Was erwartet mich bei der Ordnungsbehörde, Bußgeld wegen Handwerksausübung, Hausdurchsuchung, Betriebsuntersagung, Betriebsprüfung, Abmahnung, Meisterzwang ist verfassungswidrig
Bußgeldbescheide genügen in aller Regel - zumindest bei einer guten Verteidigung - nicht den Anforderungen die Gerichte an Bußgeldbescheide legen. Dies zeigen die folgenden Zitate aus der Rechtsprechung in Bußgeldverfahren wegen angeblichen Verstößen gegen den Meisterzwang.
(Verweise auf § 1 Schwarzarbeitsgesetz beziehen sich auf die alte Fassung des Gesetzes, die neue Vorschrift ist § 8 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe e Schwarzarbeitsgesetz)
Vor einer Verurteilung wegen einem angeblichen Verstoß gegen den Meisterzwang verlangt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung 1 BvR 1730/02 vom 05.12.2005, dass das Gericht prüft, ob der Beschuldigte eine Ausnahmebewilligung erhalten könnte. In der Entscheidung heißt es unter Randnummer 30:
Die angegriffenen Entscheidungen lassen nicht erkennen, dass der Umstand der von Verfassungs wegen gebotenen, jedoch bereits im Verwaltungsverfahren unterlassenen Prüfung einer großzügigen Anwendung des § 8 HwO a.F. Beachtung fand. Wäre dies geschehen, hätte es nahe gelegen, das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Beschwerdeführer nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen. Diese Vorschrift erlaubt dem Gericht eine - durch das Erfordernis pflichtgemäßen Ermessens eingegrenzte - Opportunitätsentscheidung (vgl. BGHSt 44, 258 <260>). Hierdurch wird es möglich, dem im konkreten Fall mit Blick auf die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers zumindest geringen Unrechtsgehalt seines Verhaltens Rechnung zu tragen. Zur Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens ist die Sache mithin an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
So hat auch das Oberverwaltungsgericht Köln (Az. 81 Ss-OWi 68/07 vom 27.12.2007) in einem Bußgeldverfahren argumentiert und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Außerdem ist erforderlich, die handwerklichen Arbeiten, die der Betroffene ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt hat, im Einzelnen - für jeden Auftrag - nach Art, Umfang, Zeit und Ort darzulegen (vgl. OLG Düsseldorf GewArch 2000, 289; 1996, 207; OLG Hamm GewArch 2000, 79, 80) wie auch den Umfang der für die Ausführung dieser Arbeiten erforderlichen Kenntnisse und die Dauer der für deren Erlangung erforderlichen Ausbildung (vgl. BayObLG GewArch 1989, 167, 168; OLG Celle, Beschluss vom 01.11.02 - 222 Ss 196/02 (Owi))
Die handwerklichen Arbeiten, die ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt wurden, müssen im Einzelnen für jeden Auftrag nach Art, Umfang, Zeit und Ort darlegen werden (vgl. OLG Celle in Gewerbearchiv 2003, 80, 81; OLG Düsseldorf in Gewerbearchiv 2001, 346, 347; OLG Hamm in Gewerbearchiv 2002, 378 f.; Erbs/Kohlhaas/Ambs, Strafrechtliche Nebengesetze, 153. Lieferung 2004, § 1 SchwArbG, Rdnr. 20). (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.03.2005 - 3 Ss OWi 82/05; OLG Düsseldorf, B. v. 29.03.2000 - 2 a Ss (OWi) 54/00 - (OWi) 28/00 II, GewArch 2000, 289; OLG Düsseldorf, B. v. 09.04.2001 - 2 a Ss (OWi) 27/01 - (OWi) 17/01 II; GewArch 2000, 346 f; OLG Hamm, Beschluss vom 18.04.2002 - 2 Ss OWi 7/02; GewArch 2002, 378; Ambs in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 5. Aufl., Rdnr. 20 zu § 1 SchwArbG; OLG Schleswig-Holstein Beschluss vom 29. November 2004 - 1 Ss OWi 147/04 (151/04))
Die tatsächlichen Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG sowie zum Schuldumfang stellen nur dann eine hinreichende Nachprüfungsgrundlage für das Rechtsbeschwerdegericht dar, wenn die im betreffenden Gewerbe erbrachten handwerklichen Arbeiten für jeden Auftrag nach Art, Umfang, Zeit und Ort einzeln dargelegt sind (vgl. OLG Düsseldorf GewArch 2001, 346 f.; OLG Hamm GewArch 2002, 482; OLG Celle GewArch 2003, 80 f.; OLG Stuttgart, vom 16.05.2003 - 5 Ss 445/02).
