Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht
(Abschrift - siehe auch beim BVerfG)
Siehe auch NVwZ 2007, S. 1047
der xxx
- Bevollmächtigte: Rechtsanwältin Hilke Böttcher, Osterstraße 116, 20259 Hamburg -
gegen
a) den Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 14. Mai 2001 - 20 Qs 25/01 -‚
b) den Beschluss des Amtsgerichts Hildesheim vom 12. September 2000 13 Gs 1024/00 -
hat die 3 Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473) am 26. März 2007 einstimmig beschlossen:
Die beschwerdeführende GmbH wendet sich gegen die Anordnung einer Durchsuchung ihrer Geschäftsräume in einem Verfahren wegen handwerksrechtlicher Verstöße.
1. Die beschwerdeführende GmbH, die seit 1999 ein Gewerbe lautend auf "Baubiologischer Handel, Bestattungen" betreibt, handelt unter anderem mit Naturfußböden und verkauft Massivholzböden, Terracottawand- und Bodenfliesen, Natursteinfliesen. und andere Naturfußböden. Bei einer Baustellenkontrolle durch das Ordnungsamt am 24. August 2000 wurde festgestellt, dass im Auftrag der beschwerdeführenden GmbH Fliesen verlegt wurden, obwohl die GmbH nicht mit dem Fliesenlegerhandwerk in der Handwerksrolle eingetragen war.
2. Mit angegriffenem Beschluss vom 12. September 2000 ordnete das Amtsgericht wegen des Verdachts des "Verstoßes gegen die Handwerksordnung" die Durchsuchung der Geschäftsräume der beschwerdeführenden GmbH nach "Rechnungen, Angeboten, Quittungen und ähnlichen Geschäftsunterlagen über Arbeiten des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks" an. Weitere Angaben enthält der Durchsuchungsbeschluss nicht.
3. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landgericht "in der Bußgeldsache wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und gegen die Handwerksordnung" mit angegriffnem Beschluss vom 14. Mai 2001 als unbegründet zurück. Die angegriffene Durchsuchungsanordnung stehe im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften. Nach Überprüfung einer Baustelle habe ein Anfangsverdacht dahingehend bestanden, dass die GmbH Handwerksarbeiten ohne entsprechende Eintragung in der Handwerksrolle ausgeführt habe: Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht ersichtlich.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die beschwerdeführende GmbH die Verletzung ihrer Grundrechte aua Art. 12, Art. 13, Art. 14, Art. 20 und Art. 103 GG.
Die Pflicht zur Eintragung des selbständigen Betriebs eines zulassungspflichtigen Handwerks in die Handwerksrolle nach § 1 Handwerksordnung, welche regelmäßig erst nach Ablegung der Meisterprüfung möglich sei, sei mit Art. 12 GG nicht mehr zu vereinbaren. Außerdem begründeten europarechtliche Vorschriften eine Ungleichbehandlung von deutschen Handwerkern, die ihre Tätigkeit erst nach Ablegung der Meisterprüfung und Eintragung in die Handwerksrolle ausüben dürften, und EU-ausländischen Handwerkern, bei denen diese Einschränkung nicht gelte. Darüber hinaus seien die Vorschriften der Handwerksordnung insgesamt zu unbestimmt, so dass ein Verstoß gegen Art. 103 GG vorliege. Es bestehe keine gesetzliche Regelung dahingehend, welche Tätigkeiten ohne Eintragung in die Handwerksrolle erlaubt und welche verboten seien.
Der Durchsuchungsbeschluss genüge ferner nicht den Anforderungen des Art. 13 Abs. 1 GG. Er beinhalte keinerlei Begründung, so dass für die Beschwerdeführerin nicht erkennbar gewesen sei, welche Taten ihr vorgeworfen würden. Der Tatvorwurf und die aufzufindenden Beweismittel seien nicht hinreichend konkret bezeichnet worden. Ferner werde keine Vorschrift benannt, gegen die die Beschwerdeführerin verstoßen haben solle. Die Durchsuchung sei ferner unverhältnismäßig gewesen. Zunächst hätte die beschwerdeführende GmbH zum Tatvorwurf befragt werden müssen. Anlass der Durchsuchungsanordnung sei zudem lediglich eine Baustellenkontrolle gewesen, bei der Mitarbeiter der beschwerdeführenden GmbH bei der Verlegung eines Natursteinbodens angetroffen worden seien. Es habe mithin kein hinreichender Tatverdacht bestanden. Die Gerichte hätten nicht erwogen, ob diese Fliesenlegearbeit möglicherweise im unerheblichen Nebenbetrieb zu dem Handelsgewerbe ausgeübt worden sei.
