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Was erwartet mich bei der Ordnungsbehörde, Bußgeld wegen Handwerksausübung, Hausdurchsuchung, Betriebsuntersagung, Betriebsprüfung, Abmahnung, Meisterzwang ist verfassungswidrig

Strukturen der Verfolgungen von Handwerkern ohne Meisterbrief

Bußgeldverfahren wegen angeblichem Verstoß gegen den Meisterzwang

Handwerker ohne Meisterbrief werden häufig mit ungerechtfertigten Bußgeldverfahren überzogen.

Die Bußgeldbescheide genügen in aller Regel - zumindest bei einer guten Verteidigung - nicht den Anforderungen die Gerichte an Bußgeldbescheide legen. Dies zeigen die folgenden Zitate aus der Rechtsprechung in Bußgeldverfahren wegen angeblichen Verstößen gegen den Meisterzwang.

Beispiele für ein Bußgeldverfahren wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung ohne Meisterbrief

Entlastendes wird nicht ermittelt

In den Ermittlungsverfahren wir Entlastendes regelmäßig nicht ermittelt. Dies fängt häufig damit an, daß erst bei einem Einspruch gegen ein Bußgeld versucht wird zu unterscheiden zwischen wesentlichen und nicht wesentlichen Tätigkeiten. Als "nicht wesentlich" wird dann bestenfalls das anerkannt, von dem der Betroffene mit Urteilen nachweisen kann, daß es meisterfrei ausgeführt werden kann. Daran wird sich - so muß man befürchten - auch nach der "Kleinen Handwerksnovelle" (BT-DrS. 15/1089) nichts ändern, denn diese Änderung enthält keine Klarstellung über die bisher bekannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht hinaus.

In die Berechnungen der Bußgeldhöhe werden regelmäßig Handelsumsätze und Umsätze für Tätigkeiten, die an Subunternehmer vergeben wurden, eingerechnet.

Unerhebliche handwerkliche Nebenbetriebe werden nicht selbständig von den Ermittlungsbehörden berücksichtigt.

Bei Ermittlungsverfahren gilt aber der Amtsermittlungsgrundsatz. Die "Ermittler" handeln pflichtwidrig, wenn sie nicht von sich aus auch alles Entlastende ermitteln. Das Interesse hohe Bußgelder zu verhängen darf dabei keine Rolle spielen. Dieses Interesse müßte in Strafverfahren gegen diese "Ermittler" strafverschärfend gewertet werden!

Nötigung auf Rechtsmittel zu verzichten

Bei den, vor der Verhängung eines Bußgeldes stattfindenden Anhörungen, wird häufig erheblicher Druck auf die Betroffenen ausgeübt, sofort und ohne jegliche Beratung auf Rechtsmittel zu verzichten. Dabei wird angedroht, daß wenn nicht sofort auf Rechtsmittel verzichtet wird, das Bußgeld zwei bis viermal so hoch ausfällt. Außerdem wird angedroht, daß wenn nicht sofort auf Rechtsmittel verzichtet wird, alle Kunden angeschrieben werden und diesen mitgeteilt wird, daß der Betroffen Schwarzarbeit begangen hat.

Deswegen zur Rede gestellt, geben die Behördenmitarbeiter an, die Betroffenen müßten vor Anwälten und auch Organisationen wie dem BUH geschützt werden, die Informationen verbreiten, daß man erfolgreich gegen Bußgeldbescheide wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung vorgehen kann.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung GSSt 1/04 vom 03.03.2005 Fachgerichten enge Grenzen bei Urteilsabsprachen aufgelegt. In Ordnungswidrigkeitsverfahren müssen sich die Beamten in den Behörden so verhalten, wie in Strafverfahren die Richter. D.h. nach Auffassung des BGH dürfen Behörden keinen Druck auf Betroffene ausüben, um einen Rechtsmittelverzicht zu erreichen. Die Betroffenen müssen qualifiziert darauf hingewiesen werden, dass sie trotz der Absprache Rechtsmittel einlegen können und nicht zur Abgabe des Rechtmittelverzichts verpflichtet sind. Wenn dies nicht geschehen ist, ist der Rechtsmittelverzicht nichtig.

