Was erwartet mich bei der Ordnungsbehörde, Bußgeld wegen Handwerksausübung, Hausdurchsuchung, Betriebsuntersagung, Betriebsprüfung, Abmahnung, Meisterzwang ist verfassungswidrig
Immer wieder werden Handwerker ohne Meisterbrief durchsucht. Dabei geht es nicht um Steuerhinterziehung oder anderen Straftaten, sondern den Betroffenen wird vorgeworfen, dass sie gearbeitet haben und dabei angeblich Tätigkeiten ausgeübt hätten, die Meisterbetrieben vorbehalten sein.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht in vielen Fällen die Rechtswidrigkeit von Durchsuchungen bei Handwerkern ohne Meisterbrief festgestellt hat, stellen sich die Behörden auf diese Situation ein. Statt allerdings rechtsstaatliche Grundsätze zu akzeptieren setzen die Behördenmitarbeiter die Betroffenen mit Durchsuchungsbeschlüssen unter Druck, die den vom Verfassungsgericht geforderten Minimalanforderungen nicht genügen. Mit solchen rechtswidrigen Durchsuchungsbeschlüssen wird verlangt, dass die Betroffenen ihre Unterlagen "freiwillig" herausgeben. Mehrfach wurde uns nun berichtet, dass die Behördenmitarbeiter auch Zeit (bisher kennen wir Fristen von etwas mehr als einem Tag) einräumen, um die Unterlagen zusammen zustellen.
Nach einer so erpressten Herausgabe von Unterlagen hat der Betroffene einen schwereren Stand in dem folgenden Bußgeldverfahren.
Wir raten Betroffenen sich auf alle Fälle Rat bei einem Anwalt zu suchen. Behörden die so vorgehen wollen ein möglichst hohes Bußgeld eintreiben und zeigen durch solches Vorgehen, dass sie dabei auch bereit sind rechtswidrige Methoden anzuwenden. So werden rechtstaatliche Standards unterlaufen.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2007/2008 über 20 Verfassungsbeschwerden gegen angeblich unerlaubte Handwerksausübung stattgegeben. Diese Reihen von Entscheidungen began am 26.03.2007 mit (Az: 2 BvR 1006/01) einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Durchsuchung bei einem Unternehmen, das Handwerk im unerheblichen handwerklichen Nebenbetriebe ausgeführt hat. Das Gericht stellt fest, dass die mit dem Fall befassten Gerichte (Amts- und Landgericht Hildesheim) sich auch nicht ansatzweise mit der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme befasst haben.
Weiter hat das Bundesverfassungsgericht am 27.04.2007 (Az. 2 BvR 449/02) der Verfassungsbeschwerde eines Reisegewerbe treibenden Zimmerers stattgegeben. In der Entscheidung heißt es zu der Frage, ob eine Durchsuchung zulässig ist:
In Fällen der Durchsuchung bei Handwerkern, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung und das Schwarzarbeitsgesetz stützen, sind darüber hinaus die Wertungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Ist im Rahmen der Ermittlungstätigkeit noch unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist oder ob es sich um die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung der Berufsfreiheit handelt, so gebietet der insofern schwache Anfangsverdacht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung.
