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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Bundesverwaltugnsgericht - Urteil vom 21. Dezember 1993 - BVerwG 1 C 1.92

(siehe auch Gewerbearchiv 10/92 S. 386)

Bei der Verwertung des Urteils muß berücksichtigt werden, dass sich seit der Entscheidung der Regelungszweck für die Handwerksordnung geändert hat. Regelungszeck für den Meisterzwang ist nun die Abwehr von Gefahren für Gesundheit und Leben von Dritten.

Abschirft

Sachgebiet: Handwerksrecht
Rechtsquellen:
GG Art. 12 Abs. 1
HwO § 1 Abs. 2 und 3, § 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1
GewO § 14 Abs. 2 Satz 2 i.d.F. vom 26. Juli 1900 (RGB1 5. 871), § 30 c i.d.F. vom 21. April 1938 (RGB1 1 S. 14014)
Erste Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Deutschen Handwerks vom 15. Juni 1934 (RGB1 1 S. 493)
Erlaß des Bundesministers für Wirtschaft zur Änderung des Berufsbildes für den Lehrberuf "Buchdrucker" vom 30. März 1951 (BWMB1 S. 193)
Verordnung über das Berufsbild des Drucker-(Buchdrucker-)Handwerks vom 8. Januar 1969 (BGBl. I S. 39)
Druckermeisterverordnung vom 16. August 1989 (BGBl I S. 11148)

Stichworte:

Buchdrucker; Buchdruckergewerbe; Schriftsetzer; Drucker; Druckverfahren; Hochdruck; Flachdruck; Offsetdruck; Berufsbild; Nebenbetrieb.

Leitsätze:

1. Der Offsetdruck wird nicht von Nr. 108 der Anlage A zur Handwerksordnung erfaßt.

2. Erweiterungen der in Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführten Gewerbe kann nur der Gesetzgeber vornehmen.

Urteil des 1. Senats vom 21. Dezember 1993 - BVerwG 1 C 1.92
I. VG Arnsberg vom 24.11.1988 - Az. : VG 1 K 557/87 -
II. OVG Münster vom 25.10.1991 - Az.: OVG 23 A 2809/88 -

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

BVerwG 1 C 1.92
OVG 23 A 2809/88
Verkündet am 21. Dezember 1993
Höhn Justizhauptsekretrin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 1993
durch den Vorsitzenden Richter Meyer die Richterin Dr. Scholz - Hoppe und die Richter Gielen‚ Dr. Kemper und Dr. Mallmann

für Recht erkannt:

Gründe:

I.

Die Klägerin betreibt eine Druckerei. Sie ist mit ihrem Betrieb in der Handwerksrolle der Beklagten sowie im Handelsregister eingetragen.

