Der Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker begrüßt Fortschritte in der Europäischen Einigung und der Herstellung einheitlicher Bedingungen für alle Anbieter innerhalb dieses Wirtschaftsraums.
Die geplante Umsetzung der "Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt" schafft jedoch keine einheitlichen Marktzugangsregelungen, sondern verschafft ohne sachliche Begründung und Notwendigkeit Anbietern aus anderen Staaten der EU und des EWR leichtere Marktzugangsmöglichkeiten als den einheimischen Mitbewerbern.
Vor der Verabschiedung der Richtlinie haben die Bundesregierung und der Gesetzgeber erheblichen Einfluss auf das Zustandekommen der Richtlinie genommen. Regierung und Gesetzgeber haben es dabei für ausreichend angesehen, dass Anbieter im freien Dienstleistungsverkehr lediglich eine Niederlassung in einem anderen EU-Staat besitzen, damit sie in Deutschland Leistungen anbieten dürfen, die den zulassungspflichtigen Handwerken zugeordnet werden.
Damit haben Regierung und Gesetzgeber festgestellt, dass weder für die Ausbildungsleistung noch zur Abwehr von Gefahren für Gesundheit oder Leben von Dritten weitere Beschränkungen bei der Handwerksausübung erforderlich sind, als eine Niederlassung in einem anderen EU-Staat. Im Gegensatz dazu wird von einheimischen Unternehmern auch nach einer mehrjährigen Ausbildung der Meisterbreif oder sechs Jahre Berufserfahrung - davon mindestens vier Jahre in leitender Stellung oder ein gleichwertiger Qualifikationsnachweis - verlangt.
Diese deutlich höheren Anforderungen für Anbieter mit Berufserfahrungen im Inland sind durch nichts zu rechtfertigen. Wenn tatsächlich Gefahren für Gesundheit und Leben für Dritte von handwerklichen Tätigkeiten ausgingen, so würden diese Gefahren auch von Anbietern und Produkten von Anbietern aus anderen EU-Staaten ausgehen.
Durch keines der mit den Beschränkungen der Handwerksordnung verfolgten Regelungsziele lassen sich Marktzugangsbeschränkungen rechtfertigen. Dies zeigt gerade, dass Anbieter mit einer Niederlassung in einem anderen EU-Staat im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in Deutschland Leistungen anbieten dürfen.
1) § 55 Abs. 2 und 3 GewO sollen für Dienstleistungserbringer mit einer Niederlassung in einem anderen EU- oder EWR-Staat nicht mehr anwendbar sein. D.h., die Dienstleistungserbringung im Rahmen des Reisegewerbes ist in Zukunft für Unternehmen aus anderen EU-Staaten immer möglich. Deswegen haben die Beschränkungen aus EWR/EU Handwerkerverordnung (§§ 7, 8 und 9 EU/EWR HwV) für die Dienstleistungserbringung keine Bedeutung mehr. Diese Beschränkungen müssen deswegen gestrichen werden. Eine Niederlassung in einem anderen EU-Staat kann nicht als Niederlassung im stehenden Gewerbe gewertet werden. Erst wenn diese Unternehmen in Deutschland eine Niederlassung betreiben würden, die als Anlaufstelle für Kunden dienen würde, wäre diese Tätigkeit nicht mehr dem Reisegewerbe zuzuordnen. Dann läge aber auch keine Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit mehr vor. Zumindest bleibt offen, wie sich die Dienstleistungserbringung im Rahmen des Reisegewerbes gegen Dienstleistungserbringung im Sinne des stehenden Gewerbes für Unternehmen aus anderen EU/EWR-Staaten voneinander abgrenzen.
2) Nach § 4 Abs. 1 GewO sollen Dienstleistungserbringer mit einer Niederlassung in einem anderen EU- oder EWR-Staat keine Reisegewerbekarte mehr benötigen, um in Deutschland ein Reisegewerbe betreiben zu dürfen. Von solchen Dienstleistungserbringern wird also keine persönliche Zuverlässigkeit und keine Reisegewerbekarte mehr gefordert. Dadurch werden einheimische Anbieter ohne sachliche Rechtfertigung benachteiligt.
Sowohl der Nachweis der persönlichen Zuverlässigkeit als auch das Erfordernis, eine teuere Reisegewerbekarte erwerben zu müssen, benachteiligen einheimische Anbieter schwer. Dies verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Abs. 1 GG. Folglich darf von einheimischen Anbietern auch keine Reisegewerbekarte oder der Nachweis der persönlichen Zuverlässigkeit gefordert werden.
3) Der geplante § 4 Abs. 3 GewO verstößt gegen EU-Recht. Der EuGH stellt in seiner Rechtsprechung (Rechtssache C-212/97 vom 09.03.1999) darauf ab, wo Unternehmen niedergelassen sind. In welchen Mitgliedsstaaten sich der Tätigkeitsschwerpunkt eines Unternehmens befindet spielt für den EuGH keine Rolle. Diese Rechtsprechung des EuGH entspricht auch der europäischen Idee, denn die Einigung soll ja gerade auch einen Wettbewerb der Systeme fördern und Unternehmen die Möglichkeit geben, für sich den optimalen Standort zu wählen. Es ist ein Armutszeugnis für das deutsche System, wenn sich Deutschland diesem Wettbewerb nicht stellen will.
