrigen,
gegenwärtig diskutierten Kriterien Marktzutrittsbeschränkungen
im Handwerk. Dies gilt insbesondere für
die Bestandfestigkeit der Handwerksbetriebe und die
Ausbildungsleistung des Handwerks
- Das wirtschaftspolitische Ziel der Bestandsfestigkeit, d.h.
letztlich der staatliche Schutz bestehender Unternehmen
vor Konkurs, konfligiert mit grundlegenden Prinzipien
einer dezentral organisierten marktwirtschaftlichen Ordnung.
Wohlstandsmehrender technischer und organisatorischer
Fortschritt setzt sich zumeist in einem Prozess der
schöpferischen Zerstörung durch. Er wird getrieben von
denjenigen, die im Wettlauf um die Gunst der Kunden
neue, den Präferenzen der Nachfrager besser entspechende
Ideen entwickeln und umsetzen. Dies ist die schöpferische
Seite der Medaille. Die unvermeidbare Kehrseite
der Medaille ist die Zerstörung von selbständigen Existenzen,
die in diesem Wettlauf unterlegen sind und die
Gunst der Kunden verlieren. Der Saldo aus Schöpfung
und Zerstörung ist in aller Regel positiv. Es gibt aus ökonomischer
Sicht meines Erachtens keinen Grund für die
Annahme, dass dies im Handwerk anders sein sollte als
in anderen Bereichen der Wirtschaft. Wird Bestandsfestigkeit
zum Ziel von Wirtschaftspolitik erhoben, so bedeutet
dies notwendigerweise einen Verzicht auf Kreativität
und damit letztlich auch einen Verzicht auf
Wohlstand.
- Was die Ausbildungsleistung angeht, so gehe ich davon
aus, dass Handwerksbetriebe, die mehr Lehrlinge ausbilden,
als sie an Fachkräftenachwuchs selbst benötigen, einen
eigenen monetären oder nicht-monetären Vorteil davon
haben (vgl. Bode 2003: 13 ff.). Zugleich produzieren
Handwerksbetriebe, die über den Eigenbedarf hinaus
ausbilden, eine positive Externalität für andere Unter-
Ausschussdrucksache 15(9)519 Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
nehmen, die eigene Ausbildungskosten in dem Maße einsparen
können, wie sie zu relativ günstigen Konditionen
auf handwerkliche Fachkräfte zurückgreifen können. Die
Ausbildungsleistung von Handwerksbetrieben wird vor
allem von Unternehmen der Industrie und des Dienstleistungsgewerbes
in Anspruch genommen, aber auch
von nicht selbst ausbildenden Handwerksbetrieben. In
welchem Umfang diese Externalität gegenwärtig nicht
durch tendenziell niedrigere Lehrlingsvergütungen in
Handwerksbetrieben und tendenziell höhere Einstiegslöhne
für Handwerksgesellen in anderen Unternehmen
internalisiert wird, ist empirisch kaum feststellbar.
- In dem Maße, wie die Externalität bereits internalisiert
wird, besteht kein staatlicher Handlungsbedarf. Doch
selbst wenn die Externalität in erheblichem Umfang nicht
internalisiert würde, erscheint eine generelle Beschränkung
des Marktzutritts zu Handwerksgewerben nicht als
eine ökonomisch effiziente Form der Internalisierung,
weil die Marktzutrittsbeschränkung
- – auch die Handwerksbetriebe begünstigt, die
keine Externalitäten produzieren oder sogar von der
Ausbildung in anderen Betrieben profitieren,
– nicht auch die Unternehmen außerhalb des
Handwerks begünstigt, die ebenfalls über den Eigenbedarf
hinaus ausbilden, und
– nicht die Renten abschöpft, die den Nutznießern
entstehen.
- Statt dessen wäre eine Internalisierung in Form eines direkten
monetären Transfers zwischen den Produzenten
und den Nutznießern von Ausbildung vorzuziehen. Diese
Transfers könnten etwa in „Ablösesummen“ bestehen,
wie sie in der privaten und militärischen Pilotenausbildung
üblich sind, oder im Rahmen von Ausbildungskooperationen
vereinbart werden.