Ab 1975 stellte der Inhaber der Klägerin den von seinem Vater übernommenen Betrieb weitgehend auf den Offsetdruck um. Im März 1985 erklärte die Klägerin, die vorwiegend Werbeprospekte, Kataloge und Preislisten fertigt, gegenüber der Beklagten die "Kündigung" ihrer "Mitgliedschaft bei der Handwerkskammer". Die Beklagte wertete diese Mitteilung als Antrag auf Löschung der Eintragung in die Handwerksrolle und wies diesen Antrag mit Bescheid vom 19. August 1986 zurück mit der Begründung, der Offsetdruck sei eine Tätigkeit des Druckerhandwerks. Die Klägerin betreibe ihr Gewerbe auch in handwerklicher Betriebsweise. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 1987 als unbegründet zurück. Die Klägerin hat Klage erhoben, der das Verwaltungsgericht stattgegeben hat.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten im wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen: Die Klägerin habe einen Anspruch auf Löschung in der Handwerksrolle, da die Voraussetzungen für ihre Eintragung nicht (mehr) vorlägen. Es könne dahinstehen, ob vorliegend eine handwerksmäßige Betriebsweise gegeben sei. Denn jedenfalls handele es sich bei dem von der Klägerin in ganz überwiegendem Maße betriebenen Offsetdruck nicht um ein handwerksfähiges Gewerbe. Der Offsetdruck werde nicht von Nr. 108 der Anlage A zur Handwerksordnung (sog. Positivliste) erfaßt. Für die Klärung der Frage, was der Gesetzgeber im Jahre 1953 unter dem Handwerk des Buchdruckers verstanden habe, sei in erster Linie auf die Bedeutung dieses Begriffes in der Fachsprache zurückzugreifen. Hiernach zähle der Offsetdruck nicht zum Arbeitsgebiet des Buchdruckers. Davon sei der Gesetzgeber bei der Aufnahme des "Buchdruckers" in die Positivliste jedenfalls nicht soweit abgewichen, daß hierunter auch der Offsetdruck gefallen wäre. Bei der Beurteilung der in die Positivliste aufgenommenen Gewerbe sei der Ausschuß für Wirtschaftspolitik des Bundestages von den damals gültigen Berufsbildern ausgegangen. Danach sei abzustellen auf den Erlaß des Bundesministers für Wirtschaft zur Änderung des Berufsbildes für den Lehrberuf "Buchdrucker' vom 30. Mai 1951, der dessen Arbeitsgebiet nicht druckverfahrensneutral bestimmt habe, sondern unter genauer Bezeichnung ausgewählter Druckverfahren und der zur Verwendung kommenden Maschinen. Danach sei das Arbeitsgebiet des Buchdruckers nicht das Drucken von Drucksachen aller Art, sondern nur das Drucken "mit Buchdruck und Anilingummidruck- und Tiefdruckmaschinen", wobei sogar die beiden letztgenannten Arten lediglich "in Gemischtbetrieben" vom Arbeitsgebiet umfaßt worden seien. Die Abgrenzung des Buchdrucker-Handwerks von verwandten Gewerben sei nach der benutzten Verfahrenstechnik vorzunehmen gewesen.

Die weitere historische Entwicklung ändere nichts an dieser Abgrenzung. Die Regelungen der Druckermeisterverordnung vom 16. August 19814 könnten nicht dazu führen, daß ein ganzes Druckverfahren, das nach dem Willen des Gesetzgebers unzweifelhaft nicht zum Arbeitsgebiet eines "Buchdruckers" gehöre, künftig Teil seines Arbeitsgebietes sei. Im übrigen lasse sich aus der durch die Druckermeisterverordnung abgelösten Verordnung über das Berufsbild des Drucker-(Buchdrucker-)Handwerks vom 8. Januar 1969 entnehmen, daß jedenfalls damals noch der Verordnungsgeber den Offsetdrucker nicht als Buchdrucker angesehen habe. Zu keinem anderen Ergebnis führe schließlich der dynamische Handwerksbegriff. Soweit die Klägerin im Rahmen des Hochdruckverfahrens tätig werde, rechtfertige auch diese Tätigkeit nicht ihre Eintragung in die Handwerksrolle, da sie nur in einem unerheblichen Umfange ausgeübt werde.

Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie trägt u.a. vor, bereits vor Inkrafttreten der Handwerksordnung seien in handwerklichen Druckereien alle Druckverfahren unter Einschluß des Offset-Verfahrens betrieben worden. Weil dieses Verfahren seinerzeit noch weniger entwickelt gewesen sei, sei es im Berufsbild von 1951 nicht erwähnt worden. Hieraus könne nicht auf die Absicht des Gesetzgebers geschlossen werden, das Offset-Druckverfahren aus Nr. 86 (später Nr. 108) der Positivliste auszuschließen. Für ein solches Vorgehen hätte es keinen vernünftigen und einleuchtenden Grund gegeben. Wie sich aus dem erwähnten Berufsbild ergebe, sei der Begriff des Buchdruckers vielmehr schon damals auf mehrere Verfahren hin geöffnet gewesen, die als Schwerpunkte entsprechend dem damaligen technologischen Entwicklungsstand hervorgehoben worden seien.