Selbst wenn diese Praktiken nicht den Tatbestand der Erpressung (§ 253 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Rechtsbeugung (§ 339 StGB) oder Aussageerpressung (§ 343 StGB) erfüllen, dürfte solch eine Rechtsmittelverzicht nichtig sein.

Rufmord während der Ermittlungsverfahren

In anderen Gegenden versuchen die Mitarbeiter der Ordnungsbehörden durch Herantreten an Kunden und das soziale Umfeld der Kunden die Geschäftsbeziehungen der Betroffenen zu zerstören, bevor ein rechtskräftiges Bußgeld festgesetzt wurde, teilweise bevor überhaupt die Ermittlungen abgeschlossen sind.

Kontrollen durch weitere Stellen

Immer wieder erleben wir, dass wenn Ordnungsbehörden mit ihren unberechtigten Anschuldigungen keinen Erfolg haben und die Betroffenen weiter ihr Recht auf selbständige Arbeit in Anspruch nehmen die Ordnungsbehörde andere Stellen aktiviert, um den Betroffenen zu schädigen. Nach erfolglosen Angriffen durch die Ordnungsbehörde werden die Betroffenen immer wieder von anderen Stellen, wie dem Zoll, der Berufsgenossenschaft oder der Zusatzversorgungskasse kontrolliert. Solche Kontrollen haben schikanösen Charakter und schädigen die Unternehmen erheblich auch wenn den Betroffenen nichts vorzuwerfen ist.

Hausdurchsuchungen

Gegen viele Unternehmer ohne Meisterbrief wird mit Durchsuchungen vorgegangen. Diese Durchsuchungen sind regelmäßig sehr belastend. Uns sind mehrere Fälle bekannt wo die Betroffenen sich deswegen in psychologische Behandlung begeben mußten. In der Presse wurde auch von einem Selbstmord nach einer solchen Durchsuchung in Bad Kreuznach berichtet. Gerade im ländlichen Bereich wird allein durch die Durchsuchung die Existenzgrundlage der Betroffenen zerstört. Die Nachbarn bekommen diese Durchsuchung mit. (Teilweise legen es die "Ermittler" ja auch darauf an, daß dies öffentlich wird). Die Betroffenen werden in der Folge sozial ausgegrenzt und ihre Kinder haben das Gefühl, ihre Eltern sein Schwerverbrecher, und sie erleben einen Spießrutenlauf in der Schule.

Allein in Baden-Württemberg werden jährlich vom Wirtschaftskontrolldienst 500 Durchsuchungen wegen angeblich unerlaubter Handwerksausübung durchgeführt.

Im Märkischen Kreis werden jährlich zwischen 15 und 20 Durchsuchungen durchgeführt.

Das Bundesverfassungsgericht verlangt in ständiger Rechtsprechung bei einer derartigen Durchsuchung wegen einem angeblichen Verstoß gegen die Handwerks- oder Gewerbeordnung bzw. dem Schwarzarbeitsgesetz eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Diese findet fast nie statt.

Beteiligung der Handwerkskammern an den Verfolgungen

Bei all diesen Verfolgungen sind häufig die Handwerkskammern (oder Kreishandwerkerschaften oder Innungen) von Anfang bis Ende beteiligt.

Die Anzeigen werden von den Handwerksorganisationen gestellt.

Bei den Durchsuchungen ist häufig ein Mitarbeiter einer Handwerkskammer dabei. Diesem werden manchmal direkt nach der Durchsuchung die beschlagnahmten Unterlagen übergeben. Die Handwerkskammer wertet die Unterlagen aus und bereitet den Bußgeldbescheid vor. Eine eigene Bewertung durch die zuständige Behörde findet nicht statt. Dazu fehlt dort auch die Fachkompetenz.