1. Das Land Niedersachsen hat zu der Verfassungsbeschwerde nicht Stellung genommen.
2. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks weist darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der schwerwiegende Eingriff einer Durchsuchung in angemessenem Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts und zur Schwere der Tat stehen müsse. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, in welcher Höhe die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bewehrt sei. Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO (Gesetz zur Ordnung des Handwerks in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998) handle ordnungswidrig, wer entgegen § 1 HwO ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibe, wobei die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 10.000 € (bis 31. Dezember 2001: 20.000 Deutsche Mark) geahndet werden könne. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995) handle ordnungswidrig, wer Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbringe, indem er ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibe, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Hier sehe der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 SchwarzArbG einen Bußgeldrahmen von bis zu 100.000 € (bis 31. Dezember 2001: 200.000 Deutsche Mark) vor. Der Qualifikationstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG konsumiere den Grundtatbestand des § 117 Abs. 1 HwO soweit das qualifizierende Tatbestandsmerkmal "Dienst-' oder Werkleistungen in erheblichem Umfang" gegeben sei. Durch dieses Tatbestandsmerkmal werde zum Ausdruck gebracht, dass die Tathandlungen eine andere Qualität erreichten als beim Grundtatbestand des § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO, wobei auf den objektiven Umfang der Leistungen anhand der Kriterien Dauer, Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität abzustellen sei. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Ermittlungsrichter komme es daher auf die Frage an, ob sich der Anfangsverdacht auf eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO oder auf eine solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG beziehe. Beide Vorschriften seien Ausdruck eines unterschiedlichen Unrechtsgehalts und könnten somit Einfluss auf die Ermessenserwägung haben. Während angesichts der Schwere der Tat und der Höhe der Bußgeldbewehrung eine Durchsuchung bei hinreichendem Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3. SchwarzArbG in der Regel als verhältnismäßig anzusehen sei, müsse bei Vorliegen eines Tatverdachts der unerlaubten Handwerksausübung nach § 117 Abs. 1 HwO angesichts der geringeren Bußgeldbewehrung den persönlichen und tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehr Gewicht beigemessen werden. So müsse auch dahingehend unterschieden werden, ob bei dem Verdächtigten lediglich der Formalakt der Eintragung ausstehe oder ob er auch den materiellen Voraussetzungen für eine Handwerksrolleneintragung nicht genüge. Nur in letzterem Fall komme überhaupt in Betracht, der Tat eine derartige Schwere beizumessen, die eine Durchsuchungsanordnung als verhältnismäßig erscheinen lasse.
Andererseits stehe ein geringeres Angriffsmittel als die Durchsuchung und Beschlagnahme in der Regel nicht zur Verfügung. Auch sei die Aufforderung zur freiwilligen Herausgabe von Unterlagen regelmäßig erfolglos. Anfragen vor Durchführung von Durchsuchungsmaßnahmen wurden diese oft zwecklos machen. Regelmäßig werde bestimmtes beweiserhebliches Material ausgelagert. In der Praxis habe sich gezeigt, dass sich nur in einer ganz geringen Anzahl von Fällen ex post der Verdacht eines Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsgesetz aufgrund einer durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme als unbegründet erwiesen habe. Dies belege eine sorgfältige Vorarbeit. Durchsuchungsmaßnahmen würden nur beantragt, wenn hinreichende Verdachtsmomente vorlägen. Erst aufgrund der durchgeführten Durchsuchung und Beschlagnahme lasse sich nachweisen, dass Schwarzarbeit in weit größerem Umfang ausgeführt wurde, als ursprünglich angenommen.
Der Meisterzwang sei nach wie vor verfassungsgemäß. Die Grunde, die das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 13, 97 zur Vereinbarkeit des Befähigungsnachweises für das Handwerk mit dem Grundgesetz genannt habe, bestünden unverändert fort. Das Handwerk sei der zweitstärkste Wirtschaftszweig in Deutschland. In den Betrieben des Handwerks werde der größte Teil des Nachwuchses der gesamten gewerblichen Wirtschaft ausgebildet.
3. Weiterhin hat der Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker Stellung genommen. Er hält die angegriffene Entscheidung für verfassungswidrig, da § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO und § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG verfassungswidrig seien. Angesichts der Höhe der Geldbußen und der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit gemäß § 17 Abs. 3 und 4 OWiG liege ein Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Schuldangemessenheit vor. Die Durchsuchung sei unverhältnismäßig, da es sich um schwerwiegende Grundrechtseingriffe handele, der Vorwurf aber nur eine Ordnungswidrigkeit betreffe. Im Übrigen fehle eine genaue Prüfung des Tatverdachts der Ordnungswidrigkeit. Regelmäßig diene die Durchsuchung erst der Begründung eines solchen Tatverdachts und erfolge daher zum Zwecke der Ausforschung. Dies widerspreche dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Der Meisterzwang verstoße zudem gegen Art. 12 GG.