Es sei von einer verfahrensneutralen Ausgestaltung der Positivliste auch im vorliegenden Zusammenhang auszugehen, die Spielraum lasse für einen Übergang in neue Druckverfahrenstechnologien und auch für eine neue Schwerpunktbildung. Erst als der Schwerpunkt der Druckverfahrenstechnik umgeschlagen sei, habe der Verordnungsgeber mit der Druckermeisterverordnung vom 16. August 198L1 auch förmlich die Anforderungen geändert, indem er sie auf das Offset-Druckverfahren zugeschnitten habe. Weiterhin entfalte der dynamische Handwerksbegriff auch dort seinen Sinn, wo es darum gehe, aus der Sicht des gesamten Handwerks - hier des Druckerhandwerks - den Inhalt des handwerksfähigen Gewerbes zu ermitteln. Schließlich rechtfertige bereits die verbleibende Tätigkeit der Klägerin im Bereich des Handwerksverfahrens die Eintragung in die Handwerksrolle. Insoweit fehle es an einem selbständigen, vom Hauptbetrieb abgetrennten Be- triebsteil und damit an einem Nebenbetrieb.

Die Beklagte beantragt,

Die Klägerin beantragt,

Sie tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.

II.

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Löschung ihrer Eintragung in die Handwerksrolle, da die Voraussetzungen für die Eintragung nicht (mehr) vorliegen (§ 13 Abs. 1 des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks in der Fassung vom 28. Dezember 1965, BGB1 1966 I S. 1, zuletzt geändert durch Art. 57 des EWR-Ausführungsgesetzes vom 27. April 1993, BGBl I S. 512).

Die Eintragung in die Handwerksrolle setzt ein zu betreibendes Handwerk voraus (§§ 7 f. HwO). Hieran fehlt es, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 HwO nicht (mehr) gegeben sind.

Ein Gewerbebetrieb ist nach § 1 Abs. 2 HwO ein Handwerksbetrieb, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und vollständig oder in wesentlichen Tätigkeiten ein Gewerbe umfaßt, das in der Anlage A zur Handwerksordnung ("Positivliste") aufgeführt ist.

Es kann offenbleiben, ob vorliegend eine handwerksmäßige Betriebsweise gegeben ist. Jedenfalls handelt es sich bei dem von der Klägerin in ganz überwiegendem Maße betriebenen Offsetdruck nicht um ein handwerksfähiges Gewerbe.

1. Der Offsetdruck wird nicht von der allein in Betracht kommenden Nr. 108 der Anlage A zur Handwerksordnung erfaßt, in der aufgeführt ist: "Buchdrucker: Schriftsetzer; Drucker". Diese Umschreibung war bereits in der ersten Fassung der Handwerksordnung vom 17. September 1953 (BGBl I S. 1411), damals noch unter Nr. 86, enthalten.

Aus dieser Fassung des Gesetzes ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 18, 226 <227 f.>) unter Berücksichtigung der dabei verwendeten Satzzeichen zu schließen, daß in Nr. 108 der Positivliste nicht verschiedene Handwerksberufe nebeneinander aufgeführt sind, die wegen ihrer fachlichen Verwandtschaft in einer Nummer zusammengefaßt wurden, sondern daß die Handwerksordnung nur ein Handwerk des Buchdruckers kennt und daß als solcher in die Handwerksrolle eingetragen werden kann, wer den Befähigungsnachweis entweder als Schriftsetzer oder Drucker erbracht hat.

Die Fassung des Gesetzes schließt es aus, den Begriff "Drucker" als Oberbegriff anzusehen. Vielmehr folgt aus der Verwendung des Doppelpunktes hinter "Buchdrucker"‚ daß es sich bei "Schriftsetzer" und "Drucker" um Unterbegriffe zum Begriff "Buchdrucker" handelt. "Drucker" im Sinne der Nr. 108 der Positivliste ist also nicht als eigenständiges, alle Druckverfahrensarten umfassendes Gewerbe zu verstehen.

a) Auch der somit maßgebliche Begriff "Buchdrucker" kann nicht als ein alle Druckverfahrensarten umfassendes Gewerbe verstanden werden.

Hiergegen spricht zunächst der Inhalt des Begriffs "Buchdrucker" zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Handwerksordnung im Jahre 1953.

