Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht
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In der Bußgeldsache
gegen
den Kaufmann xxx
geboren am xx
wohnhaft xxx
wegen
einer Ordnungswidrigkeit nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gifhorn vom 22. Januar 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wolff, den Richter am Oberlandesgericht Wodtke und die Richterin am Landgericht Thiele am 22. November 2002 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, euch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gifhorn zurückverwiesen.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit des Verstoßes gegen die Vorschriften der Beauftragung mit Schwarzarbeit" zu einer Geldbuße von 115.000 € verurteilt.
Nach den Feststellungen beauftragte der Betroffene, der Miteigentümer von ca. 500 Eigentumswohnungen ist, im Zeitraum von Mai 1995 bis Oktober 1997 eine Firma Markus Seiker mit der Durchführung handwerklicher Tätigkeiten an verschiedenenseiner Häuser und Wohnungen in einem Gesamtauftragsvolumen von 414.784,79 DM. Die Firma Seiker war zum damaligen Zeitpunkt nicht in die Handwerksrolle eingetragen. Bei den Leistungen der Firma Seiker handelte es sich um Maurer-, Maler- und Lackierer-, Tischler-, Fliesenleger-, Estrichleger- und Parkettlegearbeiten.
Das Urteil stellt weiter fest, dass der Betroffene bei einer Beauftragung durch jeweils in die Handwerksrolle eingetragene Fachunternehmen für die durchgeführten Arbeiten insgesamt 186.516,94 DM mehr hätte zahlen müssen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.
1. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 Nr. 3, 2 Abs. 2 SchwArbG nicht.
a) Fraglich und durch die Feststellungen jedenfalls nicht belegt ist die vom Amtsgericht vorgenommene rechtliche Bewertung des zugrunde gelegten Lebenssachverhaltes als eine einzige Tat. Ob das Amtsgericht bei der Vielzahl von Beauftragungen von einem Dauerdelikt oder etwa einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen ist, wird nicht näher erläutert. Eine derartige Bewertung liegt auch angesichts der Ausführung der durch den Zeugen Seiker abgerechneten Leistungen nicht nahe. Jedenfalls müsste von einzelnen, selbständigen Verstößen bei jeder einzelnen Auftragserteilung ausgegangen werden, soweit nicht die einzelnen Aufträge durch besondere Umstände - die nicht mitgeteilt werden - miteinander verbunden wären oder sich zu einem einheitlichen Lebenssachverhalt zusammenfassen ließen.
b) Die Feststellungen des angefochtenen Urteils sind darüber hinaus lückenhaft und unvollständig. Das Amtsgericht hat es versäumt, die handwerklichen Leistungen, die der Zeuge Seiker für den Betroffenen erbracht hat, im Einzelnen für jeden Auftrag nach Art, Umfang, Zeit und Ort darzulegen, um dem Senat dadurch die Nachprüfung in jedem Einzelfall zu ermöglichen, ob es sich um handwerkliche Tätigkeiten gehandelt hat, die die Eintragung des Zeugen Seiker in die Handwerksrolle erforderlich gemacht hätten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. August 2000 - 322 Ss 69/00 (Owi) - und vom 19. Juli 2002 - 222 Ss 83/02 (Owiz) -; OLG Düsseldorf GewArch 2001,346, 347).
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 6. November 2002 hierzu u. a. ausgeführt:
Das Urteil führt dazu aus, es habe sich um handwerkliche Tätigkeiten gehandelt, nämlich um Werkleistungen wie Maurer-, Maler-, Lackierer-, Tischler, Fliesenleger-, Estrich- und Parkettlegearbeiten. Hinsichtlich des Umfangs dieser Arbeiten wird in den Urteilsgründen auf die im Einzelnen benannten Rechnungen verwiesen, wobei sich aus der folgenden Auflistung (Seite 2 fr. UA), die nach den verschiedenen Gewerken getrennt vorgenommen worden ist, das Datum der Rechnung, die laufende Nummer, das Bauvorhaben und der Rechnungsbetrag ergeben.
Es wird weiter festgestellt, dass es auch Beauftragungen zu Pauschalsummen von 20.000,- DM gegeben habe, die den kompletten Innenausbau einer Wohnung mit allen dazu erforderlichen Arbeiten vom Maurern über das Tischlern und die Elektroinstallation bis hin zum Malern betroffen hätten (Seite 3 UA). Die von dem Zeugen xxx durchgeführten Arbeiten werden konkretisiert als unter anderem Verputzen und Zumauern von Wänden, Verlegen von Estrich, Tapezieren und Streichen, Abhängen von Deckenflächen, Ändern von Türelementen, An- und Abbau von Heizkörpern, Füllen der Heizungsanlage, Verlegen von Dielen und Fliesen, Einbau von Fenstern, Montage und Einbau von WC-Elementen, Treppenhausgeländereinbau und dem Einsetzen von Feuerschutztüren (Seite 4 UA).
