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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Bundesverfassungsgericht zu einer Durchsuchung wegen Handwerksausübung - 2 BvR 1231/04 vom 30. April 2008

(Abschrift)

Im Namen des Volkes

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn K ...

- Bevollmächtigte: Rechtsanwältin Hilke Böttcher und Sylvia Stechow, Osterstraße 116, 20259 Hamburg -
a) den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 12. Mai 2004 - 14 Qs 10/03 -,
b) den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 5. Mai 2003 - 41 Gs 462/03 -,
c) den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 31. Oktober 2002 - 41 Gs 2466/02 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
am 30. April 2008 einstimmig beschlossen:

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung einer Durchsuchung in einem Verfahren wegen handwerksrechtlicher Verstöße.

A.

I.

1. Der Beschwerdeführer betreibt seit März 1992 selbständig ein Gewerbe, das als "Rohrreinigung" angemeldet ist; ferner ist er seit 1996 mit dem handwerksähnlichen Gewerbe des "Rohr- und Kanalreinigers" bei der Handwerkskammer registriert. Eine Eintragung mit einem Handwerk in die Handwerksrolle bestand dagegen im streitgegenständlichen Zeitraum nicht.

Gegen den Beschwerdeführer wurde ein zwischenzeitlich gemäß § 47 Abs. 1 OWiG eingestelltes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der unerlaubten Ausübung eines Handwerks geführt. Ihm lag zur Last, im September 1999 für die Zeugin M. und von November 2000 bis Januar 2001 für die Firma B. Sanitär- und Installationsarbeiten durchgeführt zu haben, obwohl er nicht mit dem eintragungspflichtigen Handwerk des "Installateur- und Heizungsbauers" in die Handwerksrolle eingetragen war. Im Februar 2002 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, sich zu den vorgenannten Vorwürfen zu äußern; seinem Verteidiger wurde im März 2002 Akteneinsicht in die Ermittlungsakten gewährt. Eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gab der Beschwerdeführer nicht ab.

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 31. Oktober 2002 ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschwerdeführers an. Die Durchsuchung diene der Auffindung und Beschlagnahme von Beweismitteln und zwar "Geschäftsunterlagen sowie weitere Beweismittel, die belegen, dass gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit verstoßen wurde". Aufgrund der bisherigen Ermittlungen der Polizei und der Stadt Mannheim bestehe "der Verdacht einer Straftat nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit". Weitere Angaben enthält der Durchsuchungsbeschluss nicht.

3. Die Durchsuchung wurde am 27. Januar 2003 in den Wohnräumen des Beschwerdeführers vollzogen. Hierbei wurden zahlreiche schriftliche Unterlagen und seine Computeranlage sichergestellt. Mit angegriffenem Beschluss vom 5. Mai 2003 ordnete das Amtsgericht die Beschlagnahme eines Teils der sichergestellten Beweismittel an; der andere Teil der Beweismittel war dem Beschwerdeführer bereits zuvor wieder ausgehändigt worden.

4. Mit angegriffenem Beschluss vom 12. Mai 2004 wies das Landgericht die gesondert eingelegten Beschwerden gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 31. Oktober 2002 und gegen den Beschlagnahmebeschluss vom 5. Mai 2003 als unbegründet zurück. Dem Beschwerdeführer sei erst am 29. März 2004 eine Ausübungsberechtigung für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk gemäß § 7b Handwerksordnung (in der Fassung vom 24. Dezember 2003, BGBI 1 2003, S. 2934) erteilt worden. Im Zeitpunkt der Durchsuchung habe er lediglich ein Gewerbe der Rohrreinigung angemeldet gehabt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nach vorläufiger Wertung angesichts des im bisherigen Ermittlungsverfahren erkennbaren Umfangs, der Zeitdauer und der Schwere des Gesetzesverstoßes gewahrt. Die Durchsuchungsanordnung genüge trotz der knappen Angabe "Verdacht einer Straftat gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG" rechtsstaatlichen Anforderungen. Dem Beschwerdeführer seien die Vorwürfe aufgrund des übersandten Anhörungsbogens und der seinem Verteidiger gewährten Akteneinsicht bekannt gewesen. Der Schreibfehler des Amtsgerichts ("Straftat" statt "Ordnungswidrigkeit") wirke sich nicht zu Lasten der Wirksamkeit des Beschlusses aus.