und weiter:
[Für Durchsuchungen wegen angeblichem Verstoß gegen den Meisterzwang] ist aber stets Voraussetzung, dass für die beanstandete(n) Tätigkeit(en) eine Eintragungspflicht in die Handwerksrolle gemäß § 1 HwO besteht. Die Eintragungspflicht fehlt aber in den Fällen, in denen handwerkliche Tätigkeiten im Rahmen eines Reisegewerbes gemäß §§ 55 ff. GewO ausgeübt werden. Auch im Rahmen von Art. 13 GG kommt es damit auf die Feststellungen zur Eintragungspflicht an. Je konkreter die Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Bußgeld tatbestandes, desto stärker ist der Anfangsverdacht. Fehlt dagegen jeglicher Anhaltspunkt für eine Eintragungspflicht, liegt ein schwacher Anfangsverdacht vor.In der Entscheidung 2 BvR 947/02 vom 25.07.2007 stellt das Verfassungsgericht zu einer Durchsuchung bei einem Reisegewerbetreibenden fest:
Es ist schlechthin unverständlich, warum das Landratsamt, Fachdienst Ordnung, diese Erkenntnisse [dass der Betroffene im Besitz einer Reisegewerbekarte ist] aus dem Ermittlungsverfahren Az. 312.2002-A-055/GA dem Ermittlungsrichter im Juni 2002 bei Beantragung des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses im Ermittlungsverfahren Az. 312.2002-A-160/GA vorenthielt. Zwar war der Ermittlungsrichter auch ohne Kenntnis dieser Umstände verpflichtet, den Tatvorwurf so konkret zu beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt ist, innerhalb dessen die Durchsuchung durchzuführen ist. Dies gilt umso mehr, als im Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung die letzte bekannte Tat bereits mehr als zehn Monate zurücklag. Allerdings hätte die Kenntnis von der für den Beschwerdeführer ausgestellten Reisegewerbekarte den Ermittlungsrichter zu der verfassungsrechtlich gebotenen Konkretisierung des Durchsuchungsbeschlusses zusätzlich angehalten. Denn für den Ermittlungsrichter war aus der ihm vorgelegten Ermittlungsakte nicht ersichtlich, dass das angenommene Dauerdelikt bereits beendet sein könnte.
bb) Das Landgericht hat den Verfassungsverstoß fortgesetzt. Es hat sich mit der Existenz der Reisegewerbekarte des Beschwerdeführers und der Begrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses nicht auseinandergesetzt.
Weiter hat das Bundesverfassungsgericht am 28.04.2007 (Az. BVerfGE 2 BvR 361/02) der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. In der Entscheidung heißt es zu der Prüfung der Verhältnismäßigkeit:
Die pauschale Wiedergabe des verfassungsrechtlichen Obersatzes zur Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungsmaßnahme lässt eine konkrete Verhältnismäßigkeitsprüfung durch das Amtsgericht nicht erkennen, obwohl sich Ausführungen hierzu aufdrängen mussten. In Fällen der Durchsuchung bei Handwerkern, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung und das Schwarzarbeitsgesetz stützen, sind die Wertungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Ist im Rahmen der Ermittlungstätigkeit noch unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist oder ob es sich um die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung der Berufsfreiheit handelt, so gebietet der insofern schwache Anfangsverdacht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Ähnlich auch in BVerfGE 2 BvR 1331/01 vom 28.04.2007, 2 BvR 532/02 vom 29.04.2007, 2 BvR 1545/03 vom 24.07.2007, 2 BvR 2088/02 vom 25.07.2007 und 2 BvR 1994/02 vom 27.07.2007.
Bei der Verfolgung von angeblich unerlaubte Handwerksausübung werden in manchen Regionen regelmäßig Hausdurchsuchungen durchgeführt.
Die Durchsuchungen dienen dazu Unterlagen zu Beschlagnahmen, mit Hilfe derer die Kundenbeziehungen zerstört werden und hohe Bußgelder verhängt werden.
Für eine Durchsuchung muß grundsätzlich eine richterlicher Durchsuchungs-
und Beschlagnahmebeschluß vorliegen.
Dem Betroffenen muß nach
§ 35 StPO ein schriftlicher Durchsuchungsbeschluss
grundsätzlich durch Aushändigung einer Ausfertigung mit vollständiger
Begründung bekannt gemacht werden.
In Ausnahmefällen, die beim Vorwurf
angeblich unerlaubter Handwerksausübung nicht gegeben sind, kann auch
eine Durchsuchung wegen "Gefahr in Verzug" ohne richterlichen
Durchsuchungsbeschluß durchgeführt werden.
Zur Anwendung der "Gefahr in Verzug" hat das Bundesverfassungsgericht im Verfahren
BVerfGE 2 BvR 1444/00 (BVerfGE 103, 142) vom 20.2.2001
(Pressemitteilung
dazu) enge Grenzen gesetzt:
Der Begriff "Gefahr im Verzug" in Art. 13 Abs. 2 GG ist eng auszulegen; die richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme.
