Was erwartet mich bei der Ordnungsbehörde, Bußgeld wegen Handwerksausübung, Hausdurchsuchung, Betriebsuntersagung, Betriebsprüfung, Abmahnung, Meisterzwang ist verfassungswidrig
Sehr geehrter Herr Sager,
ich Danke für Ihre Antwort vom 18.02.2008.
In der öffentlichen Darstellung Ihrer Aktivitäten bei der Schwarzarbeitsverfolgung erwecken Sie den falschen Eindruck, der Landkreis würde Steuerhinterziehung verfolgen. Auf diesen Aspekt meines Schreibens gehen Sie mit keinem Wort ein. Ich muss also davon ausgehen, dass Sie dieser Kritik als berechtig ansehen. Wo Sie von Bürgern die Einhaltung von Gesetzen verlangen, sollten Sie selber sich an Ihre Verpflichtung halten, über staatliches Handeln nur wahrheitsgemäß zu berichten. Wo der Staat gegen seine Wahrheitspflicht verstößt, bringt er die öffentliche Ordnung insgesamt in Gefahr.
In Ihrer Antwort lehnen Sie die Beantwortung von handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen ab und verweisen darauf, dass sich der Landkreis bei den handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen auf die Beurteilung der Handwerkskammer stützt.
Ich stelle fest, dass in unterschiedlichen Bundesländern hier unterschiedliche Auffassungen zu einem doch einheitlichen Bundesgesetz bestehen. Deswegen will ich meine Fragestellung zunächst zuspitzen: Ist der Landkreis bezüglich handwerksrechtlicher Abgrenzungsfragen in Bußgeldverfahren an die Weisungen und Beurteilungen der Handwerkskammer gebunden? In welchem Gesetz in welchem Paragraf ist dies geregelt?
Zu der Frage, wo Bürger sich erkundigen müssen, führt der für das Handwerksrecht zuständige Beamte im Wirtschaftsministerium von Brandenburg, Wolfram Dürr, im Gewerbearchiv 2007/2, Seite 61 aus:
"Der Auskunftsanspruch richtet sich in erster Linie an die für das Handwerksrecht zuständigen Behörden und die Gewerbeämter. Soweit diese Behörden angesichts der Fülle handwerklicher Tätigkeiten nicht in der Lage sind, unmittelbar und verbindlich Auskünfte dieser Art zu erteilen, sind sie gehalten, sich ihrerseits unmittelbar sachkundig und sich die ihnen selbst erteilten Auskünfte nach sorgfältiger und verantwortlicher Prüfung zu eigen zu machen. Das schließt aus, dass die Auskunftssuchenden anstelle einer Auskunft auf nicht unmittelbar auskunftspflichtige Institutionen, z.B. auf Auskünfte der Handwerkskammern, verwiesen werden. Die erteilten Auskünfte haben in verbindlicher - in der Regel also schriftlicher - Form zu erfolgen, um dem Rechtsschutzinteresse der Auskunftssuchenden gerecht zu werden. Der Betroffene muss sich auf diese Auskünfte verlassen dürfen. Die Auskünfte müssen geeignet sein, einen Gutglaubensschutz auszulösen, der vor einer Schwarzarbeitsverfolgung wirksam bewahrt. Ein Gutglaubensschutz kann allerdings nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Auskunftssuchende nachweisbar eine unzulässige Tätigkeit wider besseres Wissen aufgrund einer ihm ersichtlich falschen Auskunft aufnimmt. Die Haftung der auskunftsgebenden Behörden ergibt sich z.B. aus § 839 BGB."
(Hervorhebung durch Unterzeichner)
Ähnlich äußerte sich Wolfram Dürr auch in einem Rundschreiben an die Kommunalen Behörden des Landes Brandenburg vom 21.12.2007. Das Rundschreiben lege ich als Anlage bei.
[hier ein Auszüg aus dem Rundschrieben:]
Die offenen Definitionen der Handwerksordnung zu handwerklichen Tätigkeiten sind für den Laien in hohem Umfang nicht verständlich. Es besteht daher ein Klärungsbedarf und rechtsstaatlicher Auskunftsanspruch, welche Tätigkeiten zwingend einer Meisterprüfung bedürfen und welche Tätigkeiten in welchem Umfang ohne weitere Voraussetzungen, z.B. nach den Kriterien des § 1 Abs. 2 HwO, ausgeübt werden dürfen.