Bei der Aufzählung der einzelnen Handwerkszweige in der Anlage A zur Handwerksordnung knüpfte der Gesetzgeber an die tatsächlich bestehenden Verhältnisse, insbesondere die traditionellen Berufsbilder des Handwerks an und berücksichtigte dabei die geschichtliche Entwicklung und die typischen Besonderheiten der einzelnen Tätigkeiten (vgl. BVerfGE 13, 97 <110, 112, 117 f.>; Urteil vom 30. März 1993 - BVerwG 1 C 26.91 - Buchholz 451.45 § 16 HwO Nr. 10 S. 16; Kübler/Aberle/Schubert, Die Deutsche Handwerksordnung, Kennzahl 105, S. 20 f.). Mit der Aufnahme der einzelnen Handwerke in die Anlage A wurden diese fixiert und im Verhältnis untereinander sowie gegenüber sonstigen Gewerben abgegrenzt (vgl. auch BVerfG, a.a.O. 118).

aa) Bei der Prüfung der Frage, was der Gesetzgeber im Jahre 1953 unter dem Handwerk des Buchdruckers verstanden hat, ist die Bedeutung dieses Begriffs in der Fachsprache zu berücksichtigen. Diese rechnete den Offsetdruck nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bereits damals nicht zum Arbeitsgebiet des Buchdruckers.

In der gewerblichen Wirtschaft unterscheidet man grundsätzlich zwischen Hochdruck, Flachdruck, Tiefdruck und Durchdruck (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, 19. Aufl., Stichwort "Druckverfahren"). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts stellt der Buchdruck in der seit vielen Jahrzehnten aufrechterhaltenen Terminologie der Fachleute ein zur Gruppe der Hochdruckverfahren zählendes Druckverfahren dar; teilweise werde der Begriff Buchdruck als Synonym für Hochdruck verwendet. Deutlich unterschieden werde hiervon das Offsetdruckverfahren als (indirektes) Flachdruckverfahren, das jedenfalls bereits in den zwanziger Jahren bekannt gewesen sei.

bb) Bei der Auslegung der Nr. 108 der Anlage A ur Handwerksordnung ist weiter der Erlaß des Bundesministers für Wirtschaft zur Änderung des Berufsbildes für den Lehrberuf "Buchdrucker" vom 30. Mai 1951 - II 6 g - 1563451 - (BWMBl S. 193) zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können derartige Regelungen über handwerkliche Berufsbilder für die Frage der fachlichen Zugehörigkeit einer Tätigkeit zu einem handwerksfähigen Gewerbe mit herangezogen werden. Denn sie enthalten erläuternde Einzelheiten über das Arbeitsgebiet und die zu dessen Bewältigung benötigten Fertigkeiten und Kenntnisse (BVerwGE 25, 66 <67>; 87, 191 <193>). Dies gilt nicht nur für die aufgrund des § 45 HwO erlassenen Verordnungen, sondern auch für die vor Inkrafttreten der Handwerksordnung ergangenen entsprechenden Verwaltungsvorschriften.

Hinsichtlich des bei Inkrafttreten der Handwerksordnung bestehenden Berufsbildes ist der Erlaß vom 30. Mai 1951 von Bedeutung. Das darin enthaltene "Berufsbild des Buchdruckers" beschreibt dessen Arbeitsgebiet wie folgt:

Der Offsetdruck wird somit nicht erwähnt. Die Revision meint, von einer druckverfahrensspezifischen Ausrichtung dieses Berufsbildes und vor allem von einer Ausklammerung eines bestimmten wichtigen Druckverfahrens könne nicht ausgegangen werden, da der Begriff des "Buchdruckers jedenfalls Hochdruck-, Tiefdruck- und Anilingummidruckverfahren eingeschlossen habe, also von vornherein von der Fachsprache abgewichen sei. Dies überzeugt nicht. Der Anilingummidruck - ebenso wie der Buchdruck ein Hochdruckverfahren - wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts heute als Flexodruck bezeichnet und ist gemäß Nr. 111 der Anlage A zur Handwerksordnung ein eigenes Gewerbe, unterfällt also nicht dem Buchdruck. Weiterhin ist das Arbeitsgebiet des Buchdruckers in dem fraglichen Berufsbild nicht druckverfahrensneutral bestimmt worden, sondern unter genauer Bezeichnung ausgewählter Druckverfahren und der zur Verwendung kommenden Maschinen. Die Anilingummidruck- und Tiefdruckmaschinen werden vom Arbeitsgebiet des Buchdruckers nur erfaßt, soweit sie in "Gemischtbetrieben" geführt werden.

