Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht
In dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg stellt das Verwaltungsgericht fest, dass Verputzarbeiten auch ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeführt werden dürfen. Die IHK Rhein-Neckar kommentiert:
Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 01.08.2007 (Aktenzeichen: 1 L 568/07) können Verputzarbeiten nicht zum Kernbereich des Stukkateurhandwerks gerechnet werden, da diese Tätigkeiten jedenfalls auch zum Berufsbild des Holz- und Bautenschutzgewerbes gehören. Die Ausübung dieses handwerksähnlichen Gewerbes als stehendes Gewerbe muss lediglich der Handwerkskammer angezeigt werden (vgl. Anlage B Abschnitt 2 Ziffer 6 HwO).
Auch das Amtsgericht Göppingen (Az. 16 OWi 16 Js 7162/08) hält Nassputzarbeiten ohne Eintragung in die Handwerksrolle für zulässig
In einem älteren Urteil des Verwaltungsgerichtshofs München wurde dies noch andere gesehen.
Aus unserer Sicht besteht für Verputzer allerdings keine Zwangsmitgliedschaft bei der Handwerkskammer, denn die Tätigkeiten des Verputzers gehören auch zu den IHK-Berufen "Bauwerksabdichter", "Fassadenmonteur", "Trockenbauer" oder am besten "Verputzer".
(Abschrift)
GewArch 2007/10, Seite 426 f.
Xxx Antragsteller
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Walter Ratzke, Bahnhofstraße 7, 92507 Nabburg,
gegen
den Landrat des Kreises Olpe, Danziger Straße 2, 57462 Olpe, Antragsgegner,
wegen
handwerksrechtlicher Untersagungsverfügung
hier: Regelung der Vollziehung
hat die 1. Kammer des Verwaltungsgericht Arnsberg
am 1. August 2007
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Dr. Morgenstern,
den Richter am Verwaltungsgericht Neumann,
den Richter am Verwaltungsgericht Breitwieser
beschlossen:
Der dem Beschlusstenor entsprechende Antrag des Antragstellers ist als Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig und begründet. Das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die angefochtene Ordnungsverfügung überwiegt das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Durchsetzung. Denn bei der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Beurteilung bestehen schwerwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten Verfügung. Vor diesem Hintergrund fällt auch die Interessenabwägung im Übrigen zu Gunsten des Antragstellers aus.
Als Rechtsgrundlage der vorgenannten Ordnungsverfügung betreffend die Untersagung der Festsetzung handwerklicher Tätigkeiten kommt nur § 16 Abs. 3 der Handwerksordnung (HwO) in der Fassung der Änderung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407) in Betracht. Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde die Fortsetzung des Betriebes untersagen wenn der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe entgegen den Vorschriften der Handwerksordnung ausgeübt wird.
Hiernach steht schon die Zuständigkeit des Antragsgegners für den Erlass der Ordnungsverfügung in Frage. Als Kreisordnungsbehörde ist der Antragsgegner zwar sachlich auch für Untersagungen gemäß § 16 Abs. 3 HwO zuständig (vgl. § 2 Abs. 1 der Verordnung vom 24, April 2006, GV NRW Seite 212 = SGV.NRW 7124). Anknüpfungspunkt der Örtlichen Zuständigkeit kann im stehenden Gewerbe - und nur dieses kann aufgrund des § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO untersagt werden - nur die gewerbliche Niederlassung sein, für die ggf. auch die Wohnung des Gewerbetreibenden in Betracht kommt.
Danach ist der Antragsgegner für den Erlass der Ordnungsverrügung unzuständig, denn vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller einen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks im stehenden Gewerbe im Kreis Olpe hat. Der Antragsteller wohnt in Siegen. Unter dieser Adresse ist auch die angefochtene Ordnungsverfügung an den Antragsteller ergangen. Auf Siegen erstreckt sich die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegner nicht.
Unabhängig davon ist die Untersagung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO nur zulässig wenn die Handwerkskammer und die Industrie- und Handelskammer zuvor angehört worden sind und in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt heben, dass sie die Voraussetzungen einer Untersagung als gegeben ansehen. Das Fehlen der gemeinsamen Erklärung führt zu einem unheilbaren Mangel der angefochtenen Ordnungsverfügung. Denn es muss nicht nur ein formeller Anhörungsakt vor Erlass der Verfügung stattgefunden haben (vgl. § 45 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG NRW -). Die gemeinsame Erklärung muss als Stellungnahme tatsächlich erfolgt sein und auch einen bestimmten Inhalt haben. Diese beiden Aspekte sprechen unter Berücksichtigung der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drucks. 15/1206, 5. 31) maßgeblich dafür, dass eine Nachholung der gemeinsamen Erklärung im Widerspruchsverfahren oder gar im Klageverfahren nicht mehr zulässig ist.
Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Ordnungsverfügung rechtswidrig denn es fehlt offenkundig an einer gemeinsamen Erklärung von Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 HWO. Die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners enthalten eine solche gemeinsame Erklärung jedenfalls nicht.
Ob die gemeinsame Erklärung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 HwO auch den gesetzlichen Erfordernissen entspricht, wenn die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer formal getrennte, aber inhaltlich übereinstimmende Erklärungen abgeben. - wogegen bereits der Wortlaut des Gesetzes spricht -
kann hier dahinstehen. Zwar hat die Handwerkskammer Südwestfalen in Arnsberg in einer Email an den Antragsgegner vom 25 Juli 2007 geäußert, keine Bedenken gegen die Untersagungsverfügung zu haben, wobei dahinstehen kann, ob der Inhalt dieser Erklärung die Anforderungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 HwO erfüllt, weil diese erst nach dem Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung vom 17. Juli 2007 abgegeben wurde. Die zuständige Industrie- und Handelskammer hat sich jedoch vor Erlass der Untersagungsverfügung gar nicht geäußert.
Es liegen ersichtlich auch nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen des § 16 Abs. 8 HwO vor. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde bei Gefahr im Verzug die Fortsetzung des Gewertes auch ohne Einhaltung des Verfahrens nach § 16 Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 HwO vorläufig untersagen. Unabhängig davon, dass der Antragsgegner sich nicht auf diese Voraussetzungen berufen hat, um das Absehen von dem Erfordernis des Einholens der gemeinsamen Erklärung gemäß § 16 Abs. Satz 2 HwO zu rechtfertigen, ist eine Gefahr im Verzuge vorliegend auch nicht ersichtlich. "Gefahr im Verzug" ist nicht bereits deswegen anzunehmen, weil ein gefahrgeneigtes Handwerk möglicherweise unberechtigt ausgeübt wird. Es kommt auf die konkrete Tätigkeit an, wobei die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind,
Welche konkrete Tätigkeit eine Gefahr im Verzuge begründet hat der Antragsgegner nicht aufgezeigt. Der bloße Umstand dass der Antragsteller ein nach Auffassung des Antragsgegners erlaubnispflichtiges Gewerbe ausgeübt haben soll, begründet diese Gefahr ebenso wenig wie der allgemeine Hinweis auf das Interesse an einem redlichen Wirtschaftsverkehr oder Wettbewerbsgründe. Auch die mangelhafte Arbeitsausführung das Antragstellers die im Schreiben des Herrn xxx an den Antragsgegner vom 25, Juli 2007 anklingt, kann mit Ordnungsmitteln weder geahndet noch kann ihr damit vorgebeugt werden. Ganz unabhängig davon hätte selbst eine tatsächliche Gefahr im Verzuge nur dazu ermächtigt dem Antragsteller die Fortsetzung des Handwerksbetriebes vorläufig, aber nicht - wie geschehen - endgültig zu untersagen.
Ob ein weiterer formeller Mangel der angefochten Ordnungsverfügurig in der unterlassenen Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG NRW) des Antragstellers besteht, kann insoweit dahinstehen.
Ungeachtet dessen hat die Kammer auch erhebliche Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung ist, dass der Antragsteller den selbständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe entgegen den Vorschriften des Gesetzes ausübt (§ 16 Abs. 3 Satz 1 HwO).
Danach trifft schon der Tenor der angefochtenen Untersagungsverfügung auf rechtliche Bedenken. Die Vorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO ermächtigt die (zuständige) Behörde lediglich zur Untersagung der Fortsetzung eines konkreten Handwerksbetriebes, nicht aber zur Untersagung der Ausübung einer bestimmten Gewerbeart schlechthin.
Hiernach sind die Regelungen u Ziffer I. und II. des angefochtenen Bescheides nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage des § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO gedeckt. Ziffer I. lautet: "hiermit untersage ich Ihnen die Fortsetzung der handwerklichen Tätigkeiten im Stuckateurhandwerk"; unter der inhaltlich mit Ziffer I. deckungsgleichen Ziffer II. heißt es: "Gleichzeitig ordne ich an, dass Sie ihre handwerklichen Tätigkeiten im Stuckateurhandwerk sofort einzustellen haben". Damit hat der Antragsgegner dem Antragsteller nicht die Fortsetzung eines konkreten Stuckateurhandwerksbetriebes sondern unzulässigerweise die Fortsetzung der handwerkliche Tätigkeiten des Stuckateurs und, damit ein bestimmtes Gewerbe im allgemeinen untersagt.