Viele der Durchsuchungsbeschlüsse genügen nicht den zurzeit geltenden Gesetzen unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung:
Durchsuchungsbeschlüsse sind häufig schon deswegen rechtswidrig, weil in den Beschlüssen kein Gesetzesverstoß unter Angaben des Straftatbestandes bzw. der Ordnungswidrigkeit genannt wurde.
Z. B. in der BVerfGE 2 BvR 1619/00 vom 06.03.2002 heißt es:
Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient auch dazu, die Durchführung der Eingriffsmaßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 103, 142 <151>). Dazu muss der Beschluss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Dies versetzt den von der Durchsuchung Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 42, 212 <221>; 103, 142 <151 f.>). Um die Durchsuchung rechtsstaatlich zu begrenzen, muss der Richter die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220 f.>).
Den Durchsuchungsbeschlüssen fehlt häufig eine Beschreibung des Tatvorwurfes. Der bloße Verweis auf das angeblich unberechtigten Ausüben eines Vollhandwerks umschreibt keinen Tatbestand. Deswegen fehlt vielen Beschlüssen jeglicher Hinweise auf das Vorliegen eines tatsächlichen Anfangverdachts, daß der Beschuldigte mehr als das Erlaubte gemacht hat!
In der BVerfGE 2 BvR 863/01 vom 08.02.2002 führt das Verfassungsgericht aus:
Mangels jeglicher auf den konkreten Einzelfall bezogener Ausführungen kann auch nicht nachvollzogen werden, worauf sich die Behauptung der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs stützt. Der Hinweis auf den Verbrechenstatbestand des § 29a BtMG allein ermöglicht dies nicht, zumal unklar bleibt, woraus sich die Annahme des Verdachts eines Verbrechens nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ergibt und welche Beweisbedeutung der Durchsuchung zum Auffinden von Sachbeweisen im Rahmen des bisherigen Beweisbildes zukommt.
So, wie bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz auf den konkreten Einzelfall bezogene Ausführungen zu einem Vergehen gemacht werden müssen, so muß dies auch bei der angeblich unerlaubten Handwerksausübung gemacht werden. Dabei muß nach unserer Auffassung auch dargelegt werden, warum der Anfangsverdacht besteht, daß mehr als das Erlaubte ausgeübt wurde. Hier ist aufgrund der Unschuldsvermutung zunächst zu prüfen, ob bei den Verdachtsmomenten nicht auch eine erlaubte Handwerksausübung in Frage kommt.
Bei den uns bekannten Durchsuchungsbeschlüssen fehlen derartige Ausführungen immer.
Die Durchsuchungsbeschlüsse genügen nicht den Anforderungen, wie sie z. B. in der BVerfGE 2 BvR 863/01 gefordert werden. Es müßte die von den Beschuldigten ausgeübte Tätigkeiten benannt werden, die nicht zum Minderhandwerk, aber zum Kernbereich eines Vollhandwerks gehören. Außerdem müßte dargelegt werden, warum ein Anfangsverdacht besteht, daß diese Tätigkeiten nicht im unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb (§ 3 Abs. 2 HwO) oder in einem Hilfsbetrieb ausgeführt wurden. Auch für den erheblichen Umfang dieser Tätigkeiten müßten konkrete Anhaltspunkte genannt werden.
Ordnungswidrigkeiten sind grundsätzlich nur Strafbar, wenn sie mit Vorsatz begangen wurden (§ 10 OWiG). Zu dieser Frage fehlen in den Durchsuchungsbeschlüssen jegliche Ausführungen. Selbst wenn in den Durchsuchungsbeschlüssen formelhaft in Zukunft aufgenommen wäre, daß der Beschuldigte sich ja bei staatlichen Stellen oder der Handwerkskammer hätte kundig machen können, würde diese dem Problem nicht gerecht. Die Wirtschaftsministerien von Bund und Ländern haben uns auf einfach handwerksrechtliche Abgrenzungsfragen keine Antworten geben können.
