Ausreichende Beweise für Schwarzarbeit fehlen/ Oberstaatsanwalt fordert zwei neue Hausdurchsuchungen/ Angebliches Vergehen nach der Handwerksordnung seit 2015 verjährt
Verden/Celle. Das Verfahren gegen einen Raumausstatter aus Wietze wurde gestern eingestellt. Der Handwerker wehrte sich seit 9 Jahren vor Celler Gerichten gegen den Vorwurf der unerlaubten Handwerksausübung und der Schwarzarbeit. Die Kosten von mehreren zehntausend Euro muss die Landeskasse übernehmen.
Nach zuletzt drei Verhandlungstagen vor dem Amtsgericht, der Vernehmung von rund 20 Zeugen und einer umfangreichen Stellungnahme eines gerichtlich bestellten Gutachters, sah die Richterin keine stichhaltigen Beweise für die vom Ordnungsamt und dem Oberstaatsanwalt vehement vorgebrachten Beschuldigungen. Insbe- sondere konnte dem Beklagten nicht nachgewiesen werden, dass er gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen hat. Dazu hätten meisterpflichtige Dienst- oder Werkleistungen in „erheblichem Umfang“ erbracht werden müssen. Weniger als 3.500 Euro Umsatz in rund eineinhalb Jahren ergäben aber nur einen unerheblichen Umfang, stellte das Gericht in seiner mündlichen Einstellungsbegründung fest.
Weiter erläuterte die Richterin, dass auch eine, ebenfalls geforderte, Verurteilung nach der Handwerksordnung (HwO) nicht in Betracht käme. Diese Ordnungs-widrigkeit sei bereits 2015 verjährt, das machte die Verteidigerin, Rechtsanwältin Baiker aus Düsseldorf klar.
Nach der HwO hätte der Raumausstatter ordnungswidrig gehandelt, wenn er ein, dem Meisterzwang unterworfenes Handwerk (z.B. das Malerhandwerk), selbständig betrieben hätte, ohne dafür in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.
Neben der Verjährung hielt die Richterin dem Angeklagten zu Gute, dass er wohl nicht vorsätzlich gehandelt habe.
Die Entscheidung des Gerichts hatte sich im Verlauf des dritten Verhandlungstages bereits abgezeichnet. Wohl deshalb formulierte die Oberstaatsanwaltschaft noch vier weitere Beweisermittlungsanträge. Sie sahen unter anderem vor, einen weiteren Gutachter (der Handwerkskammer) mit der Prüfung von Handwerksarbeiten zu beauftragen, über die Rentenversicherung Informationen über die Beschäftigten des 58-Jährigen einzuholen und bei dem Raumausstatter zwei (!) weitere Hausdurch-suchungen durchzuführen, um vielleicht doch noch belastende Unterlagen zu finden.
Die Richterin lehnte alle Anträge ab. Sie seien unverhältnismäßig, teilweise unsachgemäß und kämen insgesamt zu spät. Außerdem würden sie bewirken, dass die Hauptverhandlung ausgesetzt und das gesamte Verfahren, wie schon 2017 nach einem drohenden Rechtsfehler, noch einmal komplett neu ausgerollt werden müsste.
„Neun Jahre auf der Anklagebank sind das Ergebnis unbestimmter Rechtsbegriffe im Handwerksrecht. Hier ist der Gesetzgeber am Zug, statt die Zwangsvermeister-ung weiterer Berufe zu betreiben, muss im Handwerk endlich dereguliert werden“, kommentiert Oliver Steinkamp, Vorstand im BUH e.V, den Ausgang des Verfahrens.
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