Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht
GewArch 1998, S. 386
Abschrift
Geschäftsnummer 0 101/97 KfH II verkündet am 17.12.1997
In Sachen
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Klägerin -
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gegen
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Beklagte -
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Wegen Verstoß gegen UWG
hat die Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Karlsruhe
auf die mündliche Verhandlung vom 17.12.1997 durch
Vorsitzenden Richter am Landgericht
Pröf. Dr. Parmentier als Vorsitzenden
Handelsrichter Engelhardt
Handelsrichter Keller als beisitzende Handelsrichter
Die Klägerin bietet als in die Handwerksrolle eingetragener Handwerksbetrieb individuelle Computersysteme einschließlich deren Installation an. Die auf dem gleichen Gebiet tätige Beklagte, die nicht in der Handwerksrolle eingetragen ist, wirbt in einem Rundschreiben an Zahnärzte für die Erstellung von Novell-Netzwerken sowie technischem Kundendienst und einem Vor-Ort- und Werkstattservice zu günstigen Konditionen; sie verweist auch auf ihren überzeugenden technischen Kundendienst.
Die Klägerin ist der Ansicht, daß die von der Beklagten angebotenen Leistungen handwerklicher Art seien und nur von einem in die Handwerksrolle eingetragenen Betrieb angeboten werden dürften, wie sich schon aus § 1 Ziff. 2 der Verordnung über das Berufsbild für das Büroinformationselektroniker-Handwerk ergebe.
Die Klägerin beantragt im Wege der Stufenklage:
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte ist der Ansicht, daß ihre Tätigkeit keine handwerkliche sei, und trägt vor:
Ihr Geschäftsbetrieb unterfalle dem Begriff des in den Zuständigkeitsbereich der Industrie- und Handelskammern fallenden Ausbildungsberufes Fachinformatiker Fachrichtung Systemintegration. Vor und nach Aufnahme ihres Geschäftsbetriebes im Jahre 1988 habe sie mehrfach Auskünfte der Handwerkskammer in Karlsruhe und Stuttgart erhalten, daß ihre Tätigkeit kein Handwerk darstelle und deshalb keine Notwendigkeit zur Anmeldung in der Handwerksrolle bestehe. Jedenfalls übersteige ihre Tätigkeit nicht die Erheblichkeitsgrenze des § 3 Abs. 2 bzw. § 3 Abs. 3 Ziff. 2 d) HandwO.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem gleichen örtlichen Markt. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, daß ihr die Werbung der Beklagten von einem ihrer eigenen Kunden übergeben wurde. Damit steht fest, daß der Bereich, in dem die Klägerin tätig ist, sich mit demjenigen, in dem die Beklagte wirbt, überschneidet.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die Tätigkeit des Unternehmens der Beklagten unterfällt nicht den Vorschriften der Handwerksordnung.
Zur Annahme einer der Handwerksordnung unterfallenden handwerklichen Tätigkeit reicht es nicht aus, daß Tätigkeiten ausgeführt werden, die in den Vorschriften der Handwerksordnung oder; den Beschreibungen der handwerklichen Ausbildungs- oder Prüfungsvorschriften genannt werden; es muß sich vielmehr um wesentliche Handwerkstätigkeiten handeln, die den Kernbereich eines Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge geben. Andernfalls liegt ein der Handwerksordnung nicht unterfallendes sogenanntes Minderhandwerk vor (BGH GRUR 1992, 123, 124). Die mit einer "Hardware-Betreuung", einem "Vor-Ort- bzw. Werkstatt-Service" oder der Reparatur von PC's zusammenhängenden Arbeiten sind sämtlich solcher Art, daß sie keine speziellen handwerklichen Fähigkeiten aus dem Bereich des Büroinformationselektroniker-Handwerks erfordern. Die hierzu nötigen Feststellungen kann das Gericht aufgrund eigener Kenntnisse, die der Vorsitzende durch regelmäßigen langjährigen Umgang mit Personalcomputern aller Art einschließlich des