Auch der Beschlagnahmebeschluss sei nicht zu beanstanden. Auf Aufforderung des Beschwerdeführers seien ihm einzelne Unterlagen bereits wieder ausgehändigt worden; ferner sei ihm die Fertigung von Kopien gestattet worden. Von dem Angebot der Verwaltungsbehörde, einzelne als privat bezeichnete Unterlagen zu sichten und zu kopieren, habe der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht. Dem Steuerberater des Beschwerdeführers seien alle gewünschten Buchhaltungsunterlagen zur Regelung steuerlicher Belange ausgehändigt worden.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1, Art. 2, Art. 12, Art. 13, Art. 14, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 und 2 GG.

1. Die Vorschriften der Handwerksordnung zum so genannten Meisterzwang seien auch nach ihrer Neufassung im Jahr 2004 verfassungswidrig. Sie verstießen gegen Art. 12 GG, weil sie eine ungerechtfertigte Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit begründeten, und gegen Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie nach wie vor zu unbestimmt seien.

2. Der Durchsuchungsbeschluss genüge nicht den aus Art. 13 GG folgenden Begründungsanforderungen, weil es an der erforderlichen Bestimmtheit des Tatvorwurfs fehle. Dem Durchsuchungsbeschluss könne nicht entnommen werden, welche Tathandlungen dem Beschwerdeführer zur Last gelegt werden. Es fehle an der angemessenen Begrenzung der Zwangsmaßnahme. Den Durchsuchungsbeamten sei offenbar nicht klar gewesen, nach welchen Beweismitteln sie suchen sollten. Ein konkreter Tatverdacht bestehe nicht; jedenfalls sei dem Beschluss nichts Entsprechendes zu entnehmen. Der Durchsuchungsbeschluss sei auf bloße Vermutungen gestützt worden. Schließlich entspreche der Durchsuchungsbeschluss nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Eine Verwertung der beschlag nahmten Unterlagen sei unzulässig, weil sie auf einer rechtswidrigen Durchsuchung beruhten. Abschließend werde die Verletzung europarechtlicher Vorschriften gerügt.

III.

1. Dem Justizministerium Baden-Württemberg wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Es hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.

2. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Ermittlungsakten der Stadt Mannheim - Az. 90002635 - vorgelegen.

B.

I.

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts vom 5. Mai 2003 und die Verwerfung der hiergegen eingelegten Beschwerde durch das Landgericht richtet, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen insoweit nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit unzulässig, weil sie den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht genügt. Der Beschwerdeführer hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, inwieweit er durch diese Entscheidungen in seinen Rechten verletzt ist. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschwerdeführers mit Beschluss des Amtsgerichts vom 31. Oktober 2002 sowie die Verwerfung der hiergegen eingelegten Beschwerde durch das Landgericht richtet, nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Danach ist die Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer eröffnenden Sinne offensichtlich begründet.

Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG.

a) Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient auch dazu, die Durchführung der Eingriffsmaßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 103, 142 <151>. Dazu muss der Beschluss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Dies versetzt den von der Durchsuchung Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 42, 212 <221>; 103, 142 <151 f.>). Um die Durchsuchung rechtsstaatlich zu begrenzen, muss der Richter die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220 f.>). Der Schutz der Privatsphäre, die auch von übermäßigen Maßnahmen im Rahmen einer an sich zulässigen Durchsuchung betroffen sein kann, darf nicht allein dem Ermessen der mit der Durchführung der Durchsuchung beauftragten Beamten überlassen bleiben (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>). Ein Durchsuchungsbeschluss, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält und der zudem den Inhalt der konkret gesuchten Beweismittel nicht erkennen lässt, wird rechtsstaatlichen Anforderungen jedenfalls dann nicht gerecht, wenn solche Kennzeichnungen nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich wären (vgl. BVerfGE 42, 212 <220 f.>; 44, 353 <371>; 45, 82; 50, 48 <49>; 71, 64 <65>).