Darüber hinaus differenzierte das Berufsbild von 1951 zwischen den notwendigen Fertigkeiten und Kenntnissen und den lediglich erwünschten. Zu den letzteren wurde das "Kennen der verwandten Reproduktionsverfahren und der verwandten Druckverfahren" gezählt. Darin liegt eine gewollte Unterscheidung zwischen den ausdrücklich angesprochenen und den (offenbar bekannten, aber nicht unter das Berufsbild des Buchdruckers fallenden) verwandten Druckverfahren. Demnach zählte das Offset- (als Flach-) Druckverfahren bei Inkrafttreten der Handwerksordnung im Jahre 1953 nicht zum Berufsbild des Buchdruckers.

cc) Gegen ein weites Verständnis des Begriffs "Buchdrucker" spricht auch die Verordnung über das Berufsbild des Drucker-(Buchdrucker-)Handwerks vom 8. Januar 1969 (BGBl I S. 39). Danach unterfielen dem Berufsbild des Buchdruckers allein Druckarbeiten "im Buchdruck (Hochdruck)". Der Klammerzusatz macht deutlich, daß der Verordnungsgeber nur den Hochdruck in das Berufsbild einbeziehen wollte. Eine Auslegung, die den Flachdruck und damit auch den Offsetdruck in das Arbeitsgebiet des Buchdruckers einbeziehen würde, ist durch den klaren Wortlaut der Verordnung ausgeschlossen. Der Verordnungsgeber knüpfte im Jahr 1969 an das bestehende Berufsbild des Buchdruckers an. Wenn der Offsetdruck trotz seiner seit 1953 erheblich gestiegenen Verbreitung ausgeklammert blieb, so spricht das dafür, daß bei Inkrafttreten der Handwerksordnung nichts anderes galt.

b) Die uneinheitliche Verwendung des Begriffs "Buchdrucker" in der Rechtssprache vor bzw. bei Inkrafttreten der Handwerksordnung spricht jedenfalls nicht gegen das oben ausgeführte Verständnis dieses Begriffs.

Das "Verzeichnis der Gewerbe, die handwerksmäßig betrieben werden können", das aufgrund der Ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 15. Juni 1934 (RGB1 1 S. 1193) im Deutschen Reichsanzeiger vom 8. Dezember 19311 (Nr. 287) veröffentlicht wurde, stellt eine Vorläuferregelung zur Anlage A zur Handwerksordnung dar. In diesem Verzeichnis sind unter Nr. 6 aufgeführt:

Es kann dahingestellt bleiben, ob trotz der durch Kommata getrennten Aufzählung der Begriffe "Buchdrucker" den Oberbegriff für die folgenden Berufe darstellt. Jedenfalls orientiert sich die Bestimmung an einzelnen Drucktechniken. Der Offsetdruck wird nicht erwähnt, was dafür spricht, daß er nicht unter Nr. 6 fallen sollte, zumal andere Bestimmungen aus den Jahren 1934/35 den Offsetdruck ausdrücklich nicht dem Buchdruck zurechnen (vgl. die eindeutige Trennung zwischen Buchdruck einerseits und Stein- und Offsetdruck andererseits in der "Anordnung des Führers der Wirtschaftsgrupp Druck- und Papierverarbeitung" vom 21. September 19311 , aus der sich des weiteren ergibt, daß der Buchdruck mit dem "Deutschen Buchdrucker-Verein" und der Offset- bzw. Steindruck mit dem "Verband Deutscher Offset- und Steindruckereibesitzer" über getrennte Verbände verfügten; ähnlich ist der Sprachgebrauch in der Anordnung einer Marktregelung für das Graphische Gewerbe vom 7. Juni 1935 ).

Durch Verordnung des Reichswirtschaftsministers vom 21. April 1938 (RGB1 1 S. 14014) wurde in die Gewerbeordnung § 30 c eingefügt. Danach durfte der Betrieb des Buchdruckergewerbes nur von solchen Personen ausgeübt werden, die im Besitz eines Prüfungszeugnisses waren. Diese Bestimmung läßt nicht erkennen, was unter "Buchdruckergewerbe" zu verstehen ist. § 1 der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung vom 2. April 1940 (RGBl I S. 601) geht von einem weiten Begriff des Buchdruckergewerbes aus ("wer Druckerzeugnisse aller Art und in allen Druckverfahren ... herstellt"). Andererseits sah § 14 Abs. 2 Satz 2 GewO in der auch 1953 bei Inkrafttreten der Handwerksordnung noch geltenden Fassung vom 26. Juli 1900 (RGBl S. 871) eine Anzeigepflicht u.a. für "Buch- und Steindrucker" vor. Der Steindruck (eine Technik des Flachdrucks) wurde also nicht dem Buchdruck zugeschlagen. Eine Abstimmung mit § 30 a GewO ist nicht erkennbar.