Bei einem Gerichtsverfahren dient derjenige, der die Anzeige gestellt hat und den Bußgeldbescheid vorbereitet hat, dann als "unabhängiger" Gutachter. Jüngst mußten wir zur Kenntnis nehmen, daß selbst die Anweisung eines OLG, im zurückverwiesenen Verfahren keinen Gutachter einer Handwerkskammer hinzuzuziehen, vom Amtsgericht mißachtet wird und über die Beschwerde des Betroffenen hinweggegangen wird.

Die tatsächliche Unabhängigkeit von allen an Ermittlungen zur Strafverfolgung und der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Beteiligten hat Verfassungsrang. Eine Verletzung dieses Prinzips der Unabhängigkeit kann nicht hingenommen werden.

Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 2138/05 (Absatz 34) vom 15.03.2007 lehnt die Beteiligung der Kammern an Verfolgungsmaßnahmen ab:

Einem solchen Verständnis des Zwecks des Betretungsrechts steht bereits die Aufgabe der Handwerkskammern (vgl. § 91 HandwO) entgegen, als körperschaftlich strukturierte Organisation der Selbstverwaltung die Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen und nicht als staatliche Aufsichts- oder Verfolgungsbehörden tätig zu sein. Als Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung können den Handwerkskammern zwar in begrenztem Umfang auch hoheitliche Aufgaben zugewiesen werden (vgl. § 124 b HandwO), hierzu zählt aber nicht - wie vom Zentralverband des Deutschen Handwerks angenommen - die „allgemeine Wahrung von Recht und Ordnung“.

Immer wieder werden Mitarbeiter von Handwerkskammern und Ordnungsbehörden gemeinsam bei Betroffenen vorstellig. Der Handwerkskammer-Mitarbeiter verlangt nach § 17 HwO Zugang zum Betrieb und Einsicht in die Geschäftsunterlagen (obwohl er hierzu in Fällen der Verfolgung von Schwarzarbeit gerade nicht berechtigt ist; vgl. Mirbach, Die neue Handwerksordnung, Kap 7/4.8). Nach Erfolgter Einsicht werden die Unterlagen vom Mitarbeiter des Ordnungsamts beschlagnahmt.

Die Presse berichtetet in anderen Fällen sehr Kritisch über die Beteiligung von Interessenvertretern (Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen GVU) an Strafverfahren. Die Beteiligung des GVU an einer Durchsuchung und der Auswertung der sichergestellten Beweismittel hat das Landgericht Kiel als rechtswidrig angesehen (Az. 37 Qs 54/06 vom 14.08.2008). Umso erstaunlicher ist es, wenn dies bei den Handwerkskammern toleriert wird.

Immer wieder wollen Handwerkskammern auch Betriebsprüfungen durchführen. Dabei gerufen sie sich auf ein Betretungsrecht nach § 17 Handwerksordnung.

Gewerbeuntersagung nach § 16 Handwerksordnung

Abmahnung - Unterlassungserklärung - "Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb"

Vielfach wird auch das Grundrecht der freien Berufsausübung mit Hilfe des "Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb" eingeschränkt. Insbesondere Innungen kontrollieren Anzeigenblätter und verlangen von jedem Unterlassungserklärungen, der für Tätigkeiten wirbt, die auch von Innungsbetrieben ausgeführt werden. Dabei wird die Unterlassung von Tätigkeiten verlangt unabhängig davon, ob es sich um wesentliche oder nicht wesentliche Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 HwO handelt.

Auch ein Vortrag vor Gericht, daß mit der Werbeanzeige einfache (nicht wesentliche) Tätigkeiten beworben wurden, führen dann nicht dazu, daß das Unterlassungsbegehren auf wesentliche Tätigkeiten beschränkt wird. Auch bei der Bewertung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche von Verbänden gegen einzelne Marktteilnehmer müßten die Grundrechte berücksichtigt werden (vgl. ähnlich BVerfGE 1 BvR 793/03), was aber unterlassen wird. Die kurzen Fristen, die bei diesen Abmahnungen gesetzt werden, machen es den juristisch unbedarften Betroffenen unmöglich, sich vor Fristablauf juristischen Rat einzuholen.