b) Diese rechtsstaatlichen Mindestanforderungen erfüllt der angegriffene Durchsuchungsbeschluss nicht. Er enthält keinerlei tatsächliche Angaben zum Inhalt des Tatvorwurfs und dem Tatzeitraum, obwohl dies ohne weiteres möglich gewesen wäre, sondern beschränkt sich auf den Hinweis, es bestehe "der Verdacht einer Straftat gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit". Nicht einmal die Art des möglicherweise zu Unrecht ausgeübten Handwerks oder die Art der Tätigkeiten wird genannt. Die in dem Beschluss genannten Beweismittel sind nicht dazu geeignet, den Mangel der Tatkonkretisierung auszugleichen. Das Amtsgericht ordnet lediglich pauschal die Beschlagnahme "aufgefundener Beweismittel, und zwar: Geschäftsunterlagen sowie weitere Beweismittel, die belegen, dass gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 d. Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit verstoßen wurde" an. Eine Konkretisierung des Tatvorwurfs ist auf dieser Grundlage nicht zu erzielen. Die Formulierung lässt vielmehr die Suche nach nahezu allen denkbaren schriftlichen Unterlagen ohne zeitliche Eingrenzung zu. Damit hat das Amtsgericht die Begrenzung des Grundrechtseingriffs vollständig den die Durchsuchung durchführenden Beamten überlassen.

Das Landgericht setzt den Verfassungsverstoß des Amtsgerichts fort. Es verkennt die verfassungsrechtliche Begrenzungsfunktion der richterlichen Durchsuchungsanordnung, wenn es zur Begründung der Verwerfung der Beschwerde anführt, dass dem Beschwerdeführer die Vorwürfe infolge Übersendung eines Anhörungsbogens und Gewährung von Akteneinsicht bekannt gewesen seien. Das Grundgesetz hat die Anordnung des tief greifenden Grundrechtseingriffs der Durchsuchung regelmäßig dem Richter vorbehalten, damit von vornherein für eine angemessene Begrenzung der Zwangsmaßnahme Sorge getragen wird (BVerfGE 42, 212 <220>). Dass für andere Beurteiler ein unter Umständen konkretisierbarer und dem ursprünglichen Beschluss gegebenenfalls zugrunde liegender Verdacht aus den Akten entnehmbar sein mag oder dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Vorwürfe kennt, kann den Ermittlungsrichter nicht der Mitteilung und Bewertung des aus seiner Sicht maßgeblichen Verdachts entheben (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. März 2002 - 2 BvR 1619/00 -, NJW 2002, S. 1941 <1942> und vom 8. April 2004 - 2 BvR 1821/03 - ). Hier war zudem zu bedenken, dass zwischen der Anhörung des Beschwerdeführers und der Akteneinsicht seines Verteidigers im Februar und März 2002 und der Durchführung des Durchsuchungsbeschlusses Ende Januar 2003 ein erheblicher Zeitraum lag, so dass dem Beschwerdeführer nicht ohne weiteres klar gewesen sein dürfte, dass sich der Tatvorwurf nach wie vor auf dieselben Tathandlungen beschränkt hatte.

3. Auf die weiteren von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Grundrechtsverletzungen und auf die Frage nach der Vereinbarkeit der in der Handwerksordnung vorgesehenen Beschränkungen für den selbständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe mit dem Grundgesetz kommt es hier nicht mehr an. Diese Fragen können hier offen bleiben, weil jedenfalls die Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG festzustellen ist, die der Verfassungsbeschwerde zum Erfolg verhilft.

II.

Die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts Mannheim vom 31. Oktober 2002 und des Landgerichts Mannheim, soweit er die Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss zurückweist, sind danach aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird an das Landgericht Mannheim zurückverwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.

III.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Broß Osterloh Mellinghoff

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