c) Entscheidend spricht die Systematik der Anlage A zur Handwerksordnung gegen eine Einbeziehung des Offsetdrucks in deren Nr. 108.

In der ursprünglichen Fassung der Handwerksordnung vom 17. September 1953 wurden die hier interessierenden Gewerbe wie folgt bezeichnet:

Dabei betraf Nr. 88 Arten der Druckformenherstellung. Hätte der Gesetzgeber einen umfassenden, die anderen Druckverfahren einbeziehenden Begriff des Buchdruckers gewünscht, so wäre jedenfalls Nr. 87 überflüssig gewesen.

Mit der Novellierung der Handwerksordnung vom 28. September 1965 (BGBl 1966 I S. 1) erhielt der in Rede stehende Teil der Positivliste folgende Fassung:

Neu aufgenommen wurden also Siebdrucker und Flexografen, gestrichen Lithographen und Xylographen. Die Ergänzung der Positivliste um Siebdrucker und Flexografen verdeutlicht, daß der Gesetzgeber mit dem Buchdrucker im Sinne der Nr. 108 nicht ein Berufsbild des Druckers schaffen wollte, das alle Druckverfahrensarten einschließt. Anderenfalls hätte es dieser Ergänzung nicht bedurft.

Der Gesetzgeber wollte nicht ein bestimmtes oder bestimmte Druckverfahren (Hoch-, Flach-, Tief- und Durchdruck) insgesamt als handwerksfähig bezeichnen. Vielmehr wurden ausgewählt

- aus dem Bereich des Hochdruckverfahrens der Buchdruck und der Flexograf (früher Anilingummidruck)

- aus dem Bereich des Flachdruckverfahrens der Steindruck

- aus dem Bereich des Durchdruckverfahrens der Siebdruck.

Dieses selektive Vorgehen schließt einen den Offsetdruck einbeziehenden weiten Begriff des Buchdruckers aus.

d) Die aufgrund des § 145 HwO ergangene Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Drucker-(Buchdrucker-)Handwerk (Druckermeisterverordnung - DruckMstrV) vom 16. August 1984 (BGBl I S. 1148) vermag nichts daran zu ändern, daß Nr. 108 der Positivliste nicht den Offsetdruck umfaßt. Die Anlage A ist Bestandteil der Handwerksordnung (vgl. die. Verweisung in § 1 Abs. 2), mithin eines Gesetzes im formellen Sinn. Erweiterungen der in Anlage A aufgeführten Gewerbe kann nur der Gesetzgeber vornehmen. Entsprechend ist dieser bei der Novellierung der Handwerksordnung vom 29. September 1965 verfahren, ohne allerdings den Offsetdruck in die Anlage A einzubeziehen. Dagegen konnte das Gewerbe des "Buchdruckers im Sinne der Nr. 108 der Positivliste nicht durch eine bloße Rechtsverordnung erweitert werden. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Druckermeisterverordnung vom 16. August 19811 druckverfahrensneutral ausgestaltet ist.

Eine sich auf Nr. 108 der Positivliste beziehende Rechtsverordnung ist nicht aufgrund von § 1 Abs. 3 HwO ergangen. Auch eine derartige Rechtsverordnung könnte im übrigen nicht zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Anlage A führen. 1 Abs. 3 HwO ermächtigt nämlich die Exekutive nur zu den in dieser Vorschrift bezeichneten Änderungen, nicht aber zu Erweiterungen der Positivliste (vgl. Urteil vom 25. Februar 1969 - BVerwG 1 C 60.65 - Buchholz 451.45 § 1 HwO Nr. 14 S. 8 = GewArch 1969, 107 <109>).

