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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Urteil zur Handwerksausübung ohne Meisterbrief OLG Celle

Aktenzeichen 222 Ss 196/02 (Owi) vom OLG Celle

Siehe auch GewArch 2003, S. 80

704 Js 6278/02 StA

Abschrift - siehe auch beim OLG Celle

Beschluss

vom 01.11.02

In der Bußgeldsache gegen

XXX

wegen einer Ordnungswidrigkeit nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit

hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts XX vom 24. Juli 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XX, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgerichts am 1. November 2002 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts XX zurückverwiesen.

Gründe:

1.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "vorsätzlichen selbständigen Betreibens des Maurer- und Fliesenlegerhandwerks als stehendes Gewerbe ohne Eintragung in der Handwerksrolle unter Erzielung wirtschaftlicher Vorteile in erheblichem Umfang ... gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzarbG i.V.m. § 1 Abs. 1 + 2 HandwO" zu einer. Geldbuße von 7.500 € verurteilt. Nach den Feststellungen betreibt der Betroffene die Einzelfirma "XX". Er ist mit keinem Handwerk in der Handwerksrolle eingetragen. Von Januar 2000 bis November 2001 führte er als Subunternehmer für die Firma XX aus XX auf mindestens 49 Baustellen Maurer- und Fliesenlegerarbeiten aus. Dabei handelte es sich um kleinere Maurerarbeiten im Rahmen von Renovierungs-, Reparatur- und Umbauarbeiten (insbesondere das Verputzen von Wänden) sowie überwiegend um das Kacheln neuer bzw.. zu renovierender Badezimmer und das Verfliesen von Fußböden. Der Betroffene erledigte die Arbeiten allein ohne Hilfskräfte. Die Rechnungsbeträge beliefen sich in der Regel auf 3000,- bis 8000,-- DM, wobei jeweils ein Stundensatz von 48,-- DM netto in Rechnung gestellt wurde.

Im April 2001 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeldbescheid über 3000,-- DM wegen Verstoßes gegen die Handwerksordnung (§§ 1 Abs. 1+2, 117 Abs. 1 Nr. 1 HandwO) erlassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

1. Das Urteil kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil nicht auszuschließen ist, dass - zumindest teilweise - aufgrund des Bußgeldbescheides aus April 2001 das Verfolgungshindernis des § 84 Abs. 1 OWiG vorliegt. Das genannte Bußgeldverfahren hat einen Verstoß gegen § 117 Abs. 1 Nr. 1 HandwerksO zum Gegenstand, der zu der Bußgeldbestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzarbG in Gesetzeskonkurrenz steht, wobei letztere Bestimmung vorgeht (vgl. Ambs in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, § 1 Rdnr. 27 und Handwerksordnung § 117 Rdnr. 7 m. Nachw.). In beiden Fällen handelt es sich um Dauerordnungswidrigkeiten, bei deneno nicht die einzelne Tätigkeit für sich gesehen bußgeldbedroht ist, vielmehr die Gesamtheit der Aktivitäten im Rahmen des ausgeübten Handwerksbetriebes (vgl. Ambs in Erbs/Kohlhaas, a. a. 0., Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, § 1 Rdnr. 20 und Handwerksordnung § 117 Rdnr. 7). Eine rechtskräftige Verurteilung nach § 117 Handwerks0 würde eine neue Verfolgung des Betroffenen wegen derselben Tat unzulässig machen. Über das Vorliegen von Verfahrenshindernissen entscheidet an sich das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen im Freibeweisverfahren mit allen verfügbaren und zulässigen Beweismitteln (vgl. KKSteindorf, OWiG, 2. Aufl., § 79 Rdnr. 102). Die Prüfung, ob die Sperrwirkung des rechtskräftigen Bußgeldbescheides aus April 2001 teilweise die in dem angefochtenen Urteil festgestellte Tätigkeit des Betroffenen erfasst, ist dem Senat jedoch nicht möglich, weil weder in dem angefochtenen Urteil nähere Feststellungen zu dem Bußgeldbescheid aus April 2001 getroffen worden sind noch sich aus den Akten der Bußgeldbescheid ergibt noch sich auch nur nachvollziehen läßt, welche Behörde ihn erlassen hat. Der Senat hat deshalb von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, statt eigener Ermittlungen das amtsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen (vgl. BGHSt. 16, 399. 403 f; Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß 5. Aufl. S. 153). Dafür spricht auch, dass die insoweit zu treffenden Feststellungen für den hier zu fällenden Schuldspruch relevant werden könnten, weil der Schuldumfang davon möglicherweise abhängt; das würde das Freibeweisverfahren verbieten (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer, a.a.O. S. 131 ff).