- top
- Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Stober, Universität Hamburg,
geschäftsführender Direktor am Institut für Recht d. Wirtschaft
- B. Kriterium der „Gefahrgeneigtheit“ als alleinige
Zugangsvoraussetzung zur Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit in der Anlage A
der HwO.
- I. Zum Erfordernis einer klaren gesetzlichen
Zweckbestimmung
- Bei der Beantwortung der Frage, ob das Kriterium der
„Gefahrgeneigtheit“ alleinige Zugangsvoraussetzung
zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in der Anlage
A sein kann, ist zunächst auf ein grundsätzliches Defizit
der geltenden Handwerksordnung, aber auch des
hier zu beurteilenden Gesetzesentwurfes hinzuweisen. Im
Gegensatz zu den meisten modernen wirtschaftsverwaltungsrechtlichen
und gewerberechtlichen Gesetzen fehlt
an der Spitze der Handwerksordnung eine Zweckbestimmung.
Die Probleme bei der Anwendung und Auslegung
der Handwerksordnung resultieren insbesondere
daraus, dass nicht klar ist, welche Ziele dieses Gesetzeswerk
verfolgt. Selbst die Kommentarliteratur ist insofern
nicht hilfreich, da sie in der Regel lediglich die Begrifflichkeiten
der einzelnen Bestimmungen erläutert. Nur auf
verschlungenen Pfaden und mit Hilfe aufwendiger Argumentationen
u. a. der Rechtsprechung wird deutlich, in
welchem Sinne das Handwerksrecht zu interpretieren ist.
Diese Unsicherheit begleitet auch das hier zu würdigende
Reformvorhaben. Denn einerseits scheint der Gesetzesentwurf
von den Topois Leistungsstand und Leistungsfähigkeit
Abstand zu nehmen, ohne sich näher juristisch
mit diesem Gesichtspunkt auseinander zu setzen. Andererseits
wird das Gefahrenabwehr- bzw. das Gefahrengeneigtheitskriterium
eingeführt, das bislang weder
in der Rechtsprechung noch im Handwerksrecht
eine besondere Rolle gespielt hat
(Honig, Handwerksordnung, 2. Aufl. 1999, § 1 Rn. 4).
- II. Paradigmenwechsel bei der Schutzzielbestimmung
des Meisterprüfungsrechts
- Jedenfalls existiert keine spezielle Vorschrift hierfür und
selbst neuere Kommentare erwähnen diesen Abgrenzungsbegriff
nicht im Stichwortverzeichnis.
(Honig, Handwerksordnung, 2. Auflage).
- Insbesondere seit der Herauslösung aus der Gewerbeordnung
ist das Handwerksrecht nicht mehr unmittelbar
ordnungsrechtlich motiviert. Allenfalls mittelbar klingt
in der Fortführungsregel des § 4 HwO an, dass der Leistungsstand
nicht durch mangelhafte Leistungen gegenüber
den Kunden in Mitleidenschaft gezogen werden darf
(S. näher Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 12.
Aufl., § 48 II 2 m.w.N.).
- Folglich handelt es sich bei der Einführung des Abgrenzungsmerkmals
der Gefahrengeneigtheit um einen Paradigmenwechsel
bei der Schutzzielbestimmung des
Handwerksrechts. Es besteht überhaupt kein Zweifel,
dass der Gesichtspunkt der Gefahr für Gesundheit und
Leben ein sachgerechtes und verhältnismäßiges Kriterium
zur Aufrechterhaltung der obligatorischen Meisterprüfung
ist. Insofern knüpft das reformierte „Verzeichnis
der Gewerbe, die als zulassungspflichtige Handwerksgewerbe
betrieben werden können“ nahezu deckungsgleich
an eine Liste von Handwerksberufen an, die seit den Direktiven
der amerikanischen Militärregierung nach dem
Zweiten Weltkrieg als Gefahrenhandwerk bezeichnet
und im Zusammenhang mit Nachfolgeregelungen relevant
wurden
(Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, Kommentar, 2.
Aufl., § 4 Rn 23 f; s. ferner BT-Drucksache 13/8846).