4. Dem Bundesverfassungsgericht hat der Verwaltungsvorgang vorgelegen.
Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der beschwerdeführenden GmbH angezeigt ist (93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfasungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (93c Abs. 1 BVerfGG).
Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG, weil der empfindlich Eingriff einer Durchsuchung vorschnell und auf unzureichender Verdachtsgrundlage angeordnet wurde und der Durchsuchungsbeschluss nicht den aus Art. 13 Abs. 1 G folgenden Begründungsanforderungen genügt. Darüber hinaus lassen die angegriffenen Beschlüsse eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht einmal ansatzweise erkennen, obwohl sich Ausführungen hierzu im vorliegenden Fall aufdrängen mussten.
1. Dass die Beschwerdeführerin des vorliegenden Verfahrens eine juristische Person des Privatrechts ist, ändert nichts daran, dass auch sie sich auf die Unverletzlichkeit ihrer Geschäftsräume nach Art. 13 Abs. 1 GG berufen kann. Sie hat ihren Sitz in Deutschland und ist damit inländische juristische Person. Derartige juristische Personen können gemäß Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsfähig sein, soweit das jeweilige Grundrecht seinem Wesen nach auf eine juristische Person anwendbar ist (vgl. auch BVerfGE 21, 207 <209 f.>). Für das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohn- und Geschäftsräume hat dies das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 42, 212 <219>).
2. a) Damit die Unverletzlichkeit der Wohnung durch eine vorbeugende richterliche Kontrolle gewahrt werden kann, hat der Ermittlungsrichter die Durchsuchungsvoraussetzungen eigenverantwortlich zu prüfen. Erforderlich ist eine konkret formulierte, formelhafte Wendungen vermeidende Anordnung, die zugleich den Rahmen der Durchsuchung abstecken und eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht ermöglichen kann (vgl. BVerfGE 42, 212 <220 f.>; 96, 44 <51>; 103, 142 <151 f.>). Zu einer angemessenen Begrenzung der Zwangsmaßnahme kann ein Durchsuchungsbeschluss nicht beitragen, wenn er keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs oder eine nur schlagwortartige Bezeichnung der mutmaßlichen Straftat enthält, obwohl eine konkretere Kennzeichnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich ist (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2000 - 2 BvR 2212/99 -, NStZ 2000, S. 601).
b) Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 59, 95 <97>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 - 2 BvR 2043/03 u,a. -‚ NJW 2004, S 3171 <3172>).
c) Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>). Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich auf Grund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>).
3. Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.
a) Der Durchsuchungsbeschluss benennt und umschreibt die den Verantwortlichen der beschwerdeführenden GmbH zur Last gelegte Tat lediglich als "Verstoß gegen die Handwerksordnung"; etwaige Vorschriften, deren Tatbestand erfüllt sein könnte, werden nicht genannt. Der Durchsuchungsbeschluss lässt damit offen, ob unter "Verstoß gegen die Handwerksordnung" die Erfüllung eines der diversen Bußgeldtatbestände der § 117, § 119 HwO oder aber einer Vorschrift des Schwarzarbeitsgesetzes zu verstehen ist. Eine weitere Konkretisierung des Tatvorwurfs erfolgt auch nicht durch die Umschreibung der aufzufindenden Beweismittel als "Rechnungen, Angebote, Quittungen und ähnliche Geschäftsunterlagen über Arbeiten des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks". Ebenso wenig enthält der Durchsuchungsbeschluss Angaben über die dem Tatverdacht zugrunde liegenden Tatsachen. Zwar ist die Angabe der Indiztatsachen, auf die der Verdacht gestützt wird, in einen Durchsuchungsbeschluss von Verfassungs wegen nicht in jedem Fall zwingend erforderlich. Dies gilt aber nur, wenn auch auf andere Weise der Begrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses genügt wird. An einer anderweitigen Umgrenzung des Durchsuchungsbeschlusses fehlt es im vorliegenden Fall. Den Ermittlungspersonen war nicht zweifelsfrei aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk bei der Durchsuchung zu richten haben. Der äußere Rahmen der Durchsuchung war nicht hinreichend abgesteckt.
b) Darüber hinaus bestehen erhebliche Bedenken an der Verhältnismäßigkeit des mit der Durchsuchung verbundenen schwer wiegenden Grundrechtseingriffs.
aa) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet zwar - entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden GmbH - nicht, bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten stets von Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen abzusehen. Allerdings sind die Anforderungen an die Stärke des Tatverdachts umso höher, je weniger schwer die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat wiegt.