Ersatzes und des Austauschs von Erweiterungen durch zusätzliche Karten erworben hat, selbst treffen. Die Herstellung von Personalcomputern besteht überwiegend daraus, daß von Zulieferern vorgefertigte Bauteile wie Netzteil, Platinen, Laufwerke oder andere Bauteile nur noch zusammengefügt, d.h. in ein Gehäuse geschraubt oder gesteckt werden. Dabei werden schon von Herstellerseite aus in den meisten Fällen zusätzliche Steckplätze freigelassen, die den Erwerber des Rechners mit Bausteinen seiner Wahl nachträglich ausstatten kann. Da die Industrie weiß, daß dieser Benutzer keine handwerkliche Ausbildung hat, sie aber andererseits am Umatz mit solchen Erweiterungsbauteilen interessiert ist, achtet der Hersteller schon aus diesem Grunde auf eine möglichst einfache, mit wenigen Handgriffen und auch dem Laien mögliche Ausführung solcher Erweiterungen. Dementsprechend ist im Innern eines Rechners das Hochspannungsnetzteil, in dem alleine die gefährliche Netzspannung von 220 Volt ansteht, in einem eigenen verschlossenen Abteil untergebracht, so daß beim Öffnen des Gehäuses und beim Durchführen von Erweiterungsarbeiten die Netzspannung mit Sicherheit nicht berührt werden kann.
Hinzufügen oder Austauschen von Bauteilen im Rechner verlangt somit unter keinen Umständen besondere handwerkliche Fähigkeiten.
Auch im Bereich des Zubehörs, dessen Wartung und Reparatur von der Beklagten ebenfalls bewerben wird, fallen keine Tätigkeiten an, die als wesentliche handwerkliche Tätigkeiten bezeichnet werden können. Drucker sind schon so ausgelegt, daß Verschleißteile wie Druckköpfe, Patronen oder Tonerbehälter auch vom Laien auf einfachste Art und Weise ausgewechselt werden können; andernfalls wären sie unverkäuflich. Im Bereich des Monitors sind Eingriffe in das Gerät weitgehend unüblich, weil bei Ausfall des Geräts der Austausch bzw. die Einsendung an den Hersteller oder an von diesem bestimmte Reparaturwerkstätten praktisch die einzige Art und Weise sind, mit denen Monitorprobleme heute angegangen werden. Kein Handwerker hat die Kenntnisse die zu echten Eingriffen in die Geräte der zahlreichen verschiedenen Hersteller nötig wären. Kein Verbraucher erwartet auch heute, daß der Reparturservice der Beklagten derartige Eingriffe in das Innere des Geräts vornimmt.
Unter diesen Umständen ist eine Irreführung der beworbenen Verkehrskreise durch die Werbung der Beklagten nicht festzustellen. Diese erwarten von der von der Beklagten angeborenen Dienstleistung gerade keine speziell handwerklichen Fähigkeiten aus einem der Berufsbilder der Handwerksordnung. Die von einem PC-Service erwarteten Dienstleistungen liegen vielmehr ganz überwiegend auf dem Softwaregebiet die eindeutig nicht zum handwerklichen Bereich gezählt werden können. Es kann deswegen dahingestellt bleiben, ob sich die Beklagte bewußt und planmäßig über Vorschriften der Handwerksordnung hinweggesetzt hat. Selbst wenn man berücksichtigt, daß spätestens seit der Abmahnung die Beklagte Veranlassung hatte, sich über die entsprechenden Vorschriften zu unterrichten und ihr Verhalten darauf einzurichten, müßte doch berücksichtigt werden, daß die Tätigkeit der Beklagten von den einschlägigen Verbänden einerseits aus dem Bereich des Handwerks, andereseits aus dem Bereich von Handel und Industrie durchaus kontrovers beurteilt wird.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO und vorläufig vollstreckbar gemäß § 709, 108 ZPO abzuweisen. Bei der Festsetzung des Streitwerts war entgegen der vorläufigen Festsetzung zu berücksichtigen, daß es sich nicht um eine Verbandsklage, sondern um die Klage eines unmittelbaren Wettbewerbers handelt, die streitwertmäßig höher anzusetzen ist.
Prof. Dr. Parmentier Engelhardt Keller
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