- III. Zur Sachgerechtigkeit der Abgrenzung anhand
der bisherigen Anlage A
- Die neue Anlage A wirft allerdings die Frage auf, ob die
dort vorgenommene Handwerksgewerbeabgrenzung
sachgerecht ist. Das wäre zu verneinen, wenn es neben
den aufgeführten Berufen noch weitere gäbe, von denen
ebenfalls Gefahren für Gesundheit und Leben Dritter
ausgingen. Diese Problematik wird zwar ersichtlich nicht
von dem hier zu erörternden Themenbereich erfasst, der
schwerpunktmäßig auf die Gefahrengeneigtheit als „alleinige
Zulassungsvoraussetzung“ abstellt. Sowohl der
Gesetzeszusammenhang als auch der Gesetzeszweck gebieten
jedoch eine systemgerechte Interpretation. Deshalb
ist anhand des bisherigen Kataloges der Anlage A
zu untersuchen, ob das neue Verzeichnis A aus Gründen
der Gefahrengeneigtheit auf weitere Handwerksgewerbe
erstreckt werden muss. Die Entwurfsbegründung setzt
sich primär mit den Handwerksberufen auseinander (S.
104 ff.), die in der Anlage A verbleiben sollen. Im übrigen
werden nur pauschale Hinweise gegeben. Auch eine
Lektüre der Begründung für die Aufnahme von Handwerksgewerken
in die Anlage B ist kaum weiterführend.
Jedenfalls fehlt eine detaillierte Auseinandersetzung
für die einzelnen Gruppen, die nachvollziehbar Auskunft
geben, weshalb sie unter Gefahrengesichtspunkten
nicht in der Anlage A verbleiben. Diese Arbeit kann hier
schon aufgrund der kurzen Bearbeitungsfrist nicht geleistet
werden. Einige Bemerkungen sollen jedoch verdeutlichen,
dass sich hinter dieser Problematik verfassungsrechtlicher
Sprengstoff verbirgt, weil sich der Gesetzgeber
an seinen selbst gesetzten Zielsetzungen messen lassen
muss.
- So ist auffallend, dass gegenüber dem Referentenentwurf
die Gruppe der Nahrungsmittelgewerbe völlig aus der
Anlage herausgefallen ist. Das ist erstaunlich, weil Gesundheitsgefahren
insbesondere von der Verarbeitung
von Lebensmitteln sowie von Lebensmittelproduzenten
und Dienstleistern drohen (Bäcker, Konditoren, Fleischer).
Insofern muss man sich vergegenwärtigen, dass
es sich bei handwerklichen Produkten nicht um standardisierte
Industrieware handelt, weshalb die gesundheitlichen
Anforderungen wegen der permanenten Individualfertigung
und der unterschiedlichen Grundstoffe besonders
hoch sein müssen, um die Gesundheit zu schützen
(z. B. Salmonellengefahr). Das Lebensmittelrecht reicht
nicht aus, weil es den allgemeinen Befähigungsnachweis
nur ergänzen, nicht aber ersetzen kann. Ähnlich verhält
es sich mit den Friseuren, die im hochsensiblen Kopfbereich
der Kunden mit Chemikalien (Bleich- und Färbemittel)
und anderen Stoffen sowie gefährlichen Werkzeugen
(Skalpell, Lanzetten, Laser) arbeiten. Je anspruchsvoller
und differenzierter die Wünsche der Kunden
werden, um so wichtiger ist die gefahrlose Handhabung
der Materialien und Instrumente, die nur durch eine
gründliche Schulung und Unterweisung erlangt werden
kann. Ferner sind die Kunden vor Infektionen durch
Hautkrankheiten, Hepatitis, Herpes und HIV und anderen
Verletzungen zu schützen. Nichts anderes gilt für
Schuhmacher, da nicht sachgerechte Anfertigungen und
Reparaturen zu Fuß- und anderen Körperschäden führen
können. Auch bei Malern und Lackierern bestehen erhebliche
Gesundheitsgefahren, wenn mit den Farbmaterialien
nicht ordnungsgemäß umgegangen wird. Diesen
Fragen hätte sich der Entwurf intensiv widmen müssen,
um eine sachgerechte Abgrenzung zu ermöglichen.
- IV. Zur voraussetzungslosen Zulassung von Gesellen
im Gefahrenhandwerk
- Hinsichtlich der Zulassung von Gesellen ohne Meisterprüfung
wird übersehen
(s. Bundestags-Drucksache 15/1206 S. 56).