Bereits zur Beurteilung der Frage, ob die vom Betroffenen erbrachten Leistungen sämtlich dem Kernbereich des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks bzw. des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks zuzuordnen sind und ihm sein wesentliches Gepräge geben (vgl. § 1 Abs. 2 HwO), aber auch zur möglichen Ausscheidung von Leistungen, die lediglich einem handwerksähnlichen Gewerbe (§ 18 HwO) unterfallen, wäre nicht nur eine pauschale, sondern die detaillierte Darlegung der vom Betroffenen durchgeführten Tätigkeiten, mithin eine Auflistung aller dem Schuldspruch zugrundegelegten handwerklichen Arbeiten erforderlich gewesen (OLG Düsseldorf GewArch 2001, 346 f.; OLG Hamm GewArch 2002, 482; OLG Stuttgart, vom 16.05.2003 - 5 Ss 445/02)
Das Gericht muss Feststellungen treffen, dass die Ausführung der beanstandeten Tätigkeiten spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten der jeweiligen Gewerbe voraussetzten (Oberlandesgericht Celle - Beschluss 222 Ss 130/05 (OWi) vom 26. August 2005).
Das OLG Hamm stellt in Beschluss 1 Ss OWi 876/07 vom 21.1.2008 fest: "Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 31.03.2000 - BvR 608/99 - ausgeführt, dass bei der Auslegung und Anwendung der §§ 1 - 3 HwO die Ausstrahlungswirkung des Artikel 12 Abs. 1 GG in der Form zu beachten ist, dass in tatsächlicher Hinsicht festzustellen ist, ob die Tätigkeiten des Betroffenen die Anwendung von § 1 HwO erforderlich scheinen lassen. Danach hat das Gericht zunächst im Einzelnen zu ermitteln, ob es sich bei den Tätigkeiten, die dem Betroffenen zur Last gelegt werden, um solche handelt, die, den Kernbereich des Handwerks ausmachen, oder ob es sich um ein den Vorschriften des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks nicht unterfallendes Minderhandwerk handelt." In dem Beschluss bemängelt es weiter: "Insbesondere fehlt es an der Prüfung, ob es sich bei einer konkreten Tätigkeit um ein Voll- oder Minderhandwerk handelt und anhand welcher Kriterien nach Ansicht des Gerichts im Einzelfall eine Abgrenzung vorgenommen werden soll."
Die bloße Einordnung der Tätigkeiten im Rahmen der tabellarischen Darstellung in den Urteilsgründen in verschiedene Handwerke ermöglicht die Beurteilung, dass die Arbeiten den Kernbereich des jeweiligen Handwerks betreffen, nicht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.03.2005).
Darüber hinaus erfordert die verfassungskonforme Auslegung der (von § 1 SchwarzArbG in Bezug genommenen) Handwerksordnung, welche empfindliche Eingriffe in die Freiheit selbständiger Berufsausübung enthält, bei den der Verurteilung des Betroffenen zugrunde gelegten Umsätzen - auch und gerade, soweit sie einem einheitlichen Lebenssachverhalt entstammen - den ausdrücklichen Abzug der Beträge, die dem Handel zuzurechnen sind (vgl. BVerfG NVwZ 2001, 187, 188; OLG Stuttgart, vom 16.05.2003 - 5 Ss 445/02).
