Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht
Auch wenn hier der Verfolgte mit seiner Beschwerde gegen ein Bußgeld wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung zunächst Erfolg hatte, enthält das Urteil einige eigenartige Wendungen. Deswegen vorab zwei Bemerkungen zu dem Urteil:
Schleswig-Holsteinisches
Oberlandesgericht
I. Senat für Bußgeldsachen
1 Ss OWi 147/04 (151/04)
in der Bußgeldsache gegen
xxx
geboren am xxx
wohnhaft xxx
w e g e n einer Ordnungswidrigkeit
- Verteidigerin: Rechtsanwältin Hilke Böttcher, Hamburg-.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ratzeburg vom 4. Juni 2004 hat der I. Senat für Bußgeldsachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig in der Besetzung mit einem Richter (§ 80 a Abs. 10WiG) nach Anhörung der Staatsanwaltschaft am 29. November 2004 beschlossen:
Das Rechtsmittel ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz I Nr. 1 0WiG statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegt und begründet worden. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der Sachrüge vorläufig auch Erfolg.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht hat in ihrer an den Senat gerichteten Zuschrift vom 4. November 2004 zutreffend ausgeführt:"Insbesondere ergibt sich aus der Gesamtheit des Vorbringens, dass in einer den Anforderungen des § 344 StPO genügenden Art und Weise die allgemeine Sachrüge erhoben worden ist. Obgleich in der Beschwerdebegründung die Glaubwürdigkeit des Zeugen Wallner und der Darlegung neuer Tatsachen in Abrede gestellt wird, macht dies die Sachrüge nicht unzulässig. Unzulässig ist sie nur dann, wenn sie sich in Angriffen gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung und die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen erschöpft (OLG Schleswig in SchlHA 1997, 172; Meyer-Goßner, STPO, 47. Aufl. 2004, § 344, Rdnr. 19). Vorliegend werden jedoch zugleich Einwände gegen die Rechtsanwendung vorgebracht, namentlich gegen die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale nach § 1 SchwArbG, die Eintragungspflichtigkeit des Betriebes gemäß § 1 Handwerkordnung und die Verfassungsmäßigkeit jener Regelungen im Lichte der Berufsfreiheit.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Die Feststellungen tragen den Schuldspruch weder aufgrund einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SchwArbG noch gemäß §§ 1, 117 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 HWO. Es lässt sich nicht ersehen, ob das sachliche Recht fehlerfrei angewendet worden ist, weil die Entscheidungsgründe unvollständig und lückenhaft sind.
Bei Verstößen gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG und § 117 Abs. 1 Nr. 1 HWO bilden die Feststeilungen nur dann eine hinreichende Nachprüfungsgrundlage, wenn sie die handwerklichen Arbeiten, die ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt wurden, im Einzelnen für jeden Auftrag nach Art, Umfang, Zeit und Ort darlegen (OLG Celle in Gewerbearchiv 2003, 80, 81; OLG Düsseldorf in Gewerbearchiv 2001, 346, 347; OLG Hamm in Gewerbearchiv 2002, 378 f.; Erbs/Kohlhaas/Ambs, Strafrechtliche Nebengesetze, 153. Lieferung 2004, § 1 SchwArbG, Rdnr. 20).
Vor allem müssten die Urteilsgründe die Prüfung ermöglichen, ob die erbrachten Leistungen wesentlich sind und damit zum Kernbereich des betreffenden Handwerks gehören oder lediglich eine der Eintragung in die Handwerksrolle nicht unterfallene Ausübung eines Minderhandwerks darstellen (OLG Düsseldorf, Gewerbearchiv 2000, 289; WiStra 1991, 355). Abzugrenzen ist insoweit von Tätigkeiten, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades schon nach kurzer Anlernzeit ausgeführt werden können und die allein den Randbereich des jeweiligen Handwerks erfassen (Bundesverwaltungsgericht in NVWZ-RR 1992, 547, 548; OLG Celle in Gewerbearchiv 2003, 80, 81), wobei im vorliegenden Fall auch wertend auf das in § 2 Frisör-MstrV (BGBI. 2001 I, S. 638) zum Ausdruck gebrachte Berufsbild zurückgegriffen werden kann (allgemein BayObLG, Gewerbearchiv 1998, 297, 298).
Eine solche vom Tatgericht vorzunehmende Abgrenzung ist nicht zuletzt wegen der Ausstrahlungswirkung des Art. 12 Abs. 1 GG erforderlich und muss sich anhand sorgfältiger Darlegungen in den Entscheidungsgründen wiederspiegeln (Bundesverfassungsgericht in NVWZ 2001, 187,188).