- dass das Hauptkriterium Gefahrenabwehr in diesen Fällen
offensichtlich keine Rolle mehr spielt. Denn eine
mehrjährige Praxis reicht allein nicht aus, um eine wirksame
Gefahrenabwehr sicher zu stellen, die fundierte
theoretische Kenntnisse und eine Ausbildungseignung
voraussetzt. Vielmehr führt die vorgeschlagene Regelung
zu dem absurden Ergebnis, dass man einem Gesellen
dringend davon abraten muss, die Meisterprüfung in Erwägung
zu ziehen, weil er nach mehrjähriger Tätigkeit in
einem Handwerksbetrieb diese Hürde nicht mehr überwinden
muss. Die unter dem einseitigen Gesichtspunkt
der Reduzierung einer Inländerdiskriminierung gefundene
Lösung läuft darauf hinaus, die obligatorische Meisterprüfung
sozusagen durch die Hintertür der Gesellenklausel
faktisch völlig abzuschaffen. Damit wird die
Novelle zur Farce und ihr eigentliches Anliegen wird in
das Gegenteil umgekehrt, weil das Institut der obligatorischen
Meisterprüfung ausgehöhlt wird und leer läuft.
Es versteht sich von selbst, dass eine derart unausgewogene,
sachlich nicht nachvollziehbare Normierung verfassungsrechtlich
nicht haltbar ist, weil sie die sichere
Basis der bisherigen Legitimation verlässt.
- V. Zur Verantwortung des Gesetzgebers für das
Handwerk im Präventionsstaat
- 1. Zur Beachtung von Vorsorge, Risiken und grundrechtlichen
Schutzpflichten
- Abgesehen von diesen Anmerkungen zur Gefahrengeneigtheit
weiterer als der im Gesetzesentwurf erwähnten
Gefahrenhandwerke und der Einbeziehung der Gesellen
ist zu bemängeln, dass sich der Reformvorschlag zu wenig
mit den komplexen beruflichen und gemeinwohlorientierten
Anforderungen für ein zukunftsfähiges
Handwerk im Präventionsstaat
(R. Wahl, Staatsaufgabe Prävention, 1995)
- auseinander setzt. Er ist nicht nur Gefahrenabwehr- sondern
auch Gefahrenvorsorgestaat. Er setzt auf Vorbeugung
und schenkt der Risikoverwaltung besondere
Aufmerksamkeit (Umweltschutzverantwortung, Auftragsvergabeverantwortung,
Mittelstandsverantwortung).
Seine Präventionsverantwortung erstreckt
sich auch auf grundrechtliche Schutzpflichten
(s. näher Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 1, 11.
Auflage 1999, § 33 V)
- für Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmer.
Diesen Ansatz schließt der Gesetzesentwurf wohl auch
für die Zukunft aus, ohne diese Begrenzung der Schutzzwecke
näher zu erläutern
(BT-Drucksache 15/1206, S. 52).
- Legt man diese modernen staatswissenschaftlich fundierten
Maßstäbe an die aufgezeigten Reformpläne an,
dann ergibt sich folgendes Bild:
- 2. Verbraucherschutz
- Der Verbraucherschutz ist eine anerkannte staatliche
und gemeinschaftsrechtliche Querschnittsaufgabe
(§ 13 BGB, Art. 153 EGV), welche die Sicherheit, die
Gesundheit sowie wirtschaftliche Interessen der Verbraucher
auf hohem Niveau schützen will. Vor diesem
Hintergrund verletzt die weitgehende Abschaffung der
Meisterprüfung das Schutzniveau und die Schutzgüter,
da die Differenzierung nach Gefahrenhandwerk zu eng
ist und grundsätzlich alle Handwerke gesundheitsrelevant
sind. Die Verbraucher sind wegen der individuellen
Produktverantwortung der Handwerker für unterschiedliche
„Handarbeitsleistungen“ auf ein hohes
Schutzniveau angewiesen. Es kommt darin zum Ausdruck,
dass der Meisterbrief im Handwerk das funktionale
Äquivalent der Anlagen- und Produktgenehmigung
für die Industrie und das CE-Zeichen (z. B. Produktsicherheitsgesetz)
ist.
