BUH-Stellungnahmen, Argumente gegen den Meisterzwang, Studien zum Meisterzwang, Thesen zum Meisterzwang Qualität, Ausbildungsleistung, Inländerdiskriminierung, Meisterzwang ist verfassungswidrig
So heisst es in Kapitel 2 "Der Industriesektor, der in Deutschland eine bedeutende Rolle für die Exporte spielt, verzeichnete in den vergangenen zehn Jahren in Bezug auf das Wachstum der Arbeitsproduktivität und die internationale Wettbewerbsfähigkeit gute Ergebnisse, während der Dienstleistungssektor wesentlich langsamere Zuwachsraten aufwies. Der Wettbewerb scheint häufig durch den Schutz etablierter Anbieter behindert zu werden. Eine Reform und Deregulierung der binnenwirtschaftlich orientierten Sektoren, einschließlich der Netzindustrien, Handwerksberufe und freien Berufe würde das versteckte Wachstumspotenzial freisetzen und sich für die Wirtschaft insgesamt als vorteilhaft erweisen. Sie könnte auch zu einer Stärkung der Binnennachfrage und Verringerung der Exportabhängigkeit der Wirtschaft beitragen."
EUROPÄISCHE KOMMISSION Brüssel, den 29.5.2013 - COM(2013) Empfehlung für eine EMPFEHLUNG DES RATES zum nationalen Reformprogramm Deutschlands 2013 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Deutschlands für die Jahre 2012 bis 2017
"Die Situation im Dienstleistungssektor hat sich seit letztem Jahr nicht signifikant verändert und im Hinblick auf den Zugang zu bestimmten Berufen und deren Ausübung gibt es nach wie vor Beschränkungen. Deutschland sollte stärker an der Öffnung des Dienstleistungssektors arbeiten, indem ungerechtfertigte Beschränkungen und Marktzutrittsschranken abgeschafft werden, was das Preisniveau senken und Dienstleistungen für die unteren Einkommensgruppen bezahlbarer machen wird. In vielen Handwerksbranchen, einschließlich im Baugewerbe, ist nach wie vor ein Meisterbrief oder eine gleichwertige Qualifikation erforderlich, um einen Betrieb zu führen. Im Baugewerbe bestehen außerdem Einschränkungen hinsichtlich der kommerziellen Kommunikation und der Zulassungsverfahren. Viele freiberufliche Dienstleistungen unterliegen zudem Anforderungen an die Rechtsform und in Bezug auf die Gesellschafter. Deutschland könnte prüfen, ob sich die gleichen im öffentlichen Interesse liegenden Ziele nicht durch eine weniger strikte Reglementierung erreichen ließen. Die verschiedenen Regelungen auf Länderebene weisen ebenfalls darauf hin, dass Spielraum für weitere Anstrengungen besteht, um die mit dem geringsten Aufwand verbundenen regulatorischen Ansätze zu ermitteln und deren Anwendung bundesweit auszudehnen und auf diese Weise den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern."
Die EU-Kommission "EMPFIEHLT, dass Deutschland im Zeitraum 2013-2014 ...Maßnahmen ergreift, um den Wettbewerb im Dienstleistungssektor weiter zu beleben, einschließlich bestimmter Handwerke, insbesondere im Baugewerbe, und der freien Berufe, um inländische Wachstumsquellen zu fördern;..."
Siehe dazu auch:
Deutsches Institut für Wirtschaft Berlin: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 77 (2008), 1, S. 51–64, von Karl Brenke
Ein von der Öffentlichkeit wenig beachteter Teil der Agenda 2010 war die Novellierung der Handwerksordnung. Veränderungen bei den bestehenden Marktzugangsbedingungen gehörten jedoch ohnehin auf die Tagesordnung, weil sie im Konflikt zu den Wettbewerbsbedingungen der EU standen. Die Neuordnung des deutschen Handwerksrechts blieb allerdings nur Stückwerk, denn ein großer Teil der handwerklichen Aktivitäten unterliegt weiterhin starken Marktbeschränkungen. Offensichtlich hat die Politik vor einer weitergehenden und grundlegenden Reform angesichts des zu erwarteten Widerstandes von Interessensgruppen zurückgeschreckt. Weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Handwerks in Deutschland - wie in kaum einem anderen Marktsegment - immer stark politisch beeinflusst waren, wird im Folgenden zunächst ein Überblick über die Geschichte des Handwerksrechts hierzulande gegeben. Insbesondere soll gezeigt werden, dass die Handwerksordnung kein Überbleibsel der alten Zunftrechte ist, sondern dass es auch Zeiten gab, in denen es in Deutschland freizügiger zuging als heutzutage. Danach wird auf die Debatten vor der jüngsten Reform eingegangen sowie auf deren Ausgestaltung und Wirkungen.
