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Urteile zu: Meisterzwang, Betriebsuntersagungen (§ 16 HwO), Hausdurchsuchungen, Betretungsrecht der HwK nach § 17 HwO, Rechtsmittelverzicht

Beschluss vom OLG Jena zum Verhältnis Holz- und Bautenschutz / Maler- und Lackierhandwerk

HwO § § 1 Abs 1 Satz 1, Abs. 2, 117 Abs.1 Nr.1

Bei einem Verstoß nach § 1 Abs. 1 HwO i.V.m. § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO - Erlernbarkeit der Arbeiten in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten - zwingend zu prüfen.

Dies muss umso mehr gelten, wenn teilweise ausgeübte Tätigkeiten auch in das Berufsbild eines nicht eintragungspflichtigen Gewerbes fallen.

Hier: Verhältnis Holz- und Bautenschutz / Maler- und Lackierhandwerk

Thüringer Oberlandesgericht, Senat für Bußgeldsachen Beschluss vom 01.12.2008, 1 Ss 145/08

110 Js 12628/07 1 Owi - AG Meiningen

Thüringer Oberlandesgericht

Beschluss

In dem Bußgeldverfahren

g e g e n ...

Verteidiger: Rechtsanwalt K

w e g e n Verstoß gegen die Handwerksordnung

hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Meiningen vom 07.04.2008

der Senat für Bußgeldsachen des Thüringer Oberlandesgerichts durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger
Richter am Oberlandesgericht Schulze und
Richter am Amtsgericht Hollandmoritz

am 1. Dezember 2008

b e s c h l o s s e n :

G r ü n d e :

I.

Mit Bußgeldbescheid des Landratsamtes Schmalkalden-Meiningen, Fachbereich Ordnung und Sicherheit, Zentrale Bußgeldstelle, vom 08.01.2008 wurde gegen den Betroffenen gemäß §§ 1 Abs. 1 i.V.m. 117 Abs 1 Nr. 1 und Abs. 2 Handwerksordnung (HwO) eine Geldbuße in Höhe von 1300,00 € festgesetzt. Hiergegen legte der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch ein. Das Amtsgericht Meiningen verurteilte den Betroffenen mit Urteil vom 07.04.2008 wegen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit -entgegen § 1 HwO ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betrieben zu haben - zu einer Geldbuße von 1.000,00 €. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene durch seinen Verteidiger am 14.04.2008 Rechtsbeschwerde ein, die er nach Zustellung des Urteils am 19.05.2008 mit am 18.06.2008 eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers begründete. Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat vom 20.10.2008 beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Meiningen vom 07.04.2008 aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht Meiningen zurückzuverweisen.

II.

Die statthafte Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 341 StPO) und form- und fristgerecht begründet worden (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344, 345 StPO).

Mit Beschluss vom 20.11.2008 wurde die Sache dem Senat in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen.

Die Rechtsbeschwerde hat auf die erhobene Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die tatsächlichen Feststellungen in dem amtsgerichtlichen Urteil tragen den Schuldspruch wegen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit gem. § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO nicht.

Das Amtsgericht hat im angefochtenen Urteil festgestellt:

"Der Betroffene hat eine abgeschlossene Ausbildung als Maler, Lackierer und Putzer. Seit 01.03.2002 ist er beim Gewerbeamt mit dem Gewerbe ,Holz- und Bautenschutzgewerbe, Bagger- und Abflussarbeiten, Hausmeisterdienstleistungen' angemeldet. Die Anmeldung wurde an die Handwerkskammer weitergeleitet und dort das angemeldete Gewerbe in die Handwerksrolle B eingetragen - wie der Betroffene wusste. Mit Gewerbeummeldung vom 08.12.06 erweiterte der Betroffene rückwirkend zum 01.01.06 seine gewerbliche Tätigkeit wie folgt: ,Schreib- und Buchhaltungsservice; handwerkliche Leistungen in Form eines unerheblichen handwerklichen Nebenbetriebes (gem. § Abs. 2 Handwerksordnung)'.
Im Mai 2006 strich der selbständig tätige Betroffene - ohne mit dem Maler- und Lackierhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen zu sein - 220 qm Fassade des Wohnhauses des Zeugen F in S, zu einem Preis von 2.410,- € brutto. Der wirtschaftliche Vorteil aus dieser Handwerksausübung betrug 561,53 € abzüglich Einkommensteuer.
Der Betroffene nahm zumindest billigend in Kauf, dass er mit dem Streichen der Fassade des Hauses eine handwerkliche Tätigkeit, die zum Maler- und Lackiererhandwerk gehörte, als stehendes Gewerbe selbständig ausführte, ohne insoweit in die Handwerksrolle eingetragen zu sein."

Diese tatsächlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit gem. § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO nicht.

Nach dieser Vorschrift handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO ein dort genanntes Gewerbe als stehendes Gewerbe selbständig betreibt. Gem. § 1 Abs.1 Satz 1 HwO ist der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Nach § 1 Abs. 2 HwO ist ein Gewerbebetrieb ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, dass in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind: wesentliche Tätigkeiten. In § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO wird - beispielhaft und nicht abschließend - aufgeführt, welche Tätigkeiten keine wesentlichen Tätigkeiten im Sinne des Gesetzes sind. Nach Ziffer 1 der Regelung sind keine wesentlichen Tätigkeiten solche, die in einem Zeitraum von bis zu 3 Monaten erlernt werden können.