Allgemein falsche Informationen von Ordnungsbehörden

Die erste Hürde für Gewerbetreibende ohne Meisterbrief ist daß sie kaum Hilfestellungen bei der Ermittlung der Tätigkeiten bekommen, die sie ausüben dürfen, bzw. die sie nicht ausüben dürfen.

In einer Dokumentation haben wir zusammengestellt, welche falschen Informationen über Gewerbetätigkeit im handwerklichen Umfeld im Internet von Ordnungsbehörden und Handwerksorganisationen verbreitet werden.

Durch Fachaufsichtsbeschwerden konnten wir an einigen Stellen eine Richtigstellung erreichen, häufig sind die Behörde und auch die Aufsichtsbehörden nicht in der Lage oder willens zu erkennen, daß hier Falschinformationen vorliegen.

Bei diesen Falschdarstellung geht es im wesentlichen um folgende Punkte:

Auch wird regelmäßig das mögliche Tätigkeitsspektrum zu eng gezogen. Dafür wird dann die BVerfGE 1 BvR 2176/98 vom 27.09.2000 bemüht, aber nur unvollständig und dadurch sinnentstellend zitiert. Die Äußerung des Bundesverfassungsgerichts, daß im Einzelfall die volle Kunstfertigkeit eines Handwerks zur Anwendung kommen kann, wird unterdrückt.

Pflichtwidrig geben die Ordnungsbehörden keine oder falsche Auskünfte über die Grenze zwischen den erlaubten und den verbotenen handwerklichen Tätigkeiten.

Als Entschuldigung kann nicht vorgebracht werden, daß der Begriff "wesentliche Tätigkeiten" aus 1 Abs. 2 HwO unbestimmt ist - zumindest nicht solange er restriktiv angewandt wird und Bußgelder nach dieser unbestimmten Regelung verhängt werden. Hier geht es nicht um die verwaltungsrechtliche Frage ob das Ausführen bestimmter Tätigkeiten untersagt wird, sondern darum, ob ohne dass der Betroffene vor der "Tat" ermitteln kann, was er nicht darf, existenzvernichtende Bußgelder verhängt werden.

Individuelle Falschinformationen

Dramatischer gestalten sich die Falschinformationen wenn ein Unternehmer sich individuell über mögliche Tätigkeitsfelder informieren will. In Unkenntnis der Rechtsprechung zu handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen und der Techniken und Arbeitsgänge wird von Behörden fast alles als wesentliche Tätigkeit klassifiziert. Übrig bleiben dann selbst von den normierten Gewerben der Anlage B HwO nur Tätigkeitsspektren, auf denen keine wirtschaftliche Existenzgrundlage aufgebaut werden kann.

Die Verbundenheit zwischen Hauptbetrieb und unerheblichen handwerklichen Nebenbetrieb (§ 2 Nr. 3 HwO) wird unzutreffend eng ausgelegt, so daß Betroffene allein aufgrund dieser "Beratungen" davon ausgehen müßten, daß ein unerheblicher handwerklicher Nebenbetrieb für sie nicht in Frage kommt, obwohl dies tatsächlich der Fall ist. Insbesondere daß die Verbindung mit dem Kundeninteressen begründet werden kann, wird trotz entsprechenden Rechtsprechung (BVerwG Koblenz, Urteil vom 19.08.1986 - 1 C 2/84 -, NVwZ 1987, 132) immer wieder abgestritten.

Die bei individuellen Beratungen mitgeteilten Umsatzgrenzen entbehren jeder sachlichen und rechtlichen Grundlage und sind bei weitem zu niedrig.

Die Ordnungsbehörden sind regelmäßig selber nicht in der Lage, überhaupt Auskünfte zu erteilen und verweisen dann ausschließlich auf die Handwerkskammern und Kreishandwerkerschaften, obwohl es in ihrer eigenen Zuständigkeit liegt darüber zu informieren, unter welchen Voraussetzungen sie ein Bußgeldverfahren wegen unerlaubter Handwerksausübung einleiten.