Es wird nicht geprüft, ob möglich Verstöße überhaupt vorsätzlich begangen wurden. Eine persönlich Schuld liegt bei Ordnungswidrigkeit - wie der unerlaubte Handwerksausübung nur vor, wenn sie vorsätzlich begangen wurde. Nur eine persönliche Schuld aber rechtfertigt einen solch schweren Grundrechtseingriff, wie eine Durchsuchung und Beschlagnahmung von Geschäftsunterlagen.
Viele Durchsuchungsbeschlüsse enthalten keinerlei auf den konkreten Einzelfall bezogenen Ausführungen, durch die nachvollzogen werden kann, worauf sich die Behauptung der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs stützt.
Bei Nachfragen bei den Handwerkskammern, ob sie den für die von Ihnen gegebenen Auskünfte haften, haben wir folgende Antwort der HwK Süd Thüringen bekommen:
Ableitend aus vorstehenden Darlegungen ergibt sich für uns zwingend, dass natürlich kein rechtsmittelfähiger Bescheid zu möglichen Anfragen und Auskunftsersuchen erteilt werden kann und abgegebene schriftliche Erklärungen, eben wegen der Abhängigkeit vom beiderseitigen Aufklärungsstand, nur unverbindlichen Charakter tragen können.
Verbindliche Auskünfte über unerlaubte Handwerksausübung können Unternehmer also nicht bekommen. Folglich ist es zumindest fraglich, ob ein Unternehmer vorsätzlich ein Handwerk unerlaubt ausübt.
Die Rechtsprechung hat insbesondere nach der BVerfGE 1 BvR 608/99 hohe Maßstäbe an den Nachweis der unerlaubten Handwerksausübung entwickelt (vergl. z. B. OLG Hamm Beschluß 5 Ss Owi 332/02 vom 30.08.02). Diese hohen Maßstäbe müssen auch bei der Prüfung, ob tatsächlich ein Anfangsverdacht auf unerlaubte Handwerksausübung vorliegt, die einen Durchsuchungsbeschluß rechtfertigt, berücksichtigt werden.
Durchsuchungen von Wohnungen zum Auffinden von Beweismitteln werden in der Literatur zum OWiG in aller Regel als unverhältnismäßig angesehen (vgl. Göhler; OWiG; 10. Auflage vor § 59 Rn. 108ff m.w.N und LG Berlin 522 Qs 120/02 vom 06.08.2002)
Gegen solche Durchsuchungsbeschlüsse und Beschlagnahmungen wegen angeblich unerlaubte Handwerksausübung hat sind weiterhin mehrere Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht anhängig.
Es kann damit gerechnet werden, daß die anhängigen Verfassungsbeschwerden zumindest in wesentlichen Teilen Erfolg haben werden.
Der Zentralverbandes des deutschen Handwerks hat in seiner Stellungnahme vom 20.06.2002 zu Verfassungsbeschwerden gegen Durchsuchungen die Auffassung vertreten:
Allerdings läßt sich vor Durchführung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen in vielen Fällen der tatsächliche Umfang handwerklicher Leistungen unter Verstoß gegen die Eintragungspflicht in die Handwerksrolle nicht abschließend abschätzen.
Diese Aussage entspricht auch unseren Beobachtungen: Vor der Durchsuchung liegen in der Regel noch nicht genügend Informationen für die Bejahung eines starken Tatverdachts vor, die meisten Erst-Informationen können auch auf Fälle legaler Gewerbeausübung zutreffen.
(Z.B. handwerksähnliche Gewerbe (Anlage B HandwO), Minderhandwerk, Hilfsbetrieb, unerheblicher handwerklicher Nebenbetrieb (vergl. Check-Liste unter 3/1.8 in Horst Mirbach, Die neue Handwerksordnung, Loseblattsammlung, Forum-Verlag; Merching, 2002)
Ob sich dann nach der Hausdurchsuchung überhaupt ein realer Tatverdacht bestätigt, ist höchst fraglich!