Dazu enthält das angefochtene Urteil weder rechtliche noch ausreichend tatsächliche Ausführungen. Zur Frage der Wesentlichkeit der ausgeübten Tätigkeiten hat das Gericht im Rahmen der rechtlichen Bewertungen ausgeführt:

"Denn das Streichen einer Fassade eines Hauses mit Farbe stellt eine wesentliche Tätigkeit des Maler - und Lackierhandwerkes dar und gehört nicht zum Gewerbe Holz- und Bautenschutz. Ob eine Tätigkeit zu den handwerksmäßigen gehört, ist nach der Rechtssprechung aufgrund der jeweils maßgeblichen Verordnung über das Berufsbild und die Prüfungsanforderungen zu entscheiden. Unter Zugrundelegung der für das Maler- und Lackierhandwerk geltenden Verordnung (vgl. die Verordnung über das Berufsbild Maler- und Lackierhandwerk Bundesanzeiger Nr. 99 vom 28.05.04, Seite 11405) fällt das Streichen der Fassade eines Hauses in den Kernbereich des Maler- und Lackierhandwerk und gibt ihm sein wesentliches Gepräge."

Das angefochtene Urteil stellt damit ausschließlich auf die Art der Tätigkeit ab und befasst sich nicht mit den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO. Es nicht auszuschließen, dass sich das Amtsgericht der Bedeutung dieser Regelung für die Tatbestandsmäßigkeit gar nicht bewusst gewesen ist.

§ 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 HwO sind durch das Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und zur Förderung von Kleinunternehmen vom 24.12.2003 in das Gesetz eingefügt worden. Diese Regelung wurde geschaffen, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. u.a. Beschluss vom 31.03.2000, 1 BVR 608/99 in GewArch 2000, 240) zu entsprechen und das Gesetz den verfassungsrechtlichen Erfordernissen anzupassen (vgl. BT-Drs. 15/1089 Seite 7). Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO dürfen Tätigkeiten, die in einem Zeitraum von bis zu 3 Monaten erlernt werden können, von jedermann unabhängig von einer Handwerksrolleneintragung ausgeübt werden. Ob eine Tätigkeit "nicht wesentlich" i.S.d. Gesetzes ist, bemisst sich nicht nach der Quantität, sondern nach der Qualität. Dabei kommt es auf die Frage, ob es sich um eine qualitativ einfache und schwierige Tätigkeit handelt, dann nicht mehr an, wenn die (An-)Lernzeit 3 Monate nicht übersteigt. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig und zwingend. In der Handwerksordnung wird nicht bestimmt, welche Tätigkeiten im Einzelnen unter die gesetzliche Ausnahme des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO fallen. Der Gesetzgeber hat vielmehr bewusst auf eine solche Aufzählung verzichtet (vgl. BT-Drs. 15/1089 Seite 8, 9) Zwar geht die Kommentarmeinung (vgl. Detterbeck, Kommentar zur Handwerksordnung, 4. Aufl., § 1 Rn. 73) davon aus, dass bei Tätigkeiten, auf die sich die Meisterprüfung nach Maßgabe einer Meisterverordnung erstreckt, zumindest eine Vermutung dafür spricht, dass es sich um keine kurzfristig erlernbare Tätigkeit handelt. In § 2 Abs. 3 Ziffer 3c der Verordnung über das Meisterprüfungsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Maler und Lackierhandwerk (Maler- und Lackiermeisterverordnung - MulMstrV) ist das Streichen einer Fassade mitenthalten, denn dort wird aufgeführt "Beschichtungen, Applikationen, Be- und Auskleidungen an Bauwerken, Bauteilen und Objekten aus Beton, Stahl oder Steinen zum Oberflächenschutz sowie Sicherung, Erhaltung oder Wiederherstellung planen, ausführen und kontrollieren". Wegen des klaren Wortlauts von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO kann dies nach Auffassung des Senats jedoch nicht von der Prüfung im Einzelfall entbinden. Dies muss umso mehr gelten, weil es hier nahe liegt, dass die durchgeführten Tätigkeiten in Verbindung mit dem Streichen der Fassade, die auch in der im Urteil zitierten Rechnung über die Arbeiten aufgeführt sind, teilweise auch in das Berufsbild eines Holz- und Bautenschützers fallen dürften (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 9.11.1978, 2 Ss Owi 475/78 bei juris). Insoweit wird im angefochtenen Urteil jedoch keine Differenzierung der erbrachten Leistung vorgenommen.

Bereits dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den getroffenen Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Meiningen zur erneuten Prüfung und Entscheidung.

Soweit das Amtsgericht indes das Vorliegen eines "unerheblichen" handwerklichen Nebenbetriebs abgelehnt hat, sind die Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht zu beanstanden. Insoweit kann der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde nicht gehört werden.

Für die erneute Hauptverhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:

Bei der Prüfung, ob das Streichen der Fassade als einfache, also nicht wesentliche Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO anzusehen ist, wird sich das Gericht eines Sachverständigen bedienen müssen. Wie bereits ausgeführt, kommt es nämlich nicht nur auf das bloße Anbringen des Deckanstriches an, sondern auch auf die damit zwingend verbundenen Vorbereitungsarbeiten. Hinsichtlich der Vorbereitungsarbeiten wird indes zu prüfen sein, ob diese nicht teilweise ohnehin dem Berufsbild des Holz- und Bautenschützers unterfallen. Weiterhin bedarf es der Prüfung, ob beim Betroffenen ein Verbotsirrtum vorgelegen hat.

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