Soweit die Behörden in Bußgeldverfahren vor Gerichten behaupten, der Betroffene hätte durch Nachfrage bei der Behörde erfahren können, was er nicht darf, ist dies in der Regel eine Lüge vor Gericht.

Einflußnahme, sich nicht von bestimmten Anwälten vertreten zu lassen

Sowohl bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen, als auch in Bußgeldverfahren versuchen Behörden und Handwerkskammern massiv Einfluß auf Betroffene zu nehmen bestimmte Anwälte nicht mit der Vertretung ihrer Interessen zu beauftragen - und zwar gerade solche, die sich auf Handwerksrecht spezialisiert haben und im Sinne ihrer Mandanten höchst Erfolgreich sind. Hierbei wird auch vor unwahren Behauptungen und Drohungen nicht zurückgeschreckt. (Ordnungsamt Mannheim: "Die Anwältin bringt nichts.", Ordnungsamt Mannheim: "Der Anwalt gewinnt von 100 Fällen nur 5 bis 10" (was falsch ist), HwK Hamburg: "Wenn Sie den Anwalt haben, bekommen Sie keine Ausnahmebewilligung.")

Dieses Verhalten beeinflußt unzulässig die freie Anwaltswahl der Betroffenen und ist rufschädigend für die Anwälte. Den Betroffenen wird dadurch das Recht auf einen anwaltlichen Vertreter beschnitten.

Weitergabe von Ermittlungsergebnissen an unbeteiligte - teilweise auch an die Presse

In verschiedenen Filmberichten waren Verfolgte zu sehen, bei denen die Behörden die Filmaufnahmen ermöglicht haben. Z.B. bei einer Durchsuchung war ein Filmteam von Frontal 21 (ZDF) dabei, ohne daß der Betroffene darüber informiert wurde, daß es sich dabei um ein Fernsehteam handelt und nicht - wie er dachte - um Ermittlungsbeamte.

In einem Filmbericht von Focus-TV hat der "Ermittler" Herr Kahle - freier "Ermittler" des Landkreises Gifhorn mit finanzieller Beteiligung an Bußgeldern - selber die Identität eines Betroffenen bekannt gegeben und sogar das Vorliegen von Ordnungswidrigkeiten behauptet, die dem Betroffenen nie in einem Bußgeldverfahren vorgeworfen wurden.

In der Presse wird im Umkreis von Gifhorn teilweise unter Nennung des Namens über Ermittlungsinterna berichtet, was die mangelnde Geheimhaltung von Ermittlungsergebnissen belegt. Aus einer Daten-CD, die im Internet angeboten wurde, konnten wir eine Liste von Bußgeldern von Betroffenen erstellen. Auch bei einem Bürgermeister, über den in der Presse berichtet worden war, daß er ein fünfstelliges Bußgeld habe zahlen müssen, konnten wir aus dieser Liste entnehmen, wie hoch das gegen ihn verhängte Bußgeld war.

Staatliches Gewaltmonopol wird durch finanzielle und personelle Beteiligung der Handwerksorganisationen aufgehoben

Die Ermittlungen gegen Unternehmer ohne Meisterbrief werden in verschiedenen Regionen von Handwerksorganisationen finanziert. Die Landtagsdrucksache 15/960 (Seiten 42 ff) aus Schleswig-Holstein gibt detailliert Auskunft über die finanzielle und personelle Beteiligung der Handwerksorganisationen an der Verfolgung der Konkurrenten von Kammermitgliedern. Dabei bekommen die Kammermitarbeiter hoheitliche Befugnisse übertragen und tiefen Einblick in die Geschäftsgeheimnisse der Konkurrenten ihrer Mitglieder.

Tatsächlich - insbesondere wegen der Unkenntnis bei den, für die Verfolgung von unerlaubter Handwerksausübung zuständigen, Städten und Kreise - haben die Kammern durch ihre finanzielle und personelle Beteiligung die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen und Gutdünken Ermittlungen durchzuführen und Bußgeldbescheide durchzusetzen. Eine nach rechtsstaatlichen Grundsätzen notwendige Unabhängigkeit dieser Mitarbeiter ist bei diesen Beschäftigungskonstruktionen nicht gegeben.