Dass Tätigkeiten in Prüfungsanforderungen für den praktischen oder fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung aufgeführt sind, besagt nicht bereits, dass es sich dabei um wesentliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 HwO handelt (OVG Münster, Beschluss vom 04.01.2002 - 4 B 1357/01).
Das Oberlandesgericht Hamm thematisiert in der Entscheidung 3 Ss OWi 51/08 vom 18.02.2008 anderem die Frage des Vorsatzes bei angeblich unerlaubter Handwerksausübung. Dort heißt es:
"Zwar erfüllen die Urteilsfeststellungen den äußeren Tatbestand dieser Ordnungswidrigkeit. Doch zum inneren Tatbestand belegen die Urteilsfeststellungen einen vorsätzlich begangenen Verstoß nicht. Nur ein solcher ist aber als Ordnungswidrigkeit verfolgbar, denn eine lediglich fahrlässige Begehung erfüllt den Tatbestand nicht, weil das Gesetz sie nicht ausdrücklich mit Geldbuße bedroht (§ 10 OWiG).
Demgemäss kann nicht als Täter belangt werden, wer sich zur Tatzeit in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum nach § 11 Abs. 1 OWiG befindet, mag ihn bezüglich seiner unrichtigen Vorstellung auch der Vorwurf der Fahrlässigkeit treffen (Senat, Beschluss vom 10.03.2005. 3 Ss OWi 85/05)."
Hintergrund für die erfreuliche Rechtsprechung ist, dass die Ordnungsbehörde in einem Bußgeldbescheid einen Regelverstoß nach "Dauer, Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Leistungen sowie der Grad der für ihre Ausführung erforderlichen Ausbildung bzw. Vorbildung" darlegen muss. Es geht also darum ob die ausgeübten Tätigkeiten wesentlich für ein Handwerk waren und welches überhaupt die wesentlichen Tätigkeiten eines Handwerks sind.
Unter den Meisterzwang fallen nämlich nur die für das jeweilige Handwerk wesentliche Tätigkeiten, also Tätigkeiten, die zum so genannten Kernbereich des Handwerks gehören. Ohne Meisterbrief können alle anderen Tätigkeiten ausgeübt werden. Dies Tätigkeiten werden manchmal auch als Minderhandwerk oder einfache Tätigkeiten bezeichnet. Die gesetzliche Regelung dazu lautet seit 01.01.2004:
§ 1 Absatz 2 Handwerksordnung
(2) Ein Gewerbebetrieb ist ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfaßt, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten). Keine wesentlichen Tätigkeiten sind insbesondere solche, dieDie Ausübung mehrerer Tätigkeiten im Sinne des Satzes 2 Nr. 1 und 2 ist zulässig, es sei denn, die Gesamtbetrachtung ergibt, dass sie für ein bestimmtes zulassungspflichtiges Handwerk wesentlich sind.
- in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können,
- zwar eine längere Anlernzeit verlangen, aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist, oder
- nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind.
In der Handwerksnovelle 2004 wurde also im Gesetz klargestellt, dass einfache Tätigkeiten nicht unter den Meisterzwang fallen. Außerdem fallen Tätigkeiten nicht unter den Meisterzwang, die für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem Handwerk hauptsächlich ausgerichtet ist, oder nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind. Zu diesen drei Kategorien von Tätigkeiten (einfach zu erlernen, nebensächlich für das betreffende Handwerk und nicht aus dem Handwerk entstanden) kann es weitere Arten von Tätigkeiten geben.
Nach unserer Auffassung können nach der Änderung des Regelungszwecks der HwO nur noch solche Tätigkeiten dem Meisterzwang unterfallen, die eine Gefahr für Gesundheit und Leben Dritter auslösen können und bei denen ein Geselle nicht mit diesen Gefahren umzugehen weiß. Wesentliche Tätigkeiten können nur noch solche sein, die für den Regelungszweck wesentlich sind und der Regelungszweck ist nach dieser Gesetzesänderung die Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben Dritter. Dabei verlangt das Bundesverfassungsgericht bei Einschränkungen der Berufsfreiheit wegen einem Schutz der Gesundheit oder Leben, dass es sich um unmittelbare Gefahren handelt.