- 3. Umweltschutz
- Der Umweltschutz ist eine anerkannte staatliche und
gemeinschaftsrechtliche Querschnittsaufgabe (Art. 20
a GG, Art. 6, 174 EGV), welche die Verbesserung der
Umweltqualität, die Gesundheit und die rationelle Ressourcenverwendung
auf hohem Niveau schützen will.
Auch hier verletzt die weitgehende Abschaffung der
Meisterprüfung das Schutzniveau sowie die Schutzgüter.
Denn der Umweltschutz besitzt vornehmlich gefahrenvorbeugenden
Charakter und ist multidimensional angelegt.
Die voraussetzungsfreie Gesellenzulassung ist wegen
des fehlenden Umwelttheoriebedarfs problematisch.
Vielmehr ist wegen der individuellen ökologischen
Produktverantwortung für unterschiedliche „Handarbeitsleistungen“
ein hohes Umweltschutzniveau unerlässlich.
Das folgt daraus, dass der Meisterbrief im
Handwerk die meisterhafte „Maßanfertigung“ garantiert
und damit das funktionale Äquivalent gegenüber dem
Waren- und Fertigteilprodukt und der abstrakten Umweltverträglichkeitsprüfung
im Rahmen anderer Genehmigungsverfahren
ist.
- 4. Öffentliche Auftragsvergabe
- Die öffentliche Auftragsvergabe ist eine anerkannte
staatliche und gemeinschafts-rechtliche Querschnittsaufgabe
(§§ 97 ff. GWB, Art. 163 II EGV). Sie
zielt im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen
Hand auf ein hohes Leistungsniveau. Es wird durch die
Vergabe an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige
Auftragnehmer oder durch die Aufrichtung des Meistererfordernisses
als Laufbahnvoraussetzung sichergestellt.
Diese auch vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich
anerkannten Anforderungen
(BVerfGE 13, 97, 107 f.)
- können insbesondere als Präqualifikationsvoraussetzung
nicht garantiert werden, wenn allein die Kriterien
Gefahren- oder Gesundheitshandwerk maßgeblich sind
oder auch Gesellen weitgehend voraussetzungslos die
selbständige Ausübung eines Meisterbetriebes gestattet
wird.
- 5. Arbeitnehmerverantwortung
- Die Arbeitnehmerverantwortung ist eine anerkannte
staatliche und gemeinschaftliche Aufgabe (Art. 109 II
GG i. V. m. § 1 StabG; Art. 2, Art. 149 f. EGV). Sie ist
auf ein hohes Beschäftigungsniveau sowie eine qualitativ
hochstehende berufliche Bildung angelegt und bezieht
sich auf das Handwerk als Arbeitsplatzbeschaffer
und Ausbilder im gewerblich-technischen Bereich. So
entfallen Von insgesamt 568000 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen
im Jahre 2002 177000 auf das Handwerk
und 305000 auf Industrie und Handel
(Bundesanzeiger v. 10.4.2003 Nr. 70 S. 7241).
- Im Vordergrund steht aber weniger das im Gegensatz zu
den Ausführungen im Gesetzesentwurf immer noch beachtliche
quantitative Element. Das Augenmerk gilt
stattdessen der besonderen Qualität der handwerklichen
Ausbildung, die nicht unbedingt mit den Ausbildungsgängen
im Industrie-, Handels- und anderen
Dienstleistungsgewerben vergleichbar ist, weil es im
Handwerk primär um ständig wechselnde individuelle
und manuelle Anfertigungen geht, die keinen Konfektionscharakter
besitzen. Das betont auch der Gesetzgeber,
der in der Ursprungsfassung der „handwerklichen Produktionsweise“
eine besondere schützenswerte Bedeutung
beimisst
(s. auch Gesetzesentwurf BT-Drucksache 15/1206, S. 51 f.).