In Niedersachsen gibt es in mindestens Gifhorn, Celle, Lüneburg und Uelzen "Ermittler", die an den verhängten Bußgeldern, gegen die kein Rechtsmittel eingelegt wird, mit bis zu mindestens 10 % beteiligt werden. Zumindest bei diesen "Ermittlern" erklärt diese Beteiligung, warum Entlastendes nicht ermittelt wird und versucht wird einen sofortigen Rechtsmittelverzicht mit Druck zu erwirken.

Auch hier sind Handwerksorganisationen an der Finanzierung der festen Gehaltsbestandteile dieser "Ermittler" beteiligt.

Auch in anderen Bundesländern finanzieren Handwerksverbände die Verfolgung der Konkurrenten ihrer Mitglieder und von Handwerksverbänden engagierten Personen wird zugestanden, hoheitliche Funktionen auszuführen (wie z.B. das Aufnehmen von Personalien - Amtsanmaßung).

Eine Trennung zwischen privaten Interessen der bei den Handwerksverbänden organisierten Mitglieder und der öffentlichen Interessen ist nicht gegeben. Das staatlich Gewaltmonopol ist durch die Einbeziehung von Interessenverbänden in staatliche Gewalt aufgehoben.

Die Handwerkskammern und Kreishandwerkerschaft mögen zwar Körperschaften des öffentlichen Rechts sein, aber sie sind trotzdem Interessenvertreter d.h. den Interessen der Mitglieder und nicht den Interessen der Allgemeinheit verpflichtet. Außerdem unterstehen sie nicht in ausreichendem Maß der Kontrolle der Parlamente; schon deswegen verstößt eine solche Praxis gegen Artikel 20 Abs. 2 GG "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus."

In einer unheiligen Symbiose zwischen dem Interesse, Konkurrenten vom Markt zu drängen (Handwerk) und bei knappen Kassen Bußgeldeinnahmen zu erzielen (Ordnungsbehörden), bleiben das Grundrecht auf freie Berufsausübung von Unternehmern ohne Meisterbrief auf der Strecke, rechtsstaatliche Methoden werden mit Füßen getreten.

"Fortbildungen" für Richter durch Handwerkskammern

Handwerksverbände bieten Fortbildungen für Richter an. So hat z.B. der westdeutsche Handwerkskammertag (WHKT) am 26.06.02 in Schloß Raesfeld eine "Richter-Fortbildung" zum Thema "Handwerksrecht" angeboten. Diese Fortbildung wurde in Zusammenarbeit mit dem OVG Münster vorbereitet. Dem OVG Münster war es wichtig, daß auch andere Juristen als nur Richter an der Veranstaltung teilnehmen. Drei Juristen, mit denen wir zusammenarbeiten, wurden aber zu dieser Veranstaltung wegen angeblicher Überfüllung nicht zugelassen. Nachdem wir das OVG Münster darüber informiert haben, wurde die Veranstaltung wohl abgesagt, aber auf lokaler Ebene haben trotzdem viele Kontakte zwischen Handwerkslobbyisten und Richtern stattgefunden. Auch in anderen Bereichen finden immer wieder Treffen zwischen Handwerkslobbyisten und Richtern statt. Eine unabhängige Darstellung juristischer Zusammenhänge kann von den Organisationen des Handwerks wegen ihrer eigenen Interessen aber nicht erwartet werden.

Resümee zu den Strukturen der Verfolgung

Bei all dieser rechtswidrigen Verfolgung und den dabei rechtswidrig verwendeten Methoden handelt es sich nicht um Einzelfälle. Diese Methoden werden systematisch angewandt und weiter verbreitet. In Presseberichten wird von Tagungen berichtet, bei denen das sogenannten "Gifhorner Modell" mit seinen Vergütungs- und Anreizstrukturen des dort tätigen "Ermittlers" propagiert wurde.