Weitere Darlegungen finden sich zu den Tätigkeiten, die der Beschwerdeführer bei dem Zeugen Seiker in Auftrag gegeben hat, nicht.
Diese Feststellungen werden den oben genannten Anforderungen nicht gerecht. Denn aus ihnen ergibt sich nicht der tatsächliche Umfang und der Inhalt der Leistungen. Insbesondere bleibt offen, welche Ausbildung bzw. fachliche Qualifikationen die fachgerechte Ausführung der Arbeiten erforderte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.09.1999, NStZ-RR 2000, S. 54f.). Diese Bewertung gilt umso mehr, als die aufgezählten Tätigkeiten nur "unter anderem" ausgeführt worden sein sollen (vgl. Seite 4 UA), das Urteil aber keine Ausführungen dazu macht, welche Arbeiten sonst noch durchgeführt wurden. Auf Grund dieser Angaben dürfte es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich sein zu überprüfen, ob für die Ausübung dieser Tätigkeiten die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlich war.
Auch die Beträge der im Urteil aufgeführten Rechnungen lassen keinen zwingenden Rückschluss darauf zu, dass es sich um erhebliche handwerkliche Leistungen handelte. Zwar enthält die Aufstellung Positionen über erhebliche Summen. Diverse Rechnungen belaufen sich aber auch auf geringere Beträge, ohne dass ersichtlich wäre, welche Tätigkeiten sich konkret dahinter verbergen. Es ist damit nicht überprüfbar, ob im vollen Umfang der Kernbereich des Handwerks betroffen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.03.2000, Ziff. 2. b)).
Auch der Umstand, dass in dem Urteil auf die durch den Zeugen xxx ausgestellten Rechnungen verwiesen wird, steht dieser Beurteilung nicht entgegen (vgl. Seiten 4, 5 und 9). Aus diesen Rechnungen ergibt sich zwar, welche Arbeiten der Zeuge Seiker im einzelnen durchgeführt hat, es ist dem Rechtsbeschwerdegericht jedoch verwehrt, Einblick in diese Rechnungen zu nehmen. Gemäß § 267 Abs. 1 S. 1 StPO, der auch für die Abfassung schriftlicher Urteile in Bußgeldsachen gilt (Karlsruher Kommentar - Senge, OWiG, 2. Auflg., § 71, Rdnr. 106), ist eine in sich geschlossene Darstellung der zur Urteilsgrundlage gemachten Feststellungen erforderlich, Bezugnahmen auf Schriftstücke sind unzulässig, sofern dadurch die eigene Sachdarstellung ersetzt werden soll (Karlsruher Kommentar - Engelhardt, StPO, 4. Auflg., § 267, Rdnr. 3). Dies ist vorliegend der Fall, denn den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, welche Tätigkeiten genau der Zeuge Seiker im Auftrag des Betroffenen durchgeführt hat.
Eine inhaltlich nachvollziehbare Abgrenzung zu nur minderhandwerklichen Leistungen und zu nur handwerksähnlichen Leistungen, lässt das Urteil nicht zu: Die Rechnungen sind auch nicht etwa im Vorwege danach unterschieden worden.
Dem steht auch nicht entgegen, dass das Urteil rechtliche Ausführungen zu dieser Abgrenzung enthält. Das Gericht hat dazu festgestellt, einzelne Tätigkeiten (welche?) könnten isoliert betrachtet unter Umständen als minderhandwerkliche Tätigkeiten angesehen werden, es sei jedoch zu berücksichtigen, dass eine Beauftragung nicht für diese einzelnen Tätigkeiten stattgefunden habe sondern teilweise für eine Pauschalsumme von 20.000,- DM, so dass z. B. der Einbau einer Steckdose bzw. das Streichen einer Wand hinter den kompletten Auftrag zurücktrete (Seite 8 UA). Die Benennung eines Beispiels wird einer sauberen Abgrenzung zwischen einer eintragungspflichtigen und eintragungsfreien Tätigkeit nicht gerecht. Zudem ist das Urteil insoweit auch nicht widerspruchsfrei: In den Urteilsgründen wird Bezug genommen auf die Aufträge mit der Vereinbarung einer Pauschalsumme, die auch für die Begründung des Vorliegens eines Handwerks herangezogen werden (Seite 8 UA), anderseits wird festgestellt, der Zeuge Seiker habe für alle im Zeitraum von Mai 1995 bis Oktober 1997 durchgeführten Arbeiten separate Rechnungen ausgestellt (Seite 3 UA). Der Tatzeitraum betrifft genau die Zeit vom Mai 1995 bis Oktober 1997 (Seite 2 UA). Es ist mithin nicht nachvollziehbar, bei welchem Bauvorhaben es sich um eine Renovierung mit der Vereinbarung einer Pauschalsumme gehandelt haben soll. Wird das Vorliegen eines Handwerks mit der Vereinbarung von Pauschalsummen begründet, hätte im Urteil auch festgestellt werden müssen, wann es zu einer Auftragsvergabe unter diesen Bedingungen gekommen ist. Das Urteil lässt auch keine Abgrenzung zu handwerksähnlichen Tätigkeiten zu. Hierzu wird zwar festgestellt, der Zeuge Seiker sei aufgrund seines eingetragenen Gewerbes für Holz- und Bautenschutz, Fuger, Bodenleger und Abrissarbeiten nicht berechtigt gewesen, die genannten Arbeiten auszuführen. Auch an dieser Stelle werden die "oben genannten Arbeiten" (Seite 8 UA) jedoch nicht näher spezifiziert. Eine Abgrenzung drängt sich jedoch auf, zumal die pauschal beschriebenen Arbeiten auch als handwerksähnliche zu qualifizieren sein könnten (z. B. Nr. 18 a bzw. 24 der Anlage B zur Handwerksordnung).