- Hinzu kommt die allgemein anerkannte Ausbildungsleistung
für die gesamte gewerbliche Wirtschaft. Sie belegt
in besonderem Maße, dass das Handwerk wegen seiner
hohen Ausbildungsqualität die Funktion eines Zulieferers
für andere Branchen einschließlich des öffentlichen
Dienstes einnimmt. Diese Besonderheiten sind auch
der Grund für das einzigartige gestufte Ausbildungssystem,
dass sukzessive zur Selbständigkeit und zur Ausbildereignung
des Meisters als wesentliches Element der
Meisterprüfung führt. Diese bewährte und gewachsene
Struktur weicht der Gesetzesentwurf ohne Not auf, weil
die höchste Stufe der Berufsbildung zum Ausnahmefall
heruntergestuft wird. Die weitgehende Abschaffung der
Meisterprüfung tangiert die Arbeitnehmerverantwortung,
die sich weder auf das Gefahren- noch auf das Gesundheitshandwerk
reduziert. Gegenüber den Gesellen verletzt
der Staat seine Schutzpflicht, weil eine Qualifizierung
der Auszubildenden in der Wissensgesellschaft
(Schlussfolgerung des Europäischen Rates v. 6.2.2003, Abl.
2003 Nr. C 77, 3)
- eine fundierte Ausbildereignung voraussetzt. Zutreffend
wird darauf hingewiesen, dass die Beherrschung der
notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse allein nicht
mehr für die Gewährleistung einer guten Berufsausbildung
ausreicht. Vielmehr wird betont, die Sicherung einer
qualifizierten Ausbildung sei ein wichtiges Anliegen
der Allgemeinheit. Daher müsse ein Ausbilder auch
nachweisen, dass er berufs- und arbeitspädagogisch geeignet
sei. Dieser Nachweis erfolgt nach der Ausbilder-
Eignungsverordnung grundsätzlich in der Ausbildungsprüfung
(Hurlebaus, Rechtsratgeber Berufsbildung, 17. Aufl. 2003, S.
216).
- Deshalb ist auch die kürzlich für die Jahre 2003 bis 2008
abgeschaffte Prüfung der Ausbildungseignung problematisch
(Verordnung v. 28.5.2003 BGBl. I S. 783)
- und als Rückschritt in einer Zeit zu verstehen, in der sich
die Produktionsfaktoren Information und Wissen zu
den wichtigsten Ressourcen entwickeln.
- Man denke nur an Initiativen der Europäischen Kommission,
die darauf abzielen, die Union bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten
und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum zu machen
(Mitteilung der Kommission KOM (2002) 779 endg. vom
10.1.2003; BR-Dr 32/03).
- Dieses wirtschaftspolitisch begrüßenswerte Ziel kann nur
erreicht werden, wenn die Ausbildungs- und Ausbilderanforderungen
verbessert und nicht abgebaut werden.
- 6. Mittelstandsverantwortung
- Die Mittelstandsverantwortung ist eine anerkannte
staatliche und gemeinschafts-rechtliche Aufgabe (Art.
137 II, 157 EGV) im Interesse einer nachhaltigen, ausgeglichenen
Wirtschafts- und Unternehmensentwicklung.
Die weitgehende Abschaffung der Meisterprüfung
schwächt die Substanz des zweitgrößten Wirtschaftszweiges,
weil das Handwerk erwiesenermaßen nachhaltig
krisenfest ist und folglich nur die ökonomischjuristischen
Rahmenbedingungen zu verbessern sind.
Hingegen ist eine Unterscheidung nach Gefahren- und
Gesundheitshandwerk zu eng. Ferner verkennt die voraussetzungslose
Zulassung von Gesellen, dass die Mittelstandsverantwortung
umfassende kaufmännische
Kenntnisse und „technisches“ Meisterwissen verlangt.
- 7. Unternehmerschutzverantwortung
- Die Unternehmerschutzverantwortung ist eine anerkannte
staatliche und gemeinschaftsrechtliche Aufgabe
(Art. 12 GG, Art. 16 EU GR Charta). Sie gewährleistet
Unternehmerfreiheit bei gleichzeitigem Schutz
wichtiger Gemeinschaftsgüter. Insofern dürfen die bislang
in der Rechtsprechung maßgeblichen Argumente für
die Meisterpflicht wie Leistungsfähigkeit des Handwerks
und Ausbildungsressource nicht ohne fundierte
Begründung ausgeblendet und als künftig nicht mehr
relevant betrachtet werden. Im Gegenteil. Diese Gründe
gewinnen für die Qualifikation in der Wissensgesellschaft
und in der Informationswirtschaft zusätzliches
Gewicht. Demgegenüber würde die weitgehende
Abschaffung der Meisterpflicht die Unternehmerlücke
vergrößern, ohne dass die Differenzierung nach Gefahren-
oder Gesundheitshandwerk geeignet ist, die erwähnten
Rechtsgüter angemessen zu schützen. Ähnliches
gilt für die voraussetzungslose Zulassung von Gesellen,
weil ein Ausbildungsüberschuss in der Wissensgesellschaft
zulässig ist, um die notwendige hohe Qualifikation
im Interesse der Zukunftsfähigkeit der Unternehmen
sicherzustellen (Allgemeiner Theorie-, Technik-,
BWL- und Pädagogikbedarf). Deshalb ist als Kompromiss
die vom Bundesverfassungsgericht verlangte grundrechtsfreundliche
und verhältnismäßige Handhabung der
Meisterprüfung erforderlich
(BVerfG, GewArch 2000, 240; BVerfG NVwZ 2001, 189).