Das heißt: die Durchsuchung dient in der Regel der Ausforschung, was unzulässig ist!
Nach der "Unschuldsvermutung" hingegen muss in solchen Fällen eine Durchsuchung abgelehnt werden, d.h. in der Regel bereits wegen nicht ausreichenden Tatverdachts hinsichtlich des objektiven Tatbestands.
Der Grundsatz ist die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs.1 GG, nicht der Meisterzwang!
Informationen, die sowohl auf Fälle legaler Gewerbeausübung als auch auf Fälle von Handwerksausübung i.S.d. § 1 HwO hindeuten können, dürfen daher keinesfalls als Indiz für Handwerksausübung i.S.d. § 1 HwO gewertet werden, im Gegenteil. Aus der Tatsache, dass eine Tätigkeit einem Ausbildungsberufsbild eines Handwerks nach Anlage A zur HwO angehört, ergibt sich nur eine bloße Möglichkeit der Handwerklichkeit, keine Wahrscheinlichkeit. Erst wenn die üblichen Möglichkeiten legaler Gewerbeausübung (Z.B. handwerksähnliche Gewerbe (Anlage B HandwO), Minderhandwerk, Hilfsbetrieb, unerheblicher handwerklicher Nebenbetrieb) mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können, kann man von einem Indiz für einen Verstoß gegen § 1 HwO ausgehen.
Ordnungsbehörden unterlassen es regelmäßig diese entlastenden Tatbestandsvarianten zu prüfen und den die Durchsuchungen anordnenden Gerichten mitzuteilen (ja selbst wenn den Ordnungsbehörden derartig entlastendes bekannt ist, verschweigen die Ordnungsbehörden dies den Gerichten wie in der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 947/02 vom 25.07.2007 dokumentiert). Diese entlastenden Tatbestände kann nicht nur ein Beschuldigter vorbringen, sondern die Ermittlungsbehörde wäre verpflichtet, diese von sich aus zu ermitteln (siehe § 160 Abs. 2 StPO) und erstrecht dem Gericht mitzuteilen.
In den Verfassungsbeschwerden wird weiter gerügt, daß die Durchsuchungsbeschlüsse schon deswegen Verfassungswidrig sind, weil der dahinter stehende Meisterzwang verfassungswidrig ist. Er verstößt gegen Artikel 12 GG (freie Berufsausübung). Weiterhin sind die gesetzlichen Regelungen zur HwO und deren Abgrenzungsbestimmungen zu unbestimmt. Sie verstoßen daher gegen Artikel 20 in Verbindung mit 103 Abs. 2 GG. Darüber hinaus erzeugt der Meisterzwang durch § 9 HwO eine Inländerdiskriminierung und verstößt deswegen gegen Artikel 3 GG (Gleichbehandlungsgebot).
Die Durchsuchungsbeschlüsse selber verletzen die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 GG). Angesichts der Geringfügigkeit der persönlichen Schuld von Handwerkern ohne Meisterbrief, die von öffentlicher Seite keine verbindlichen verfassungskonformen Auskünfte bekommen, welche Tätigkeiten sie ausüben dürfen und welche nicht, sind die Durchsuchungen unverhältnismäßig.
Der Rechtsanwalt und Richter a. D. Karl Brenner setzt sich genauer mit den Anforderungen an Durchsuchungsbeschlüsse auseinander. Auch er vernachlässigt die Frage des Vorsatzes und die Frage, ob die ausgeübten Tätigkeiten tatsächlich unter den Meistervorbehalt fallen. Trotzdem geben seine Ausführungen nützliche Hinweise, warum viele Durchsuchungsbeschlüsse wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung rechtswidrig sind.
Bei den Beschwerden gegen Durchsuchungsbeschlüsse wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung wird regelmäßig das Grundrecht auf rechtliche Gehör verweigert (BVerfGE 2 BvR 1621/03 vom 5.2.2004).
