Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht
Der Meisterzwang vor dem europäischen Gerichtshof
Zur Zeit ist ein Verfahren zum Meisterzwang beim europäischen
Gerichtshof (EuGH) anhängig.
Im Ausgangsverfahren geht es um den Vorwurf der Beauftragung von
Schwarzarbeit durch einen Augsburger Unternehmer, der einen
portugiesischen Subunternehmer mit Verputzarbeiten beauftragt
hat.
Das portugiesische Unternehmen soll nach Ansicht der Stadt
Augsburg nur deswegen Schwarz gearbeitet haben, weil es nicht
in die Handwerksrolle eingetragen war. Es habe in Deutschland
eine Niederlassung betrieben und hätte deswegen in die Handwerksrolle
eingetragen sein müssen. Dies wäre nach § 1 Abs. 1 Nr. 3
Schwarzarbeitsgesetz eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu
100.000,- € bestraft werden kann.
Das Amtsgericht Augsburg hat die Rechtssache C-215/01 dem EuGH mit
folgender Frage vorgelegt:
Ist es mit dem EG-Recht über den freien Dienstleistungsverkehr
vereinbar, wenn ein portugiesisches Unternehmen, das im
Heimatland die Voraussetzungen für eine gewerbliche
Tätigkeit erfüllt, weiter gehende, wenn auch nur formale
Voraussetzungen erfüllen muss (hier: Eintragung in die
Handwerksrolle), um diese Tätigkeit in Deutschland nicht
nur kurzfristig, sondern auch über einen längeren Zeitraum
hinweg auszuüben?
In der mündlichen Verhandlung hat am 27.02.03 hat die
Rechtsanwältin Hilke Böttcher (Hamburg) des beschuldigten
Auftraggebers folgende Argumente vorgetragen:
- Der Meisterzwang ist nach deutschem Recht unbestimmt und verstößt
deswegen gegen Artikel 20 und 103 Grundgesetz. Schon ein deutscher
Unternehmer kann nicht mit zumutbarem Aufwand ermitteln, welche
Tätigkeiten er ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausüben darf,
und ab wann die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlich ist.
Viel schwerer ist dies für Unternehmer aus anderen EU-Staaten,
für die das Rechtssystem fremd ist und die sich in der Regel in
einer fremden Sprache in dieses fremde Rechtssystem einarbeiten
müssen. Zwar beinhaltet die EU-Richtline 64/427/EWG die Möglichkeit
den freien Dienstleistungsverkehr einzuschränken, aber dadurch
dürfen keine Ausländerdiskriminierung aufgebaut werden. Schon
einheimische Unternehmen können nicht ermitteln, was sie nicht
dürfen - erst recht können Unternehmen aus anderen EU-Staaten
nicht ermitteln, was sie nicht dürfen.
- Die EU-Verträge von 1957 beinhalten die sogenannte Stand-Still-Klausel,
nach der seit 1.1.1958 keine zusätzlichen Schranken für den freien
Dienstleistungsverkehr aufgebaut werden dürfen. Die Mitgliedsstaaten
wären sogar verpflichtet gewesen, bestehende Beschränkungen abzubauen.
Im Gegensatz dazu hat Deutschland aber mehrfach die Handwerksordnung
verschärft und ausgeweitet. Der maßgebliche § 1 Handwerksordnung
wurde seit Inkrafttreten der EU-Verträge mehrfach umformuliert,
und dadurch verschärft. Neue Tätigkeiten (z. B. der Gerüstbau)
wurden dem Meisterzwang unterworfen. Deswegen verstößt die
Behandlung von Handwerksleistungen nach der aktuellen Gesetzeslage
in Deutschland von Unternehmern anderer
EU-Staaten gegen dies Stand-Still-Klausel und damit gegen
europäisches Recht.
- Entsprechend der Frage des Amtsgerichts Augsburg an den EuGH
ist in diesem Verfahren insbesondere wichtig, ob der
portugiesische Unternehmer im Rahmen der Dienstleistungs- oder
der Niederlassungsfreiheit in Deutschland tätig war, denn
unstreitig besitzt der portugiesische Unternehmer die Voraussetzungen
in die Handwerksrolle eingetragen zu werden (drei Jahre
Selbständigkeit in einem anderen EU-Staat mit einschlägiger
handwerklicher Ausbildung oder sechs Jahre Selbständigkeit
in einem anderen EU-Staat).
Hierzu hat die Vertreterin des Beschuldigten folgendes Argument
vorgetragen.
Innerhalb von Deutschland gibt es die Dienstleistungsfreiheit
für Unternehmen, die in unterschiedlichen Kammerbezirken
tätig sind. Erst wenn ein Unternehmen in einem anderen
Kammerbezirk eine Niederlassung gründet, die auf Dauer angelegt
ist (ohne zeitliche Begrenzung) und unternehmerisch selbständig
handelt, muß diese Zweigniederlassung in dem zuständigen
Kammerbezirk in die Handwerksrolle eingetragen werden. Hierzu gibt
es eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Für die Europäische Dienstleistungsfreiheit dürfen keine schärferen
Beschränkungen aufgebaut werden, als sie für die innerdeutsche
Dienstleistungsfreiheit zwischen Kammerbezirken gelten. Nach den
Maßstäben, die im Rahmen der innerdeutschen Regelungen an
Niederlassungen gelegt werden, war der portugiesische Subunternehmer
eindeutig im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit tätig. Es wäre
gegen den Auftraggeber mit Sicherheit kein Bußgeld wegen
Beauftragung von Schwarzarbeit verhängt worden, wenn der
Subunternehmer in z.B. in München oder Berlin in die Handwerksrolle
eingetragen gewesen wäre.
Der Vertreter der Europäischen Kommission hat Vorgetragen:
Die Abgrenzung zwischen Dienst- und Niederlassungsfreiheit ist
äußerst schwer zu definieren. Ein Bürgen könne kaum im Vorwege
abschätzen, wann er die Grenzen der Dienstleistungsfreiheit übertritt
und sich nur noch nach den Regeln eines niedergelassenen Unternehmens
betätigen dürfe. Diese Unbestimmtheit darf nicht zum Nachteil der
Betroffenen angewandt werden. Der Bürger muß wissen können was er
nicht darf. Dies sei bei den derzeit geltenden Regeln zur Abgrenzung
zwischen Dienst- und Niederlassungsfreiheit nicht der Fall.
Fazit
Sofern das Gericht dem Vortrag des Beschuldigten und der
EU-Kommission folgt, würde dies zum einen die Inländerdiskriminierung
verschärfen und zum anderen Deutschen Handwerkern die Möglichkeit
erleichtern, über Unternehmen aus anderen EU-Staaten in Deutschland
handwerkliche Tätigkeiten anzubieten. Dies wird zur Zeit noch
stark von den Behörden verhindert.
Beides würde den Druck auf Politik und Rechtsprechung steigern endlich
die schon jetzt bestehende Inländerdiskriminierung durch den
Meisterzwang abzuschaffen.
Weitere Informationen
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
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