- top
- Dr. Beate Maiwald, Ludwig-Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften,
Abt. für Handwerksrecht
- Kriterium der „Gefahrengeneigtheit“ als alleinige
Zugangsvoraussetzung zur Aufnahme
einer selbständigen Tätigkeit in der Anlage A
der HwO
- Das Kriterium der Gefahrengeneigtheit als alleiniges
Kriterium zur Charakterisierung und Einordnung einer
Tätigkeit als (Voll-)Handwerk oder als Nichthandwerk
erscheint nur begrenzt geeignet, letztlich Berufszulassungsregelungen
für den selbständigen Betrieb eines
Handwerks zu rechtfertigen.
- Auch außerhalb des handwerklichen Bereichs gibt es
zahlreiche gefahrengeneigte Tätigkeiten. Wenn die Gefahrengeneigtheit
einer Tätigkeit allein typisch für das
Handwerk wäre, müssten zahlreiche Tätigkeiten in die
Anlage A neu aufgenommen werden, obwohl sie traditionell
anderen Bereichen zugerechnet werden. Die Beschränkung
des Merkmals der Gefahrengeneigtheit auf
„Gefahren für Gesundheit und Leben Dritter“ lässt bedeutsame
Aspekte des Umweltschutzes (Gefahr für die
Umwelt) sowie des Arbeitnehmerschutzes (Gefahr für
den oder die Beschäftigten) unberücksichtigt.
- Wenn für die Zugangsvoraussetzung allein auf die Gefahrengeneigtheit
einer Tätigkeit abgestellt wird, ist kein
Grund ersichtlich, warum in der Meisterprüfung noch
betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche
Kenntnisse (Teil III der Meisterprüfung) oder berufs- und
arbeitspädagogische Kenntnisse (Teil IV der Meisterprüfung)
nachgewiesen werden sollen; die Teile III und IV
der Meisterprüfung müssten deshalb entfallen. Dadurch
würde aber die Ausbildungsbereitschaft und -fähigkeit im
Handwerk weiter zusätzlich schwinden und die Insolvenzhäufigkeit
würde zunehmen.
- Wenn dem Handwerk mit den Kriterien der Leistungsfähigkeit
und der Ausbildung die Identität stiftende Basis
entzogen würde, ist zu befürchten, dass das Handwerk in
kürzester Zeit keine einheitliche soziale Gruppe mehr
darstellen würde.
- top
- Dr. Bernhard Lagemann, Rheinisch-Westfälisches Institut für
Wirtschaftsforschung (Ausschussdrucksache 15(9)547)
- 2. Kriterium der „Gefahrengeneigtheit“ als alleinige
Zugangsvoraussetzung zur Aufnahme einer
selbständigen Tätigkeit in der Anlage A der HWO
-
Das Kriterium der „Gefahrengeneigtheit“ ist ohne Zweifel das
stichhaltigste Kriterium für die Bindung der Marktzulassung
von Gründungen an eine berufliche Qualifikation. Auch andere
europäische Länder außer Luxemburg und
Österreich, deren Handwerksrecht ohnehin dem deutschen stark
verwandt ist, orientieren sich bei ihren deutlich liberaleren
Regelungen primär an diesem Kriterium.
