Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht
Geschäftsnummer:
5 Ss 445/02
12 OW i 180 Js 50711/01
AG Böblingen 180 Js 50711/01
StA Stuttgart
in der Bußgeldsache gegen
XXX
wegen Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit
- Verteidiger: Rechtsanwalt Walter Ratzke, Bahnhofstraße 7, 92507 Nabburg -.
Der 5. Senat für Bußgeldsachen hat in der Besetzung mit einem Richter (§ 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG) am 12. Mai 2003 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 29. April 2002 mit den Feststellungen
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung das Amtsgerichts
Das Amtsgericht Böblingen hat den Betroffenen am 29. April 2002 wegen "Schwarzarbeit" zu der Geldbuße von 5.000 € verurteilt. Gegen dieses Urteil hat allein der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt.
Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel ist zulässig und hat bereits mit der Sachrüge (vorläufigen) Erfolg. Eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
1. Das Amtsgericht hat festgestellt, der Betroffene habe im Zeitraum von Januar 1996 bis Mai 2000 als stehendes Gewerbe das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk sowie in geringerem Umfang das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk betrieben, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Insgesamt habe "der Betroffene seinen Kunden für Installationen und Fliesenverlegung rund 50.000 DM in Rechnung" gestellt. " Die durch Quittung nachgewiesenen Einnahmen des Betroffenen" seien "jedoch deutlich höher" gewesen und hätten "mehr als DM 175.000" betragen. Die Umsatzberechnung hat das Amtsgericht auf insgesamt 10 Bauprojekte gestützt (UA S. 4-6). Hinsichtlich der überwiegenden Zahl der Bauprojekte (Projekte 1-6 sowie 8) hat es, jeweils ausgehend von einem nicht im einzelnen dargelegten Angebot des Betroffenen an den jeweiligen Kunden über den "Einbau einer Heizung" bzw. die "Verlegung von Fliesen", nur den Angebotspreis sowie den vom Betroffenen schließlich "nach Erledigung der Arbeiten" vereinnahmten Betrag angeführt.
2. Die tatsächlichen Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG sowie zum Schuldumfang stellen nur dann eine hinreichende Nachprüfungsgrundlage für das Rechtsbeschwerdegericht dar, wenn die im betreffenden Gewerbe erbrachten handwerklichen Arbeiten für jeden Auftrag nach Art, Umfang, Zeit und Ort einzeln dargelegt sind (vgl. OLG Düsseldorf GewArch 2001, 346 f.; OLG Hamm GewArch 2002, 482; OLG Celle GewArch 2003, 80 f.). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
a) Bereits zur Beurteilung der Frage, ob die vom Betroffenen erbrachten Leistungen sämtlich dem Kernbereich des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks bzw. des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks zuzuordnen sind und ihm sein wesentliches Gepräge geben (vgl. § 1 Abs. 2 HwO), aber auch zur möglichen Ausscheidung von Leistungen, die lediglich einem handwerksähnlichen Gewerbe (§ 18 HwO) unterfallen, wäre nicht nur eine pauschale, sondern die detaillierte Darlegung der vom Betroffenen durchgeführten Tätigkeiten, mithin eine Auflistung aller dem Schuldspruch zugrundegelegten handwerklichen Arbeiten erforderlich gewesen (OLG Düsseldorf aaO; OLG Hamm aaO).
b) Darüber hinaus erfordert die verfassungskonforme Auslegung der (von § 1 SchwarzArbG in Bezug genommenen) Handwerksordnung, welche empfindliche Eingriffe in die Freiheit selbständiger Berufsausübung enthält, bei den der Verurteilung des Betroffenen zugrunde gelegten Umsätzen - auch und gerade, soweit sie einem einheitlichen Lebenssachverhalt entstammen - den ausdrücklichen Abzug der Beträge, die dem Handel - hier etwa mit Heizkesseln und Zubehör - zuzurechnen sind (vgl. BVerfG NVwZ 2001, 187, 188). Auch insoweit sind die Feststellungen des Amtsgerichts lückenhaft, jedenfalls für die im Urteil dargestellten Bauprojekte 1 und 2 sowie 4 bis 8 (UA S. 4-6); dagegen wird zu den Bauprojekten 9 und 3 explizit festgestellt, dass insoweit keine Materialkosten angefallen sind. Was das letztgenannte Projekt angeht, bleibt allerdings unklar, von welchem Umsatz das Amtsgericht ausgegangen ist.
Dies gilt unabhängig davon, ob die vom Bundesverfassungsgericht (aaO S. 188) eingeforderte grundrechtsfreundliche Auslegung der §§ 1-3 HwO unmittelbaren Einfluss auf die bislang restriktive Rechtsprechung (vgl. etwa VGH BaWü GewArch 1993, 481 ff., worauf die angefochtene Entscheidung Bezug nimmt) zum handwerklichen Nebenbetrieb im Sinne der §§ 2 und 3 HwO bei sogenannten Ein-Mann-Betrieben mit Handels- und Handwerksanteilen hat (so wohl tendenziell AG Weiden GewArch 2002, 482 f.). In jedem Fall nicht ausreichend bestimmbar ist nach den Feststellungen des Amtsgerichts nämlich der Schuldumfang der dem Betroffenen zur Last gelegten Dauerordnungswidrigkeit.
3. Da das Urteil bereits aufgrund der dargelegten Mängel der Aufhebung unterliegt, kommt es auf weitere Rügen des Beschwerdeführers, etwa zur Bußgeldbemessung, nicht an.
Richter am OLG
Ausgefertigt
Stuttgart, den 16.05.2003
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