Mitarbeiter in den Ordnungsbehörden haben uns mündlich mitgeteilt, daß dieses System den Ordnungsbehörden auf Veranstaltungen von Land und Handwerksorganisationen angepriesen wurde mit dem Ziel, über Bußgeldeinnahmen die Kassenlage aufzubessern. In den dort zur Verfügung gestellten Berechnungen war bewußt kein Personalaufwand vorgesehen für die Klärung von handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen.

Strafanzeigen, in denen wir versucht haben gegen diese Praktiken vorzugehen wurden von den Staatsanwälten eingestellt, die sonst mit den "Ermittlern" vor Gericht zusammenarbeiten.

Bei diesen Grundrechte beschneidenden und Verfassungsgrundsätze mißachtenden Praktiken, die nicht anders als verfassungsfeindlich bezeichnet werden können, haben wir den Eindruck, daß hinter diesen rechtswidrigen Methoden und deren Verbreitung eine kriminelles Geflecht steht, das als kriminelle Vereinigung bezeichnet werden muß.

Entscheidung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg VfGBbg 87/02 vom 25.10.2002

Über eine derartige Verfolgung hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg in seinem Beschluss vom 25.10.2002 entschieden. Dort heißt es:

Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau sind Geschäftsführer der Gesellschaft mbH. Gegen beide wurde durch den Oberbürgermeister der Stadt C. nach einer Baustellenkontrolle Anfang Mai 2001 ein Bußgeldverfahren eingeleitet, weil der Verdacht entstanden war, daß sie ohne entsprechende Eintragung in die Handwerksrolle Fliesen verlegen ließen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit). Seit Ende Juni 2001 bemühte sich der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers, der eine Vollmacht überreicht hatte, ergebnislos um Akteneinsicht in die Verfahrensakte. Auf Antrag des Oberbürgermeisters erließ das Amtsgericht C. am 2. August 2001 drei Beschlüsse, mit denen es die Durchsuchung der Geschäftsräume der Gesellschaft, der Wohnräume des Beschwerdeführers und seiner Frau und die Durchsuchung der Geschäftsräume eines Steuerbüros anordnete. Der Oberbürgermeister teilte daraufhin mit Fax vom 27. August 2001 dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit, die Akteneinsicht könne erfolgen, als Termin zur Abholung der Akte sei der Zeitraum vom 5. bis 7. September vorgemerkt.
Am 30. August 2001 wurde die Durchsuchung der Geschäftsräume des Beschwerdeführers vollzogen. Gegen 14.20 Uhr erschienen Mitarbeiter des Ordnungsamtes und der Handwerkskammer in den Geschäftsräumen und händigten dem Beschwerdeführer den Durchsuchungsbeschluß aus. Ausweislich eines Vermerkes des Ordnungsamtes verhinderte der Beschwerdeführer zunächst „durch körperliche Zurückweisung“ das Betreten der Räume. Daraufhin wurde ihm, wie es im Vermerk weiter heißt, „ein telefonisches Gespräch mit seinem ihn vertretenden Rechtsanwalt ... gestattet“. Im weiteren Verlauf des Telefonates sprach auch eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes mit dem Verteidiger, erläuterte die Vorwürfe wie auch den Durchsuchungsbeschluß und wies auf die Möglichkeit von „Vollzugshilfe“ hin. Im Anschluß an das Telefonat wurden die Geschäftsräume von 14.45 Uhr bis 15.50 Uhr durchsucht und zwei Ordner mit Arbeitsverträgen und Rechnungen sichergestellt.