Auskunftspflichtig sind in erster Linie die für das Handwerksrecht zuständigen Behörden und die Gewerbeämter (vgl. vor allem BVerfG, Urteil vom 07.04.2003, 1 BvR 2129/02, GewArch 2003, 243 = NVwZ 2003, 856 = NJW 2003, 2601 = DVBl 2003, 1344). Soweit diese Behörden angesichts der Fülle handwerklicher Tätigkeiten nicht in der Lage sind, unmittelbar und verbindlich Auskünfte dieser Art zu erteilen, sind sie gehalten, sich ihrerseits unmittelbar sachkundig und sich die ihnen selbst erteilten Auskünfte nach sorgfältiger und verantwortlicher Prüfung zu eigen zu machen. Das schließt aus, dass die Auskunftssuchenden anstelle einer Auskunft auf nicht unmittelbar auskunftspflichtige Institutionen, z.B. auf Auskünfte der Handwerkskammern, verwiesen werden.
Die erteilten Auskünfte haben in verbindlicher - in der Regel also schriftlicher - Form zu erfolgen, um den Rechtsschutzinteressen der Auskunftssuchenden gerecht zu werden. Der Betroffene muss sich auf diese Auskünfte verlassen dürfen. Die Auskünfte müssen geeignet sein, einen Gutglaubensschutz auszulösen, der vor einer Verfolgung z.B. von Schwarzarbeit bewahrt. Ausnahmen sind nur in Fällen denkbar, in denen der Auskunftssuchende nachweisbar eine unzulässige Tätigkeit wider besseres Wissen aufgrund einer ihm ersichtlich falschen Auskunft aufnimmt. Die Haftung der auskunftsgebenden Behörden ergibt sich z.B. aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.
Die Klärung der rechtlichen Voraussetzungen einer handwerklichen oder anderen gewerblichen Tätigkeit hat in jedem Falle abschließend vor der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens zu erfolgen. Der Betroffene kann nicht auf die Klärung in einem Bußgeldverfahren verwiesen werden.
Worauf gründet sich die hiervon abweichende Rechtsauffassung Ihres Landkreises, nach der der Landkreis keine derartigen Auskünfte erteilt?
Bei der Frage, ob ein Bußgeld wegen angeblichem Verstoß gegen die Handwerksordnung gerechtfertigt ist, spielt die Frage des Vorsatzes eine wichtige Rolle (anders als bei der Frage, ob ein konkreter Betrieb in die Handwerksrolle eingetragen werden müsste). Die übliche Argumentation der Ordnungsbehörden bei der Frage des Vorsatzes ist nun, dass die Betroffenen als Gewerbetreibende einer erhöhten Erkundigungspflicht unterliegen würden.
Wie können Betroffene Auskünfte erhalten, wenn sich der Landkreis weigert diese Auskünfte zu erteilen? Gibt es in Landkreisverwaltung Mitarbeiter, die fachlich und juristisch kompetent handwerksrechtliche Abgrenzungsfragen mit denen Unternehmer oder deren Vertreter erörtern können, und die kurzfristig verbindliche Rechtsauskünfte zu diesen Fragen erteilen?
Der Verweis auf die Handwerkskammern greift hier zu kurz, denn es ist allgemein bekannt, dass die Kammern sich bei Ihren Auskünften wesentlich von Ihrem Interesse leiten lassen, den Markt im Interesse der Meisterbetriebe weitest möglich abzuschotten. In mittlerweile über 20 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hat sich in den Stellungnahmen des ZDH gezeigt, dass das verkammerte Handwerk die Grundrechte von Handwerkern ohne Meisterbrief regelmäßig zu eng auslegt. Selbst die ergangenen Entscheidungen des höchsten deutschen Gerichts werden von diesen Interessenverbänden nicht akzeptiert und umgedeutet.
Herr Sager, beteiligen Sie sich nicht weiter an dem Grundrechtsraub dieser Organisationen. Erteilen Sie die Auskünfte zu handwerksrechtlichen Fragen, wie dies auch in anderen Bundesländern von den Ordnungsbehörden erwartet wird.