-
Die Frage, ob und wie das Abgrenzungskriterium der
Gefahrengeneigtheit objektivierbar gemacht werden kann, wird
allerdings weder in der Begründung zum Gesetzesentwurf
noch im Gesetzestext hinreichend thematisiert. Es ist unmittelbar
einsichtig, dass der Staat grundsätzlich bemüht sein muss,
Gefahren von seinen Bürgern fernzuhalten. Hieraus
leiten sich die Begründungen für Vorschriften im Arbeitsschutz
ebenso ab wie die Auflagen, die an Eigenschaften
von Handelsprodukten gestellt werden (z.B. Bauproduktrichtlinie).
Abgesichert werden diese Vorschriften durch das
Haftungs- und Schadensersatzrecht. Eine weitere Möglichkeit
der Gefahrenabwehr für die Bürger nimmt der Staat dadurch
wahr, dass er die Ausführung bestimmter gewerblicher
Tätigkeiten an Qualifikationsvoraussetzungen bindet.
Das Argument der Gefahrengeneigtheit ist auf den ersten
Blick überzeugend, jedoch ergeben sich Schwierigkeiten
dann, wenn man Handwerkszweige klassifizieren will in
„gefährlich“ oder „weniger gefährlich“. Von den im Entwurf
nunmehr der Anlage A zugeordneten 29 Handwerkszweigen
wird man bei vielen unmittelbar und intuitiv von einem
gewissen Gefahrenpotenzial ausgehen. Bei anderen fällt
es schwerer, die von diesem Handwerk ausgehenden besonderen
Gefahren zu entdecken.
- Kern des Problems ist die Tatsache, dass nicht alle
Tätigkeiten im Rahmen eines Handwerksberufes gefahrengeneigt
sind, sondern nur bestimmte Teiltätigkeiten. Das sollte
jedoch nicht dazu führen, nur Teiltätigkeiten mit besonderen
Gefahrenpotenzialen mit Qualifikationsanforderungen zu
belegen, während weniger gefährliche Tätigkeiten zulassungsfrei
wären. Eine derartige Aufspaltung von Berufsfeldern in
Teiltätigkeiten rührt fundamental an das sogenannte
Berufsprinzip und zerstört die Ganzheitlichkeit eines
handwerklichen Berufsbildes, das alle Tätigkeiten von einfachen
und unkomplizierten bis hin zu den anspruchs- und
verantwortungsvollen abdeckt. Nur in der Zusammenschau aller
Teilaspekte eines Berufes wird nach dem Berufsprinzip
eine umfassende Qualifizierung gewährleistet, die auch zu
hochwertiger Arbeitsleistung in einer modernen Wirtschaft
befähigt. Deshalb wird insbesondere von Berufspädagogen
und Bildungspolitikern das Berufsprinzip als unverzichtbar angesehen.
- Neben dem Kriterium der Gefahrengeneigtheit sollten
nach unserer Erfassung im Folgende angesprochene mögliche
negative Auswirkungen der Novelle auf die berufliche
Erstausbildung im Handwerk berücksichtigt werden.
- top
- Prof. Dr. Martin Hellwig, Universität Mannheim
(Ausschussdrucksache 15(9)546)
- 22. Im übrigen kann das Problem der Gefahrengeneigtheit
nach Auffassung der Monopolkommission
durch die Gewerbeaufsicht, bestehende Haftungsregeln,
weiterhin bestehende Sondervorschriften und
speziellen Aufsichtsbefugnisse besser unter Kontrolle
gebracht werden. Dieser Ansatz hätte darüber
hinaus den Vorzug der Gleichbehandlung gefahrengeneigter
Aktivitäten in verschiedenen Bereichen.
Ansonsten ergäbe sich die Frage, ob das Erfordernis
des Großen Befähigungsnachweises für gefahrengeneigte
Aktivitäten im Bau oder bei der KFZReparatur
nicht entsprechende Auswirkungen für
den Umgang mit denselben Aktivitäten im Eigenbau
der Häuslebauer oder Autobastler haben müsste. Ein
solcher Ansatz erschiene eindeutig schlechter als ein
Ansatz, der versucht, die Gefahren fehlerhafter Arbeiten
im Hausbau oder bei der Autoreparatur für
alle Tätigkeitsformen gleichermaßen durch Aufsichtsregeln
hinsichtlich der Abnahme oder Kontrolle
der Arbeitsergebnisse in den Griff zu bekommen.
- top
Weitere Informationen
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681,
mail: BUHev-Buro
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