Das Bundesverfassungsgericht führte zu dieser Frage aus:"Wird der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit in Gestalt eines Tätigkeitsverbots nur mit mittelbaren Gefahren für die Volksgesundheit begründet, entfernen sich Verbot und Schutzgut so weit voneinander (vgl. hierzu BVerfGE 85, 248 <261>), dass bei der Abwägung besondere Sorgfalt geboten ist. Die Gefahren müssen hinlänglich wahrscheinlich und die gewählten Mittel eindeutig erfolgversprechend sein. Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Entscheidung nicht."
(BVerfG, 1 BvR 254/99 vom 7.8.2000)
Vor diesem Hintergrund dürfte keine einzige Tätigkeit in einem Handwerk so gefährlich sein, dass eine Einschränkung der Berufsfreiheit - also der Meisterzwang - sich verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt.
Mehr zum gesetzgeberisches Ziel der Handwerksordnung.
Die CDU/CSU setzte allerdings bei der Handwerksnovelle 2004 eine Kumulierungsbeschränkung durch. Wenn die "Gesamtbetrachtung" eines Betriebes ergibt, dass mehrere Tätigkeiten, die jede für sich nicht-wesentliche sind, zusammengenommen aber für ein bestimmtes zulassungspflichtiges Handwerk wesentlich sind, dann unterfällt ein solcher Betrieb dem Meisterzwang. Die Abgrenzung von Handwerk und Nichthandwerk wird sich auch mit dieser Regelung in Zukunft sehr schwierig gestalten.
Was diese Gesamtbetrachtung für die Praxis bedeutet, kann noch nicht abschließend abgeschätzt werden. Wir halten diese Beschränkung von nicht wesentlichen Tätigkeiten für verfassungswidrig, weil sie insbesondere vor dem Hintergrund des neuen Regelungszweckes - Gesundheit und Leben von Dritten zu schützen - unverhältnismäßig und ohne Notwendigkeit die freie Berufsausübung einschränkt.
In der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg Az. 6 S 1601/05 vom 16.12.2005 (siehe unten) stellt das Gericht fest, dass durch das "Kumulierungsverbot" keine neuen Vorbehaltsbereiche geschaffen worden sind.
Der Baden-Württembergische Handwerkstag kommentiert diese Regelung folgendermaßen:
Daneben sind alle Gewerbe der Anlage A künftig für eine zulassungsfreie selbstständige Ausübung von nicht wesentlichen Teiltätigkeiten geöffnet. Zwar hat das Handwerk hier im Vermittlungsverfahren durchsetzen können, dass eine Anhäufung solcher einfachen Teiltätigkeiten nicht den Kernbereich eines Vollhandwerkes betreffen darf. Da aber andererseits diese Betriebsart zunächst grundsätzlich dem Organisationsbereich der Industrie- und Handelskammern zugeordnet ist, stellt sich die Frage, inwieweit dann ein solches Atomisierungsverbot von den Industrie- und Handelskammern überwacht werden wird bzw. von den Handwerkskammern durchgesetzt werden kann. Diese Sorge wird durch die Tatsache, dass diese Kleinbetriebe dann nicht der IHK angehören, sondern der Handwerkskammer, wenn der Inhaber eine entsprechende handwerkliche Ausbildung aufweist, nicht entkräftet. Denn durch einen einfachen Wechsel in der Betriebsleitung (der Handwerker benennt einfach die berufsfremd ausgebildete Ehefrau als Betriebsleiterin) hat der Betriebsinhaber ein praktisch unbegrenztes Dispositionsrecht hinsichtlich der Kammerzurechnung.
Im Buch "Die Novellierung der Handwerksordnung 2003/2003" kommt der Autor Christian Haas (auf Seite 179 f.) zu dem Ergebnis, dass das Kumulationsverbot zumindest in wesentlichen Teilen verfassungswidrig ist.