Ferner lässt sich nicht hinreichend sicher feststellen dass der Antragsteller ein zulassungspflichtiges Handwerk - dasjenige des Stuckateurs, mit dem er nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist - im stehenden Gewerbe überhaupt konkret betrieben hat. Gemäß § 1 Abs. 2 HwO ist ein Gewerbebetrieb ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das In der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten aus geübt werden, die für dieses bewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten). Keine wesentlichen Tätigkeiten sind insbesondere solche, die (1.) in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können, (2.) Zwar eine längere Anlernzeit verlangen 1 aber für das Gesamtbild des betreffenden zulassungspflichtigen Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, auf die die Ausbildung in diesem -landwerk hauptsächlich ausgerichtet Ist, oder (3.) nicht aus einem zulassungspflichtigen Handwerk entstanden sind (§ 1 Abs. 2 Satz 2 HwO).
Zwar ist das Stuckateurhandwerk gemäß Anlage A Nr. 9 zur Handwerksordnung ein zulassungspflichtiges Handwerk im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO. Die angefochtene Ordnungsverfügung lässt aber bereits nicht erkennen, aus welchen konkreten Tätigkeiten der Antragsgegner auf eine Ausübung wesentlicher Tätigkeiten des Stuckateurhandwerks durch den Antragsteller geschlossen hat; Nach der Einlassung des Antragstellers in der Begründung seines Eilantrages und einem kurzen Vermerk des Antragsgegners vom 13. Juli 2007 ist dar Antragsteller mit Verputzarbeiten auf der Baustelle der Eheleute xxx beschäftigt gewesen. Im Rahmen dieses Eilverfahrens ist aber auch bei nicht nur summarischer Prüfung nicht hinreichend sicher erkennbar dass gerade diese konkreten Tätigkeiten zum Kernbereich des Stuckateurhandwerks gerechnet werden müssen. Denn Putzarbeiten gehören jedenfalls auch zum Berufsbild des Holz- und Bautenschutzgewerbes (vgl. § 4 Abs. 2 Abschnitt A Nr. 7 der Verordnung über die Berufsausbildung im Holz- und Bautenschutzgewerbe vom 2. Mai 2007 BGBl I S. 610). Die Ausübung dieses handwerksähnlichen Gewerbes als stehendes Gewerbe muss lediglich der zuständigen Handwerkskammer angezeigt werden (vgl. § 18 Abs. 2 Satz 2 HwO in Verbindung mit Abschnitt 2 Nr. 6 der Anlage 13 zur Handwerksordnung); der Antragsteller ist nach seinen Angaben mit dem Gewerbe Holz- und Bautenschutz bei der Handwerkskammer Arnsberg registriert. Nähere Ermittlungen des Antragsgegner zu Art und Umfang der Verputzarbeiten des Antragstellers sowie Ausführungen in der angefochtenen Ordnungsverfügung zu der Einordnung dieser Tätigkeiten unter die wesentlichen Tätigkeiten des Stuckateurhandwerks fehlen Insoweit mangelt es der nach § 16 Abs. 3 Satz 1 HwO zu treffenden Ermessensentscheidung an einer hinreichenden objektiv nachvollziehbaren Tatsachengrundlage. Daher muss letztlich auch die allgemeine Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers ausfallen. Bereits die fehlende gemeinsame Erklärung von Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer führt zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Ordnungsverfügung. Auch unabhängig davon überwiegt das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Fortsetzung seiner Tätigkeiten aus den dargelegten Gründen das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Ordnungsverfügung. Da in diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren schon nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar ist, dass eine konkret ausgeübte Tätigkeit des Antragstellers dem Kernbereich eines zulassungspflichtigen Handwerks zuzurechnen ist, muss auch aus diesem Grund dem Schutz des Antragstellers Vorrang vor dem öffentlichen Vollzugsinteresse zukommen.
Die Androhung von Zwangsmitteln für den Fall der "Zuwiderhandlung" teilt das rechtliche Schicksal der Regelungen, deren Durchsetzung sie dienen sollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes. Sie folgt den vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
für gewerberechtliche Verfahren entwickelten Grundsätzen, welche die Kammer auch in handwerksrechtlichen Streitigkeiten anwendet.
Rechtsmittelbelehrung:…
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681,
mail: BUHev-Buro
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