In Fällen der Durchsuchung bei Handwerkern, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung und das Schwarzarbeitsgesetz stützen, sind darüber hinaus die Wertungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Ist im Rahmen der Ermittlungstätigkeit noch unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist oder ob es sich um die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung der Berufsfreiheit handelt, so gebietet der insofern schwache Anfangsverdacht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Mit Blick auf die Veränderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Umstände sind Zweifel daran angebracht, ob die bis Ende des Jahres 2003 geltenden Regelungen über die Ausgestaltung des Meisterzwangs (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 HwO a.F.) dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem hier maßgeblichen Zeitraum noch gerecht werden konnten. Wegen dieser Bedenken hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die damals geltende Ausnahmeregelung des § 8 HwO a.F. mit Blick auf Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG großzügig anzuwenden ist (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Sentas des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2005 - 1 BvR 1730/02 -‚ DVB1 2006, 3. 244 <246>) Diese Besonderheiten sind auch bei Durchsuchungsmaßnahmen zu berücksichtigen, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung stützen.
Bei der verfassungsmäßigen Prüfung der Durchsuchung kommt es zwar nur auf einen Anfangsverdacht an. Ob die vorgeworfene Tätigkeit dem Kernbereich des Handwerks zuzuordnen ist, wird sich unter Umständen erst feststellen lassen, wenn Art und Umfang der handwerklichen Tätigkeit ermittelt wurden, was gerade durch eine Durchsuchung erfolgen soll. Gleichwohl ist Voraussetzung für strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, dass die vorliegenden Erkenntnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nahe legen, dass eine Eintragungspflicht des Betroffenen besteht.
Darüber hinaus haben die Ermittlungsbehörden im Einzelfall auch zu berücksichtigen, ob lediglich der Formalakt der Eintragung in die Handwerksrolle fehlt oder ob der Betroffene über die materiellen Voraussetzungen einer Eintragung verfügt. Sofern lediglich der Formalakt der Eintragung unterblieben ist, eine Eintragung in die Handwerksrolle aber voraussichtlich möglich wäre, wäre der schwere Eingriff der Wohnungsdurchsuchung nicht gerechtfertigt. Hierbei haben die Ermittlungsbehörden auch zu erwägen, ob aufgrund der von Verfassungs wegen gebotenen großzügigen Auslegung und Anwendung der Ausnahmeregelung von § 8 HwO a.F. (vgl. dazu oben) eine Eintragung ohne Ablegung der Meisterprüfung in Frage kommt.
Wenn auch zwischen den in Betracht kommenden Normen - § 117 Abs. 1 HwO und § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG - ein Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz in Form eines Qualifikationstatbestandes besteht, so reicht es nicht aus, beide Normen zugleich oder alternativ zu nennen. Angesichts der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Bußgeldhöhen handelt es sich um unterschiedliche Regelungen zu Taten mit einem ebenfalls unterschiedlichen Unrechtsgehalt. Zur Begründung des Tatverdachts gehört bei § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG die Darlegung der Ausführung von Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang. Um diesen Anfangsverdacht verfassungsgemäß begründen zu können, ist erforderlich, dass Feststellungen getroffen werden, die nach einfachem Recht die Anwendung des Qualifikationstatbestands nachvollziehbar machen. Kann ein Anfangsverdacht auch nicht im Ansatz im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG begründet werden, so kommt eine Durchsuchung allein wegen eines Verstoßes gegen § 117 Abs. 1 HwO in Betracht.
bb) Es ist nicht ersichtlich, dass die befassten Gerichte sich auch nur ansatzweise mit der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme befasst haben. Umfangreiche Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit sind zwar weder im Durchsuchungsbeschluss, noch in der Beschwerdeentscheidung grundsätzlich und stets von Verfassungs wegen geboten. Im vorliegenden Fall hätten sich in Anbetracht des auf lediglich einer Baustellenüberprüfung beruhenden Tatverdachts Ausführungen hierzu geradezu aufdrängen müssen. Insbesondere lässt das Landgericht nicht erkennen, ob sich die bloße Feststellung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Hinblick auf den angenommenen "Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit" oder auf den zugleich angenommenen Verstoß "gegen die Handwerksordnung" bezieht.
4. Auf die Vereinbarkeit des für die Eintragung in die Handwerksrolle in der Regel erforderlichen Befähigungsnachweises für das Handwerk mit dem Grundgesetz kommt es nach alledem nicht an. Die Frage kann hier offen bleiben, da jedenfalls eine Verletzung der Grundrechte der beschwerdeführenden GmbH aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG festzustellen ist, die der Verfassungsbeschwerde zum Erfolg verhilft.
Die angegriffenen Beschlüsse sind aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Broß Osterloh Mellinghoff
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
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