Die Ausübung mehrere Anspruchvoller, aber nicht wesentlicher Tätigkeiten steht der oben dargestellten Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers nicht entgegen, da dieser nur den Berufszugang im Kernbereich der zulassungspflichtigen Handwerke beschränken wollte und des daher unerheblich ist, wie viele solcher Tätigkeiten aus dem Randbereich verrichtet werden. Von dem Sonderfall des § 1 II 2 Nr. 1 HwO abgesehen ist es nicht denkbar, daß eine nicht wesentliche Tätigkeit allein durch die kumulative Ausübung mehrerer solcher Tätigkeiten zu einer wesentlichen wird. Folglich stellt die nach dem Gesetz mögliche Erstreckung des Kumulationsverbots auf § 1 II 2 Nr. 2 HwO einen nicht erforderlichen und damit einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar.
Bezüglich § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 argumentiert Haas mit der Entstehungsgeschichte des Kumulationsverbots und kommt auch zum Ergebnis der Verfassungswidrigkeit:
Im Ergebnis bleibt also festzuhalten, daß die kumulative Ausübung von Tätigkeiten i.S.d § 1 II 2 Nr. 3 HwO keinen Beschränkungen durch die Handwerksordnung unterliegt und damit keinen handwerklichen Qualifikationsnachweis erfordert.
Während der Handwerksnovelle 2004 hat die Bundesregierung
festgestellt, dass sich wesentliche Tätigkeiten nicht eindeutig
von nicht wesentlichen Tätigkeiten abgrenzen lassen (auch nicht
nach der Präzisierung durch eine Angabe von Kriterien, wann
Tätigkeiten nicht wesentlich sind).
(siehe: Bundestagsdrucksache 15/1481 Seite 21 zu Nummer 8).
Der Vorschlag des Bundesrates geht davon aus, dass der Begriff "nicht wesentliche Tätigkeiten eines Handwerks der Anlage A" so eindeutig ist, dass für Unternehmen, die solche Tätigkeiten ausüben, die Anwendung der Vorschrifte der §§ 18 bis 20 vorgesehen werden könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie schreibt in seinem Vermerk Az. II B 2 - 12 91 56 - vom 29.05.98 über einfache handwerkliche Tätigkeiten:
"Einfache Tätigkeiten, die - ihre einwandfreie Ausführung vorausgesetzt - wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades keine qualifizierten Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, sind nach ständiger höchstrichterlichen Rechtsprechung solche, die "in kurzer Anlernzeit beherrschbar" sind. Der Zeitraum, der als "kurze Anlernzeit" zu definieren wäre, ist gesetzlich nicht festgelegt. In kurzer Anlernzeit beherrschbar und damit einfache Tätigkeiten sind, wenn die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) - 1 C 27/89 - vom 25.2.1992 (Gewerbearchiv 10/92 S. 386) zugrunde gelegt wird, jedenfalls solche Tätigkeiten, die von einem durchschnittlich begabten Berufsanfänger innerhalb von 2 bis 3 Monaten erlernbar sind. Bei den für den Vollzug der Handwerksordnung zuständigen Behörden und Handwerksorganisationen besteht bisher allerdings keine erkennbare Übereinstimmung über den Zeitraum, ab dem eine Tätigkeit so schwierig wird, daß sie eine Ausbildung zum Handwerksmeister erfordert."
Über nebensächliche handwerkliche Tätigkeiten schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in seinem Vermerk Az. II B 2 - 12 91 56 - vom 29.05.98:
Für Tätigkeiten, die in diesem Sinn [einfache handwerkliche Tätigkeiten] nicht einfach, sondern anspruchsvoll sind, aber im Rahmen des Gesamtbildes des betreffenden Handwerks eine nebensächliche Bedeutung haben und deswegen nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten verlangen, auf welche die einschlägige handwerkliche Ausbildung ausgerichtet ist, kann ebenfalls nicht die Meisterprüfung für das betreffende Handwerk (BVerwG, Urteil vom 11.12.1990, Gewerbearchiv 1991, 231 und 27.10.1992, Gewerbearchiv 1993, 250) oder eine Ausnahmebewilligung verlangt werden.