2. Zu Recht dürfte der Beschwerdeführer darauf hinweisen, dass der durch das Gericht angewandte Maßstab für die Auslegung der Vorschriften der Handwerksordnung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nicht entspricht. Bei der Feststellung, ob es sich um eine der Eintragungspflicht nicht unterliegenden Tätigkeit handelt, hat das Gericht dazu ausgeführt, es gelte eine restriktive und strenge Auslegung, weil ansonsten die Vorschriften der Handwerksordnung umgangen würden (Seite 9 UA). Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, bei der Auslegung und Anwendung der Normen der Handwerksordnung sei die Ausstrahlungswirkung des Art. 12 GG zu beachten und somit eine grundrechtsfreundliche Auslegung angezeigt (Beschluss vom 31.03.2000).
3. Rechtlichen Bedenken begegnen auch die Rechtsausführungen in dem angefochtenen Urteil, die in Rechnung gestellten Rigipsarbeiten seien in der Zeit zwischen 1995 und 1997 noch als solche anzusehen gewesen, die nur ein in der Handwerksrolle eingetragener Handwerker ausführen durfte (Seite 6 UA). Es ist nicht auszuschließen, dass das Gericht hier einen rechtlichen Maßstab angelegt hat, der der Abgrenzung zwischen eintragungspflichtiger und eintragungsfreier Tätigkeit nicht gerecht wird. Die genannten Rigipsarbeiten dürften eine handwerksfähige Teiltätigkeit darstellen, die nur dann den eingetragenen Handwerksbetrieben vorbehalten ist, wenn zu ihrer einwandfreien und sachgerechten, Durchführung Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die eine mehrjährige, umfassende handwerkliche Ausbildung erfordern. Einfache Werkleistungen, die nach kurzer Anlernzeit in gleicher Weise erbracht werden können, erfordern als Ausübung eines Minderhandwerks keine vorherige Eintragung(vgl. BayOLG, Beschluss vom 10.02.1989, II.; Thür.OLG, Beschluss vom 28.10.1998, GewArch 1999, S. 78 f.). Dem Urteil sind keine Feststellungen dahingehend zu entnehmen, dass es sich bei den durch den Zeugen Seiker durchgeführten Arbeiten um solche handelte, für die eine besondere Qualifikation erforderlich ist."
Dem tritt der Senat bei.
2. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Amtsgericht den Eintritt einer möglichen Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG) zu beachten haben wird, soweit es zur Feststellung einzelner, selbstständiger Verstöße gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit durch die entsprechenden Beauftragungen des Betroffenen gelangen/sollte.
Soweit das Amtsgericht erneut gegen den Betroffenen eine Geldbuße (oder gegebenenfalls mehrere Geldbußen) verhängen und dabei auch den wirtschaftlichen Vorteil des Betroffenen nach § 17 Abs. 4 OWiG zu bewerten haben sollte, wird dieser Vorteil entsprechend der eingetretenen vermögensrechtlichen Gesamtsituation nach dem Nettoprinzip zu bewerten sein (vgl. KK-Steindorf, OWiG, 2. Aufl., § 17 Rdnr. 123 m. w. N.). Sollte insoweit die Erstellung eines neuen Sachverständigengutachtens erforderlich werden, wird es sich anbieten, einen von den Handwerkskammern unabhängigen Architekten mit der Gutachtenerstattung Zu beauftragen. Der Inhalt eines solchen Gutachtens ist im Urteil für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar darzulegen (vgl. nur Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 267 Rdnr. 13).
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681,
mail: BUHev-Buro
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