Außerdem ist diese Bestimmung auch geeignet, solche Unternehmen im Wettbewerb erheblich zu behindern, die nur ausnahmsweise die Dienstleistungsfreiheit in Anspruch nehmen. Für Auftraggeber ist nicht überprüfbar, wo der Tätigkeitsschwerpunkt eines Auftragnehmers liegt. Deswegen riskieren Auftraggeber immer eine Verfolgung, wenn sie Unternehmen mit einer Niederlassung in einem anderen EU-Staat beauftragen - zumal die EuGH-Verfahren Corsten und Schnitzer zeigen, dass deutsche Behörden bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gegen die Auftraggeber mit Bußgeldverfahren vorgehen. Diese Praxis führt auf Dauer dazu, dass Auftragnehmer mit Niederlassung in anderen EU-Staaten wegen der Gefahr für den Auftraggeber verfolgt zu werden, weniger Aufträge bekommen werden. Welcher Auftraggeber will denn das Risiko einer Verfolgung wegen Umständen eingehen, die er nicht beeinflussen und kontrollieren kann?
Diese protektionistische Verwaltungspraxis wird durch den geplanten § 4 Abs. 3 GewO gefördert. Die Richtlinie wird also nicht im Geist der europäischen Idee umgesetzt.
Ohne sachliche Begründung wird eine Ungleichbehandlung abhängig vom Tätigkeitsschwerpunkt eines Unternehmens geschaffen. Diese Ungleichbehandlung ist willkürlich und verstößt gegen das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG.
4) Da Gefahren an keinen Landesgrenzen anhalten, zeigen die geplanten Lockerungen der Dienstleistungsfreiheit, dass von handwerklichen Tätigkeiten keine relevanten Gefahren ausgehen, die die Einschränkung der Berufsfreiheit in Form des Meisterzwangs rechtfertigen könnten.
Dass keine Gefahren von handwerklichen Tätigkeiten ausgehen, die eine Einschränkung der Berufsfreiheit rechtfertigen könnten, zeigt sich auch daran, dass das Auswärtige Amt keine Sicherheitshinweise für Länder ausgibt, in denen Handwerksleistungen ohne Meisterbrief angeboten werden dürfen. Auch das Verkehrsministerium hat keine Erkenntnisse über Gefahren, die von Autos ausgehen, die im Ausland von Anbietern gewartet wurden, die die in Deutschland verlangten Qualitätsnachweise nicht besitzen.
Die geplante Umsetzung der "Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt" muss deswegen Anlass sein, die Beschränkungen des Meisterzwangs für einheimische Anbieter aufzuheben.
Wenn faktisch beschränkungslos handwerkliche Dienstleistungen von anderen EU-Staaten aus in Deutschland angeboten werden dürfen, verstößt der Meisterzwang gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Abs. 1 GG.
Sofern - wie in der Literatur zur Inländerdiskriminierung durch EU-Recht immer mal wieder - behauptet wird, diese Besserstellung sei nicht an Art 3 Abs. 1 GG zu messen, weil sie durch einen anderen Normgeber bedingt sei, wird verkannt, dass der Bundestag sehr wohl die Möglichkeit hatte, auf die Dienstleistungsrichtlinie Einfluss zu nehmen. Dies zeigt sich z.B. an der Bundestagsdrucksache 16/394.
Bei der Diskussion um die Dienstleistungsrichtlinie war klar, dass sie eine Erleichterung für Anbieter aus anderen EU-Staaten bewirkt. Dies hat der Deutsche Gesetzgeber zu verantworten. Der Deutsche Gesetzgeber steht deswegen auch jetzt in der Pflicht, im wesentlichen Gleiches auch gleich zu regeln. Für die Frage, ob Sachverhalte wesentlich gleich oder wesentlich verschieden sind, spielen allein die Regelungsziele des Meisterzwangs eine Rolle. Für den Regelungszweck des Verbraucherschutzes für das Reisegewerbe oder der Abwehr von Gefahren für Gesundheit oder Leben von Dritten ist es unerheblich, ob Dienstleistungen von Anbietern aus Deutschland oder anderen EU-Staaten angeboten werden. Eine Ungleichbehandlung ist folglich durch nichts zu rechtfertigen.
5) Zur Eintragung in die Installateurverzeichnisse von Netzbetreibern (Gas, Wasser und Strom) werden regelmäßig unabhängig von den handwerksrechtlichen Anforderungen Prüfungen verlangt. Dieses Erfordernis dürfte gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßen. Regelungen die dieses Erfordernis aufheben fehlen in dem geplanten Gesetzentwurf.
Die Umsetzung der "Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt" in der vorgelegten Form schafft nicht einheitliche Marktzugangsregeln in Europa, sondern benachteiligt ohne erkennbaren Grund Anbieter mit Erfahrungen oder einer Niederlassung im Inland. Die geplanten Regelungen verstoßen also zumindest in den hier genannten Punkten gegen das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG.
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