Auf unsere Nachfrage bei den Wirtschaftsministerien von Bund und Ländern haben wir keine Kriterien genannt bekommen, anhand derer überprüft werden kann, ob eine Tätigkeit nebensächlich für ein Handwerk ist. Im Streitfall ist es so Sache des Ordnungsamtes zu argumentieren, warum eine Tätigkeit nicht nebensächlich ist und warum man hätte wissen müssen, daß die ausgeübten Tätigkeiten nicht einfach und nicht nebensächlich sind.
Im Streitfall können Sie unser Briefwechsel (ca. 100 Seiten) mit den Wirtschaftsministerien gegen Auslagenerstattung beim BUH anfordern. Auch Städte und Kreise geben auf handwerksrechtliche Fragen absurde Antworten.
Tätigkeiten, die nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind unterfallen nicht dem Meisterzwang. Hier ist Beispielhaft der Trockenbau oder der Fassadenbau zu nennen.
Tätigkeiten, die in Berufen außerhalb von zulassungspflichtigen Handwerken in den Ausbildungsverordnungen stehen, können auch nicht einem zulassungspflichtigen Handwerk ausschließlich vorbehalten sein. Solche Tätigkeiten sind freie handwerkliche Tätigkeiten die ohne weitere Berufszugangsbeschränkung ausgeführt werden dürfen.
Angesichts dieser eindeutigen gesetzlichen Bestimmung der unwesentlichen Tätigkeiten reicht es auch nicht aus, zur Begründung auf die Gefährlichkeit des Fassadenbaus zu verweisen. Zwar hat der Gesetzgeber mit der Novellierung des Handwerksrechts im Dezember 2003 einen Paradigmenwechsel vorgenommen und als Kriterium für die Legitimation des großen Befähigungsnachweises auf die Gefahrgeneigtheit abgestellt (amtliche Begründung, BT-Drs. 15/1206, Seite 22). Dies bedeutet jedoch nicht, dass er damit jedes andere Unterscheidungskriterium für die Zulassungspflicht abschaffen wollte. Ziel der Novelle war nicht die gänzliche Neuordnung des Handwerksrechts, sondern die Beschränkung des Meisterbriefs in seiner Funktion als Berufszugangsschranke auf den unbedingt erforderlichen Bereich, nämlich der Abwehr von Gefahren für Gesundheit oder Leben Dritter (amtliche Begründung, BT-Drs. 15/1206, Seite 22). Im Übrigen sollte das Handwerksrecht „dereguliert und entbürokratisiert“ werden. Die Bestimmung des § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO wurde im Dezember 2003 in das Gesetz aufgenommen, um das Entstehen neuer oder die Erweiterung bestehender Vorbehaltsbereiche zu verhindern (amtliche Begründung, BT-Drs. 15/1089, Seite 11; Kormann/Hüpers, Das neue Handwerksrecht, Rechtsfolgen aus der HwO-Novelle 2004, hrsg. vom Ludwig-Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften, Seite 28 f.). Diese rechtliche Behandlung einfacher, aber gefahrgeneigter Tätigkeiten durch die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO mag zwar als „paradox“ kritisiert werden (so Kormann/Hüpers, GewArch 2004, 355). Diese „Paradoxie“ kann aber nicht durch eine Ausdehnung des Meistervorbehalts auf Minderhandwerke gelöst werden (Kormann/Hüpers, GewArch 2004, 356 fordern eine teleologische Reduktion von § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO bei gefährlichen Minderhandwerken), weil der Gesetzgeber verschiedene Gesetzeszwecke verfolgt hat und mit dem neuen Kriterium der Gefahrgeneigtheit keine Ausdehnung der Zulassungspflicht auf bisher zulassungsfreie Minderhandwerke verbinden wollte, um das Ziel der Deregulierung und Entbürokratisierung nicht zu entwerten.
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681,
mail: BUHev-Buro
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