Unmittelbar im Anschluß an die Durchsuchung wurde der Beschwerdeführer in den Räumen des Ordnungsamtes vernommen. In einer Aktennotiz heißt es, der Beschwerdeführer sei nach Abschluß der Durchsuchung „mit seinem Einverständnis in die Diensträume des Ordnungsamtes zwecks Anhörung nach § 55 OWiG“ gebeten worden. Der Verteidiger wurde von der Vernehmung nicht informiert. In der Betroffenenvernehmung, die ausweislich des Protokolls von 16.55 Uhr bis 18.05 Uhr stattfand, wurde der Beschwerdeführer zunächst darauf hingewiesen, daß das Gesetz Bußgelder bis 200.000 DM ermögliche. Im weiteren Verlauf der Vernehmung kam es zu einer Absprache, die vorsah, daß der Beschwerdeführer sich zum Tatvorwurf einlassen und daß das Bußgeld 30.000 DM betragen solle. Auch ein Rechtsmittelverzicht stand im Raum. Im Verlauf der weiteren Befragung erläuterte der Beschwerdeführer dann zunächst, daß seine Ehefrau zwar ebenfalls Geschäftsführerin der Gesellschaft sei, mit den konkreten Vorgängen aber nichts zu tun habe. In der Folge machte er Angaben zum Tatvorwurf, die ihn belasteten. Am Ende dieses Gespräches erließ der Oberbürgermeister einen Bußgeldbescheid, in dem gegen den Beschwerdeführer eine Geldbuße von 30.000 DM verhängt wurde. Gleichzeitig wurde eine Gebühr von 1.500 DM festgesetzt. Der Bescheid enthielt eine Zahlungsaufforderung, in der dem Beschwerdeführer eine Zahlung des Gesamtbetrages in 27 Raten zugebilligt wurde. Der Beschwerdeführer unterzeichnete um 18.35 Uhr einen Rechtsmittelverzicht und beantragte, die Geldbuße in 27 Raten zahlen zu dürfen. In dem Antrag nahm er auf den „rechtskräftigen“ Bußgeldbescheid Bezug.
Am 7. September 2001 legte der Beschwerdeführer durch seinen Verteidiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein, der am 20. September 2001 durch den Oberbürgermeister gem. § 69 Abs. 1 Satz 1 OWiG wegen des erklärten Rechtsmittelverzichtes als unzulässig verworfen wurde. Dagegen beantragte der Beschwerdeführer unter dem 26. September 2001 gerichtliche Entscheidung. Der Rechtsmittelverzicht sei unwirksam, weil er Teil einer verfahrensbeendenden Absprache gewesen sei und weil ein Fall notwendiger Verteidigung vorgelegen habe. Zudem sei eine erhebliche Drucksituation gegen ihn aufgebaut worden. Hinzu komme, daß seinem Rechtsanwalt mehrfach Akteneinsicht verweigert worden sei. Das gesamte Geschehen verletze seinen Anspruch auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör.
Mit Beschluß vom 22. Mai 2002 verwarf das Amtsgericht den Antrag als unbegründet. Aufgrund des wirksam erklärten Rechtsmittelverzichtes sei ein Verfahrenshindernis entstanden. Der Beschwerdeführer, der die Möglichkeit gehabt habe, sich mit seinem Anwalt zu besprechen, habe ausdrücklich erklärt, er wolle das Verfahren ohne anwaltliche Vertretung abschließen. Ein Fall von notwendiger Verteidigung habe nicht vorgelegen. Der Beschwerdeführer habe auch nicht nähere Angaben zum Zustandekommen des Rechtsmittelverzichtes gemacht.
Am 17. Juli 2002 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 52 Abs. 3 (rechtliches Gehör) und Art. 53 Abs. 4 (Recht auf Beistand eines Verteidigers) der Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Es stehe aufgrund der vorliegenden Schriftstücke zum Bußgeldbescheid fest, daß der Verzicht schon vor Erlaß des Bescheides erklärt worden sei. Jedenfalls sei der Rechtsmittelverzicht Teil einer verfahrensbeendenden Absprache gewesen sei. Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung führten derartige Absprachen zur Nichtigkeit des Rechtsmittelverzichtes. Im übrigen wiederholt und vertieft der Beschwerdeführer sein Vorbringen aus dem Einspruchsschreiben.

Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Der Niedergang des Rechtsstaats

Auch in anderen Rechtsbereichen scheint der Rechtsstaat sich im Niedergang zu befinden.

Behörden haften für die von ihnen verursachten Schäden

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