2. Davon abgesehen tragen die Feststellungen den Schuldspruch nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzarbG nicht. Die tatbestandliche Voraussetzung des Betriebs eines Handwerks lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Handwerksbetrieb ist nur der Betrieb, der einer der in der Anlage A zur HandwerksO aufgezählten Gewerbearten entspricht. Die Feststellung, dass die Tätigkeiten in den Bereich eines Handwerks fallen, reicht jedoch nicht aus, einen Betrieb als Handwerksbetrieb zu qualifizieren. Zwar kommt es nicht darauf an, dass in vollem Umfang ein handwerksfähiges Gewerbe ausgeübt wird. Ein Handwerksbetrieb kann auch vorliegen, wenn in ihm Tätigkeiten ausgeübt werden, die nur Teilbereiche eines Gewerbes aus Anlage A der HandwerksO umfassen. Erforderlich ist aber, dass die ausgeführten Tätigkeiten zu den "wesentlichen Tätigkeiten" des betroffenen Handwerks gehören. Es muss sich bei den Tätigkeiten, Verrichtungen und Arbeitsweisen um solche handeln, die den Kernbereich gerade dieses Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge verleihen. Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes als untergeordnet erscheinen, also lediglich einen Randbereich des betreffenden Handwerks erfassen, vermögen demnach die Annahme eines handwerklichen Betriebes nicht zu rechtfertigen (vgl. Senatsbeschluß vom 23. August 2000 - 322 Ss 69/00 (OWi) - m.w.N.).

Dies trifft nicht nur auf die Arbeitsvorgänge zu, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades keine qualifizierten Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen. Vielmehr gehören hierzu auch solche Tätigkeiten, die zwar anspruchsvoll, aber im Rahmen des Gesamtbildes des betreffenden Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten verlangen, auf welche die einschlägige handwerkliche Ausbildung hauptsächlich ausgerichtet ist (vgl. BVerwGE 87, 191, 194 = GewArch 1991, 231, 232; BVerwG GewArch 1992, 107 und 386; BayVGH GewArch 1998, 75, 76). Maßgeblich für die Annahme eines Handwerks und den Ausschluss eines Minderhandwerks ist in den Fällen, in denen die Arbeiten nur einen Teilbereich eines Handwerks abdecken, dass die Arbeiten in dessen Kernbereich fallen und ihm sein wesentliches Gepräge geben. Fallen in einem Betrieb nur solche Tätigkeiten an, die ohne Beherrschung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die allein in handwerklicher Schulung erworben werden können, einwandfrei und gefahrlos ausgeübt werden können, liegt nur ein nichteintragungspflichtiges Minderhandwerk vor. Wird dagegen auch nur eine wesentliche Teiltätigkeit eines Handwerks ausgeübt, ist die Grenze zum erlaubnisfreien Minderhandwerk überschritten (vgl. Ambs in Erbs/Kohlhaas, a.a.O. Handwerksordnung § 1 Rdn. 8 m. w. N.). Bei der Abgrenzung ist die Ausstrahlungswirkung von Art. 12 Abs. 1 GG zu beachten (BVerfG GewArch 2000, 240). Deshalb sind tatsächliche Feststellungen nötig, ob die Tätigkeit des Betroffenen die Anwendung der Handwerksordnung erforderlich erscheinen läßt (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Juli 2002 - 222 Ss 83/02 (Owiz)-).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es bleibt offen, welcher Art die "kleineren Maurerarbeiten im Rahmen von Renovierungs-, Reparatur- und Umbauarbeiten" waren und welchen Umfang sie hatten, so dass nicht überprüfbar ist, ob sie dem Kernbereich des Handwerks der Maurer und Betonbauer zuzurechnen sind. Das ist insbesondere für Putzarbeiten nicht selbstverständlich. Gleiches gilt für "das Kacheln neuer bzw. zu renovierender Badezimmer" und "das Verfliesen von Fußböden". Ohne Angaben zu dem genauen Inhalt und Umfang der Arbeiten, der sich nicht allein aus der Höhe der Rechnungsbeträge ableiten lässt, ist die Nachprüfung ausgeschlossen, ob es sich um Tätigkeiten aus dem Kernbereich des Fliesenlegerhandwerks handelte. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, fehlt es an der nötigen Abgrenzung zu ebenfalls durchgeführten Ausbesserungsarbeiten sonstiger Art, die keine besonderen Fachkenntnisse voraussetzen, sodass bisher auch der Schuldumfang nicht genügend abgrenzbar wäre. Die getroffenen Urteilsfeststellungen sind insoweit unvollständig und lückenhaft, als sie es dem Senat nicht erlauben, zu überprüfen, ob die in dem konkreten Betrieb des Betroffenen anfallenden Arbeiten ohne Beherrschung der in handwerklicher Schulung erworbenen Kenntnisse und Handfertigkeiten gefahrlos und einwandfrei ausgeübt werden können und nur eine in kurzer Anlernzeit anzueignende Vertrautheit mit den vorhandenen Maschinen, Werkzeugen und Arbeitsmaterialien sowie den anfallenden Arbeitsvorgängen verlangen. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, die handwerklichen Arbeiten, die der Betroffene ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt hat, im Einzelnen - für jeden Auftrag - nach Art, Umfang, Zeit und Ort darzulegen(vgl. OLG Düsseldorf GewArch 2000, 289; 1996, 207; OLG Hamm GewArch 2000, 79, 80) wie auch den Umfang der für die Ausführung dieser Arbeiten erforderlichen Kenntnisse und die Dauer der für deren Erlangung erforderlichen Ausbildung (vgl. BayObLG GewArch 1989, 167, 168).

3. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der Inhalt von Urkunden nicht im Wege der Augenscheinseinnahme wirksam in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann; es bedarf dazu regelmäßig des Urkundenbeweises.

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