Diesen - grundsätzlich strengen - Maßgaben genügen die Feststeilungen jedoch nicht. Wenn das Gericht ausführt, am 09. April 2003 seien Kunden und Mitarbeiter in dem Ladengeschäft anzutreffen gewesen, als sie im Begriffe waren, "Frisörleistungen zu erbringen bzw. entgegenzunehmen", wird dies weder hinreichend konkretisiert noch von den weiteren Feststellungen getragen. Auf eine Kundin abzustellen, die sich unter einer Trockenhaube befunden habe (UA S. 2), reicht nicht aus. Das Trocknen von Haaren gehört gerade nicht zum Kernbereich des Frisörhandwerks, sondern kann als Randtätigkeit untergeordneter Bedeutung ohne weiteres von angelernten Hilfskräften erbracht werden.
Auch die weiteren Feststellungen geben keinen hinreichenden Aufschluss über Art und Umfang von Leistungen, die nur nach Eintragung in die Handwerksrolle erbracht werden dürfen. Dies betrifft namentlich die als Hilfstatsache gewürdigte Ladeneinrichtung, insbesondere die Ausstattung des Geschäfts mit "Frisörsaccessoires" (UA S. 2). Der angefochtenen Entscheidung ist nicht zu entnehmen, was das Gericht hierunter versteht, um welche Gegenstände es sich im Einzelnen handelt und inwieweit diese für die Ausübung kernbereichlicher Tätigkeiten des Frisörhandwerkes charakteristisch sind.
Sofern die Urteilsgründe die Beschriftung des Ladens mit dem Schild "Frisör xxx" Bezug nehmen, wird übersehen, dass nicht die Betriebsbezeichnung maßgeblich ist (Erbs/Kohlhaas/Ambs, a.a.G., § 1 SchwArbG, Rdnr. 20). Selbst im Rahmen einer indiziellen Würdigung vermag die Betriebsbezeichnung nicht die Feststellung im Einzelfall zu ersetzen, welche für das Frisörhandwerk nach gerade bestimmenden Arbeiten verrichtet wurden. Das Gericht führt lediglich aus, dass alles vielmehr auf einen üblichen Frisörbetrieb hindeute (UA S. 4), Iässt jedoch nachprüfbare Darlegungen zu konkreten Dienstleistungen und deren Abgrenzung zum Minderhandwerk vermissen.
Unklar bleibt im Übrigen, welche genauen Aufgaben die Meisterin Frau xxx aus Mölln bei der "Mitbetreuung des Frisörladens" (UA S. 4) übernimmt, ob gerade sie die zum Kernbereich des Frisörhandwerkes gehörenden Leistungen im Lauenburger Geschäft erbringt, d.h. den dortigen Angestellten allein untergeordnete und für sich genommen eintragungsfreie Arbeiten überlässt, bzw. ob sie die im Laden angetroffene Auszubildende im Frisörhandwerk, die gemäß § 2 Abs. 1 der Frisör-MstRV nur durch einen Meister ausgebildet werden kann, betreut. Nähere Feststellungen hierzu fehlen.
Unklar bleibt ebenso, in welchem Verhältnis die Filialen in Mölln und Lauenburg ggf. unter Berücksichtigung der Regelung über eintragungsfreie Hilfs- und Nebenbetriebe nach § 3 HWO zueinander stehen.
Überdies ermöglichen die Urteilsgründe auch keine Nachprüfung des Rechtsfolgenausspruchs. Es fehlt an - hier unverzichtbaren - Feststeilungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen. Bei einer relativ hohen Geldbuße kann nicht mehr von einer geringfügigen Ordnungswidrigkeit ausgegangen werden, die eine Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 2 OWiG entbehrlich macht (OLG Schleswig in SchlHA 1982, 102; ferner Beschluss vom 15. März 1984 - 2 Ss-OWi 630/83 -). Mag dabei die Grenzziehung auch in den unteren Sanktionsbereichen umstritten sein (OLG Hamburg in NJW 2004, 1813, 1814), so bedarf es jedenfalls bei einem Bußgeld von 2.500,00 E näherer Ausführungen zur finanziellen Situation des Betroffenen (s. KG, Beschluss vom 05, November 1998 - 2 Ss 371/98 - juris)."
Wegen der Anforderungen an die Feststellungen zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen des Betroffenen wird auch auf die Senatsbeschlüsse vom 19. Februar 2003 - 1 Ss OWi 16/03 - und vom 26. Juni 2003 - 1 Ss OWi 59/03 -, veröffentlicht in den Schleswig-Holsteinischen Anzeigen 2004, 263, 264 hingewiesen.
Blöcher
Richter am OLG
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