Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht
Oberlandesgericht Köln vom 25, Juli 2006 - 82 Ss-OWi 39/06
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In der Bußgeldsache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit
hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln
auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 22. Februar 2006.
nach Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 349 Abs. 4 StPO, 79 Abs. 3 OWiG
am 25, Juli 2006
Das Amtsgericht hat den Betroffenen "wegen vorsätzlicher Ordnungswidrigkeit gemäß den §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 1 Abs. 1 Satz 1 HandwO, 8 Abs. 1 Nr. 1 e SchwarzArbG" zu einer Geldbuße von 26.000 € verurteilt.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat (zumindest vorläufigen) Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteil und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Das angefochtene Urteil hält der Überprüfung aufgrund der Sachrüge nicht stand. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Sie sind materiell-rechtlich unvollständig.
Nach den Feststellungen war der Betroffene seit 1996 bei dem Gewerbeamt für die Tätigkeit "Einzelhandel in Malerbedarf und Großhandel in Bodenbelägen und Malerbedarf, Einzelhandel. in Bodenbelägen" gemeldet. In den folgenden Jahren erfolgten Erweiterungen der gewerblichen Tätigkeit. Schließlich wurde der Betroffene am 08.07.2004 in die Handwerksrolle für das Maler- und Lackiererhandwerk eingetragen.
Wörtlich heißt es in den Urteilsgründen u.a.:
"In den Jahren 2002 und 2003 führte der Betroffene mit drei bis vier Mitarbeitern an zahlreichen Bauvorhaben in erheblichem Umfang Arbeiten aus, die dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechen waren. Hierbei handelte es sich um die in dem Bußgeldbescheid vom 15.03.2005 als Anlage beigefügten "Auswertung Firma xxx" durch die Verwaltungsbehörde fettgedruckten Aufträge bzw. um einen Teil derselben. Gemäß den dieser Auswertung zugrunde liegenden Rechnungen des Betroffenen (Anlagenordner) belief sich der auf das genannte Handwerk entfallende Gesamtumsatz im Jahre 2002 auf 90.341,69 € und im Jahre 2003 auf 84.917,14 €. Diesen Umsatzzahlen liegen Arbeiten zugrunde, die in den Kernbereich des Maler- und Lackiererhandwerks fallen, nämlich u.a: Schleifen, grundieren, lackieren, streichen, lasieren, spachteln, tapezieren."
Diese Feststellungen ermöglichen dem Rechtsbeschwerdegericht nicht die Prüflung, ob das Amtsgericht bei der Annahme der Tatbestandsverwirklichung das sachliche Recht fehlerfrei angewendet hat.
Auch in Bußgeldsachen muss das - nicht abgekürzte - Urteil aus sich heraus verständlich sein, Verweisungen sind nur im Rahmen des § 267 Abs.. 1 Satz 3 StPO. - in Verbindung mit § 71 OWIG - zulässig (Verweisung auf Abbildungen). Darüber hinausgehende Bezugnahmen auf Aktenteile sind unzulässig (vgl. zu allem Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 71 Rn. 42 mit Nachweisen).
Es wäre daher erforderlich gewesen, die handwerklichen Arbeiten, die ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeführt worden sind, in den Urteilgründen selbst im Einzelnen - für jeden Auftrag - nach Art, Umfang, Zeit und Ort darzulegen (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000, 340 = GewArch 2000, 289; OLG Hamm GewArch 2000, 79; SenE v. 15.09.2000 - Ss 383/O0 B -). Die bloße Umschreibung der Tätigkeit in Form typisierender Bezeichnungen genügt dazu nicht (Senat a.a.O.). Sie eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht nämlich nicht die Möglichkeit der Überprüfung, ob die ausgeführten Arbeiten dem Kernbereich eines Handwerks der Anlage A zur HandwO - hier dem Malerhandwerk - zuzurechnen sind und ob deshalb hierfür die Eintragung des Betroffenen in die Handwerksrolle notwendig war. Es bleibt daher offen, ob die von dem Betroffenen ausgeführten "Maler- und Lackiererarbeiten" sich als Ausübung des eintragungspflichtigen Vollhandwerks oder als Betätigung im eintragungsfreien Minderhandwerk darstellen.