Wir raten Betroffenen von Durchsuchungen wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung, auf alle Fälle gegen diese Durchsuchungen und mögliche Beschlagnahmungen Beschwerde beim Amtsgericht einzulegen. Beauftragen Sie hiermit einen Anwalt. Die Beschwerde sollte bald nach der Durchsuchung eingelegt werden. Die Beschwerde kann mit obigen Argumenten begründet werden. Hinweise zu der Argumentation finden sich auch in den bereits ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Durchsuchungen bei Handwerkern. Zusammengefasst finden sich diese Argumente auch in unserem Brief an die Amtsgerichte wegen solcher Hausdurchsuchungen. Auf alle Fälle sollte schon beim der Beschwerde beim Amtsgericht die Verfassungswidrigkeit des Meisterzwangs detailliert gerügt werden. Es ist unklar wie detailliert die Umschreibung des Tatvorwurfs nach Auffassung des Verfassungsgerichts sein muss. Deswegen sollte von Anfang an auch mit der Verfassungswidrigkeit des Meisterzwangs argumentiert werden - dies ist notwendig, damit das Verfassungsgericht Ihnen nicht am Ende vorhält, dass Sie diesen Aspekt schon bei der Beschwerde vor dem Amtsgericht hätten Vortragen müssen.
Mit der Beschwerde sollte auch beantragt werden, daß die beschlagnahmten Unterlagen nicht verwendet werden dürfen. Auch sollte beantragt werden, daß zumindest bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerde, die Unterlagen von den Verfolgern auch nicht eingesehen werden dürfen.
Wir halten dies für wichtig, weil die Unterlagen von den Ordnungsbehörden immer wieder dazu verwendet werden, um die Beziehungen zu Kunden empfindlich zu stören. Dies kann am ehesten verhindert werden, wenn die Unterlagen nicht verwendet werden dürfen.
Mit den Unterlagen werden später hohe Bußgelder begründet. Den ganzen Streß des Bußgeldverfahrens kann man umgehen, wenn dem Ordnungsamt die Unterlagen nicht vorliegen bzw. es die Unterlagen nicht verwenden darf.
Bei zu unrecht durchgeführten Hausdurchsuchungen müssen verfolgte entschädigt werden. Dies fordert der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer. 3sat berichtet in Zusammenhang mit einem anderen Fall:
Aus diesem Grund spricht sich Hassemer für einen stärkeren Schutz des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren aus. Zwar müssten die Behörden durchsuchen können, wenn ein Verdacht gegeben ist, so Hassemer weiter, "aber ich denke, dass erhebliche Sicherungen zum Schutz des Beschuldigten eingeführt werden müssen.“ Zugleich warnte er vor der Gefahr, dass im Ermittlungsverfahren "scharfe Eingriffe ohne eine effektive Kontrolle der Justiz stattfinden“. Auch sollte der Beschuldigte in jeder Hinsicht entschädigt werden, wenn zu Unrecht ermittelt wurde, wobei Hassemer gleichzeitig darauf hinweist, dass die Beschädigung eines guten Rufes normalerweise nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte - unter maßgeblicher Beteiligung Hassemers - wiederholt einen wirksameren Schutz für Betroffene angeordnet.
Nun bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber auf den Ruf aus Karlsruhe reagiert und die Rechte des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren stärkt.
Nach § 102 StPo ist eine Durchsuchung nur zulässig, wenn der Verdacht besteht, dass eine Straftat begangen worden ist. ein solcher Anfangsverdacht setzt eine Tatsachengrundlage voraus, aus der sich die Möglichkeit der Tatbegehung durch den Beschuldigten ergibt, ohne dass es auf eine Erhöhte Wahrscheinlichkeit ankommt; eine bloße Vermutung reicht dagegen nicht (BVerfG, Beschl. vom 23.01.2004, NStZ RR 2004, 143; Meyer-Goßner, StPO. Aufl. 2003, § 102 Rn. 2). Hier lagen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für frühere Ordnungswidrigkeiten des Beschwerdeführers vor.
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