Aus dem dynamischen Handwerksbegriff ergibt sich nichts Abweichendes. Dieser Handwerksbegriff bietet keine rechtliche Handhabe dafür, einen bisher erlaubnisfreien Beruf ohne Änderung der Positivliste zu einem erlaubnispflichtigen Beruf zu machen. Der dynamische Handwerksbegriff besagt - soweit es hier interessiert - im wesentlichen, daß sich das Handwerk als solches der technischen Entwicklung anpassen und sich diese Entwicklung zunutze machen darf, ohne Gefahr zu laufen, dadurch die Handwerkseigenschaft zu verlieren. So gesehen erweist sich der dynamische Handwerksbegriff als Anpassung an die wirtschaftliche Wirklichkeit und als ein Bestandsschutz für das Handwerk. Es kann offenbleiben, ob dieser Handwerksbegriff, wie die Revision meint, auch für die Ermittlung des Inhalts eines handwerksfähigen Gewerbes Bedeutung haben kann. Jedenfalls läßt sich aus dem dynamischen Handwerksbegriff nicht herleiten, daß allein aufgrund der tatsächlichen Entwicklung das Gebiet der handwerklichen Betätigung erweitert und die vom Grundgesetz gewährleistete Berufsfreiheit insoweit eingeschränkt werden könnte, ohne daß der Gesetzgeber von der ihm eingeräumten Regelungsbefugnis des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG Gebrauch macht (vgl. BVerwGE 25, 66 <71>; Urteil vom 25. Februar 1969 a.a.O.).

2. Auch die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen des Hochdruckverfahrens erfüllt nicht die Voraussetzungen für ihre Eintragung in die Handwerksrolle. Zwar handelt es sich hierbei um eine Tätigkeit im Rahmen eines handwerklichen Nebenbetriebs im Sinne des § 2 Nr. 3, § 3 Abs. 1 HwO. Ein solcher erfordert, daß die handwerkliche Tätigkeit eine wirtschaftliche sowie fachliche Verbundenheit mit dem Hauptbetrieb aufweist, diesem gegenüber aber wirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung ist (Urteil vom 19. August 1986 - BVerwG 1 C 2.84 - Buchholz 451.45 § 2 HwO Nr. 7 S. 9). Ferner wird eine gewisse Selbständigkeit vorausgesetzt. Ob diese gegeben ist, hängt von den Umständen des konkreten Falles ab (vgl. Urteil vom 25. Februar 1992 - BVerwG 1 C 27.89 - Buchholz 451.45 § 1 HwO Nr. 23 S. 18 f.). Ziel des § 3 Abs. 1 HwO ist es, die Gleichbehandlung aller handwerklichen Betriebe - auch soweit sie zu einem Hauptbetrieb gehören - zu erreichen. Bei der Anwendung des § 3 Abs. 1 HwO kommt es also darauf an, ob die für Dritte erbrachten Leistungen ihrer Vorbereitung und Ausführung nach dem entsprechen, was ein selbständiger Handwerker unter den gleichen tatsächlichen Voraussetzungen leisten würde (vgl. BVerwGE 314, 56 <58>). Dabei ist eine organisatorische Selbständigkeit nicht erforderlich (a.a.O. S. 58).

Diese Voraussetzungen erfüllt die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von der Klägerin im Hochdruckverfahren vorgenommene Herstellung von Privatdrucksachen in kleinsten Auflagen. Diesen von Nr. 108 der Positivliste erfaßten Arbeiten kann gegenüber der Tätigkeit der Klägerin im Offsetverfahren eine gewisse Selbständigkeit nicht abgesprochen werden. Sie stellen deutlich unterscheidbare Leistungen dar, durch die der handwerkliche Betriebsteil den Charakter einer in sich abgrenzbaren Einheit erhält (vgl. BVerwGE 67, 273 <279>). Da es sich aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts um eine Tätigkeit in unerheblichem Umfang im Sinne des § 3 Abs. 2 HwO handelt, die höchstens ein Prozent des Umsatzes der Klägerin ausmacht, gelten die Vorschriften der Handwerksordnung für selbständige Handwerker gemäß § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 1 HwO insoweit nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Meyer, Scholz-Hoppe, Gielen, Kemper, Mailmann

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 6 000 DM festgesetzt.

Meyer Gielen Malimann

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