Nach § 1 Abs. 2 HandwO ist ein Gewerbebetrieb dann ein Handwerksbetrieb im Sinne des Gesetzes, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und vollständig oder in wesentlichen Teilen ein Gewerbe umfasst, das in der Anlage A zu diesem Gesetz aufgeführt ist. Dazu reicht allerdings nicht aus, dass er sich mit Tätigkeiten eines der in der Anlage A aufgeführten, also handwerksfähigen Gewerbes befasst. Voraussetzung für die Annahme eines Handwerksbetriebes ist vielmehr, dass es sich bei den fraglichen "Tätigkeiten, Verrichtungen und Arbeitsweisen um solche handelt, die den Kernbereich gerade dieses Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge geben (BVerwGE 58, 217 [218 ff.]; OLG Koblenz GewArch 1986, 139 [140] = wistra 1986, 231; Ambs, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 1 SchwArbG Rdnr. 20). Demgegenüber vermögen "Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht eines vollhandwerklich arbeitenden Betriebes dieser Sparte als untergeordnet und damit vom Typ her gesehen als unbedeutend und unwesentlich erscheinen, die Annahme eines handwerksfähigen Betriebes nicht zu begründen" (BVerwG a.a.O.; BVerwG GewArch 1984, 96 [97] und GewArch 1984, 98 [99]; OLG Koblenz aa.O.; OLG Stuttgart GewArch 1986, 141). Handelt es sich lediglich um einfache Werkleistungen, die nach kurzer Anlernzeit ohne Beherrschung von Fähigkeiten und Kenntnissen, wie sie in handwerklicher Schulung erworben werden, einwandfrei und gefahrlos ausgeführt werden können, so dass es an der Spitze des Betriebes keines für die selbständige Ausübung des betreffenden Handwerks qualifizierten Leiters bedarf, dann liegt lediglich ein sog. Minderhandwerk vor, das nicht den Vorschriften der Handwerksordnung unterliegt und keine vorherige Eintragung in die Handwerksrolle erfordert (BVerwG GewArch 1984, 96 [97] und GewArch 1984, 98 [99]; BayObLG GewArch 1989, 167 [168] = NStE Nr 4 zu § 1 HandwO; OLG Koblenz a.a.O.; SenE v. 06.12.1994 - Ss 475/94 B -; so insgesamt SenE v. 22.11.2002 - Ss 484/02 B; Ambs a.a.O. § 1 HandwO Rdnr. 8; Honig, HandwO, § 1 Rdnr. 66 ff.).
Ordnungswidrig waren die von dem Betroffenen erbrachten "Maler- und Lackiererarbeiten" demnach nur, wenn sie dem Kernbereich eines in der Anlage A zur HandwO aufgezählten Handwerke zuzuordnen und außerdem von vollhandwerklichem Zuschnitt gewesen wären (vgl. OLG Düsseldorf GewArch 1998, 296 f.; SenE a.a.O.). Darüber geben die Gründe des angefochtenen Urteils keinen Aufschluss, Das Amtsgericht hat die Art der Tätigkeiten, die dem Betroffenen angelastet werden, nicht nachprüfbar mitgeteilt. Ferner fehlen nähere Ausführungen dazu, welche Kenntnisse und Fähigkeiten für diese Arbeiten erforderlich waren.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
§ 8 Abs. 1 Nr. 1 e SchwArbG 2004 (hier anwendbar nach § 4 Abs. 3 OWiG; wort- gleich mit § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG alte Fassung) stellt sich als Spezialgesetz im Verhältnis zu § 117 Abs. 1 Nr. 1 HandwO dar. Nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HandwO liegt eine Ordnungswidrigkeit schon dann vor, wenn ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betrieben wird, ohne dass der Betrieb in der Handwerksrolle eingetragen ist; § 8 Abs. 1 Nr. 1 e SchwArbG hat zusätzlich zur Voraussetzung, dass Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbracht werden. Die Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HandwO tritt wegen Gesetzeskonkurrenz hinter die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG zurück (OLG Düsseldorf wistra 1993, 117 [118]; OLG Hamm NStZ 1991, 336; OLG Stuttgart NStZ 1987, 566; OLG Koblenz GewArch 1983, 270. [271] = QLGSt SchwArbG § 1 Nr. 1; SenE v. 21.03.2000 - Ss 116/00 B; v. 22.01.2002 - Ss 547/01 B; v. 04.06.2002 - Ss 3/02 B).
In den Urteilgründen sind die für die Bemessung der Höhe der Geldbuße und der sonstigen Rechtsfolgen bestimmenden Umstände anzuführen. Dazu bedarf es bei einer nicht nur geringfügigen Ordnungswidrigkeit insbesondere der Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen (st. Senatsrechtsprechurig, vgl. nur SenE v. 23.05.2002 - Ss 215/02 B -; Göhler a.a.O., § 17 Rn. 21, 22).
Soll durch die Geldbuße entsprechend § 17 Abs. 4 OWiG der wirtschaftliche Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, abgeschöpft werden, so setzt dies zunächst eine möglichst konkrete Gewinnermittlung voraus (SenE a.a.O. vgl. Göhler, a.a.O., § 17 Rdnr. 45). Soweit eine konkrete Gewinnermittlung nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln möglich wäre, ist auch eine Schätzung des Gewinns erlaubt (vgl. OLG Hamm GewArch 1993; 245; SenE a.a.O.; Göhler a.a.O).
Zur Berücksichtigung von auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallenden Ertragssteuern, vgl. Göhlera.a.O., § 17 Rn. 43, 44.
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