Insbesondere, wenn Sie Bürger wegen angeblichem Verstoß gegen den Meisterzwang Verfolgen muss der Landkreis doch eigenständig beurteilen können, ob ein Verstoß tatsächlich vorliegt. Oder soll ich Sie so verstehen, dass der Landkreis ohne eigene Prüfung Hausdurchsuchungen beantragt, Bußgelder verhängt und um diese durchzusetzen darauf dringt, dass die Betroffenen auf Rechtsmittel verzichten?
Deswegen bitte ich Sie erneut mir einige einzelne handwerkliche Tätigkeiten zu nennen, von deren Ausübung eine unmittelbare Gefahr für Gesundheit und Leben von Dritten ausgeht, bei denen die Qualifikation eines Betriebsleiters diese Gefahr mit hoher Wahrscheinlichkeit abwehrt und bei denen kein milderes Mittel - im Sinne der Verfassungsrechtssprechung zur Berufsfreiheit - zur Abwehr der Gefahren zur Verfügung steht.
Weiter bitte ich Sie um Auskunft, welche Kriterien bei einer "Gesamtbetrachtung" im Sinne von § 1 Handwerksordnung eine Rolle spielen.
Mit freundlichen Grüßen
Die Kreise Plön und Ostholstein sowie die Stadt Neumünster kooperieren bei der Verfolgung von Handwerkern ohne Meisterbrief. Dabei erwecken die Landräte und der Oberbürgermeister den Eindruck, die Ordnungsbehörden würden Steuerhinterzeihung verfolgen. Durch entsprechende Äußerungen - zum Beispiel mit der Vermutung Schwarzarbeit könnte abnehmen weil Handwerkerrechnungen absetzbar sind - verschleiern die Landkreise in der Öffentlichkeit, dass sie in Handwerkern ohne Meisterbrief das Grundrecht auf freie Berufsausübung rauben.
Dass die Behörden eine Interessenorganisation - die Kreishandwerkerschaft - an der Verfolgung von Handwerkern beteiligt untergräbt das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden. Diese Unabhängigkeit von Ermittlungsbehörden ist ein wesentliches Element unserer Rechtsordnung. Wir sollen Bürger das Vertrauen haben, dass Ermittlungsbehörden nicht nur Belastendes ermitteln, sondern auch entlastende Gesichtspunkte, wozu sie verpflichtet sind, wenn sie Ermittlungsbehörden eine Interessenorganisation in Ermittlungstätigkeit einbinden.
Die Verlängerung des Kooperationsvertrags und die Beteiligung der Stadt Neumünster an diesem Vertrag hat der BUH zum Anlass genommen, sich an die Landräte mit einem Offenen Brief zu wenden.
Den Eingang des offenen Briefes hat der Oberbürgermeister von Neumünster Unterlehberg bestätigt, aber eine inhaltliche Antwort ist bis zum 19.03.2008 nicht beim BUH eingegangen.
Der Landrat Dr. Gebel vom Kreis Plön hat bisher nicht geantwortet.
Der Landrat Sager vom Kreis Ostholstein hat geantwortet und mitgeteilt, dass der Landkreis sich bei der Beurteilung, ob eine Verpflichtung zur Eintragung in die Handwerksrolle besteht, auch in Ordnungswidrigkeitenverfahren auf die Bewertung der Handwerkskammer stützt. Eine allgemeine Klärung handwerksrechtlicher Fragen sei nicht möglich.
Durch den Kooperationsvertrag zwischen Ostholstein und Plön, wird auch die Kreishandwerkerschaft - eine Interessenvereinigung - an den Verfolgungen von Handwerkern ohne Meisterbrief beteiligt. Um den Verdacht erst gar nicht aufkommen zu lassen, dass Meisterbetriebe die Möglichkeit erhalten sich so unliebsamer Konkurrenz zu entledigen - oder die Mitgliedsbetriebe vor Verfolgungen geschützt werden, sollten derartige Kooperationen unterbleiben. Immerhin wurde gegen die Kreishandwerkerschaft Wolfsburg ein Bußgeldverfahren geführt, weil sie illegale Arbeitnehmerüberlassung organisiert hat - in einer Zeit in der sie auch die Verfolgung ihrer Konkurrenz finanziert hat.
Nach einem Pressebericht des Holsteinischen Couriers hat Neumünster auch vor 2007 mit der Kreishandwerkerschaft kooperiert.
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681,
mail: BUHev-Buro
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