Meisterzwang ist verfassungswidrig, Regelungszweck des Meisterzwang, Meisterzwang verlangt ein Übermaß, Meisterzwang ist unbestimmt, Meisterzwang diskriminiert im Inland erworbene Erfahrungen, Meisterzwang Verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz
Unter Vorsitz des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Dr. Papier und unter Federführung des für Fragen der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) zuständigen Verfassungsrichters Dr. Gaier hat die 3. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts am 05. Dezember 2005 einer Verfassungsbeschwerde gegen einen Bußgeldbescheid wegen Schwarzarbeit stattgegeben - 1 BvR 1730/02. Der Beschwerdeführer hatte trotz Ablehnung seines Antrags auf Ausnahmebewilligung das Zimmererhandwerk ausgeübt.
Die Kammer konnte gemäß § 93 c Abs. 1 S. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz ausnahmsweise abschließend in der Sache entscheiden (statt den Fall - wie eine große Zahl anderer Fälle - dem Senat als Ganzem zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des Meisterzwangs vorzulegen), da hier besondere Umstände vorlagen : Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 1961 entschieden, "dass nach dem Willen des Gesetzgebers von der Erteilung einer Ausnahmebewilligung "nicht engherzig" Gebrauch gemacht werden solle und eine "großzügige Praxis" dem Ziel des Gesetzes entgegenkomme, die Schicht leistungsfähiger selbständiger Handwerkerexistenzen zu vergrößern". Die Ablehnung des Antrags auf Ausnahmebewilligung war also rechtswidrig, das Handeln des Zimmerers nur ein unbedeutender Formalverstoß.
Die Begründung der 3. Kammer geht aber weit über das für diesen Fall erforderliche Mindestmaß hinaus und stellt praktisch den Kern eines Entwurfs für die allgemeine Ablehnung des Meisterzwangs durch das Bundesverfassungsgericht dar :
" ... Mit Blick auf die Veränderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Umstände sind Zweifel daran angebracht, ob die bis Ende des Jahres 2003 geltenden Regelungen über die Ausgestaltung des Meisterzwangs (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 HwO a.F.) dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem hier maßgeblichen Zeitraum noch gerecht werden konnten. ...
Für das gesetzgeberische Ziel der Qualitätssicherung handwerklicher Leistungen erscheint allerdings zweifelhaft, ob der große Befähigungsnachweis unter den veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Umständen gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts weiterhin als verhältnismäßig im engeren Sinne angesehen werden konnte . ...
Der große zeitliche, fachliche und finanzielle Aufwand, den die Meisterprüfung erfordert .... , müsste mit Blick auf die Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit des Handwerks noch immer zumutbar gewesen sein. ...
Die Zumutbarkeit steht in Frage, weil sich für den hier maßgeblichen Zeitraum durch die wachsende Konkurrenz aus dem EU-Ausland eine erhebliche Veränderung der Umstände ergeben hatte. ...
Die spürbare Konkurrenz aus dem EU-Ausland lässt bereits daran zweifeln, ob der große Befähigungsnachweis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 7 HwO a.F., weil er diese Anbieter nicht erreichte, zur Sicherung der Qualität der in Deutschland angebotenen Handwerkerleistungen noch geeignet sein konnte. Vor allem aber erscheint fraglich, ob angesichts des Konkurrenzdrucks durch Handwerker aus dem EU-Ausland deutschen Gesellen noch die Aufrechterhaltung einer gesetzlichen Regelung zuzumuten war, die ihnen für den Marktzugang in zeitlicher, fachlicher und finanzieller Hinsicht deutlich mehr abverlangte als ihren ausländischen Wettbewerbern auf dem deutschen Markt. Daher könnte die Schwere des Eingriffs, den der große Befähigungsnachweis für ihren beruflichen Werdegang bedeutete, zu dem - zunehmend verwischten - Ziel der Qualitätssicherung nicht länger in einem angemessenen Verhältnis gestanden haben. ...
Für das daneben vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Ausbildungssicherung steht die Erforderlichkeit des Meisterzwangs nicht außerhalb jeden Zweifels. ...
Dass diese Voraussetzung nicht zwingend ist, könnte indessen aus der Neuregelung des Handwerksrechts durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerklicher Vorschriften vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2934) folgen. Obgleich der Gesetzgeber auch für das novellierte Recht ausdrücklich an dem Ziel der Ausbildungssicherung festhält ... , hat er sich von der Vorstellung gelöst, zur Ausbildung seien nur Handwerker mit bestandener Meisterprüfung in der Lage. Nach der seit 2004 geltenden Fassung der Handwerksordnung sind vielmehr berufserfahrene Gesellen ("Altgesellen"), die die Eintragung in die Handwerksrolle nach § 7 b HwO erreicht haben, gemäß § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 5 Nr. 2 HwO ebenfalls zur Ausbildung fachlich geeignet, falls sie Teil IV der Meisterprüfung (Nachweis der erforderlichen berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse, vgl. § 45 Abs. 3 HwO) oder eine gleichwertige Prüfung bestanden haben. ..."
Es ist wenig wahrscheinlich, dass eine spätere Entscheidung des gesamten Ersten Senats dem Präsidenten und dem für das Sachgebiet federführenden Richter grundlegend widersprechen wird. Der Meisterzwang der Handwerksordnung - alter wie neuer Fassung - dürfte in Kürze vom Bundesverfassungsgericht förmlich für verfassungswidrig erklärt werden.
Es geht jetzt darum, den Blick nach vorne zu richten :
Der Koalitionsvertrag sieht eine Evaluierung der Handwerksordnungs-Novelle 2004 vor. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann es jetzt nicht mehr um einen - von manchen beabsichtigten - "rollback" in alte Zeiten der Zunftordnung gehen. Die von Rot-Grün begonnenen Reformen müssen auch hier zum Abschluss gebracht werden :
Der Meisterbrief wird nicht abgeschafft oder ausgehöhlt sondern als Qualitätsnachweis sogar noch gestärkt - aber nur auf freiwilliger Basis. Der Zugang zum Markt muss für jedermann frei sein, über seine Akzeptanz entscheiden dann die Kunden - und nicht mehr die Konkurrenten. Die Qualität der Berufsausbildung wird nach den im Bereich der Industrie- und Handelskammern seit vielen Jahrzehnten bewährten Regeln einheitlich für die gesamte Wirtschaft gesichert und über die Gefahrenabwehr wachen - ebenfalls seit Jahrzehnten erfolgreich - die Berufsgenossenschaften.
Dies wird das Entstehen vieler gesunder mittelständischer Existenzen fördern - wie die sehr positive Entwicklung der "handwerksähnlichen Gewerbe" seit 1965 nachdrücklich belegt. Für Viele ist dies der einzige Weg aus der Langzeitarbeitslosigkeit Älterer in eine geachtete, befriedigende und ertragreiche selbständige Existenz.
Unverzüglich muss die Verwaltung:
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