Aus dem Fazit:
Die Novellierung der Handwerksordnung des Jahres 2004 war viel zu zaghaft, denn eine umfassende Liberalisierung gab es nur für einen kleinen Teil des Handwerks. Dort hat die Reform allerdings eine starke Wirkung gezeigt, denn in einer Reihe jener Handwerke, in denen der Große Befähigungsnachweis nicht mehr gilt, kam es in kurzer Zeit zu einem starken Anstieg bei der Zahl der Betriebe. Unbekannt ist, inwieweit damit auch ein Anstieg der Beschäftigungszahl einherging. Aber selbst in dem Falle, wenn unter dem Strich die Beschäftigung nicht gestiegen wäre, ist die Reform als ein Erfolg zu werten, denn sie hat den Wettbewerb gesteigert. Schon das ist in volkswirtschaftlicher Hinsicht ein Gewinn. Bemerkenswert ist, dass dieser Erfolg kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird und sich die Politik darüber ausschweigt, obwohl sie doch ansonsten nur allzu gern Erfolge an ihre Fahne heftet und damit herumschwenkt. Möglicherweise möchte sie Diskussionen darüber vermeiden, dass aufgrund der Erfolge weitergehende Liberalisierungen nahe liegen – die aber deren politische Gegner auf den Plan rufen würden.
Eine Berechtigung für die Bebehaltung des Handwerksrechts ist aus ökonomischer Perspektive
nicht zu erkennen. Das Argument, dass große Teile des Handwerks deshalb zulassungspflichtig
sein müssen, weil ansonsten gesundheitliche Gefahren drohen, kann
nicht überzeugen. Denn es gibt auch andere mit Gefahren verbundene wirtschaftliche
Tätigkeiten (z. B. das Schädlingsbekämpfungsgewerbe), die nicht so starken Reglementierungen
unterliegen wie das Handwerk. Vielmehr ist das Argument vorgeschoben. Um
es auf die Spitze zu treiben: Wenn zur Ausübung des Konditorberufes wegen der damit
verbundenen Gefahren ein Großer Befähigungsnachweis erforderlich ist, dann sollte die
Politik konsequenterweise den privaten Haushalten das Backen von Kuchen verbieten.
Die Pulikation bestellen
In der Studie "Going for Growth 2008" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird erneut die Deregulierung des Handwerksrechts verlangt. In den Empfehlungen für Deutschland heißt es: "Es wird auch empfohlen die Qualifikationsbezogenen Markteintrittbeschränkungen im Handwerk abzuschaffen und insgesamt die administrativen Hürden für Unternehmen zu reduzieren".
Die Studie empfiehlt Deutschland Reglementierungen abzubauen, um Wettbewerb zu stärken und kritisiert, dass weiterhin Marktzugangsbeschränkungen durch Qualifikationsanforderungen im Handwerk bestehen.
In den Empfehlungen der Studie heißt es:
Reduce regulatory barriers to competition
Regulations in many activities limit competition with adverse effects in productivity. Regulations of professional services are more restrictive than OECD average. Also special qualification-related entry requirements still reduce competition in the crafts.
Zusammenfassung auf Deutsch: Das Wachstum fördern: Ausgabe 2007
In dem Jahresgutsachten vom 9.11.2005 wird die Handwerksordnung und der Meisterzwang zwei mal erwähnt:
228: ... "Die Reform der Handwerksordnung und die Erleichterung von Kleingewerben waren hier richtige Schritte, möglicherweise ebenso die Einführung der Ich-AG, doch sollten alle staatlichen Ebenen bei ihren Bemühungen um einen Bürokratieabbau dort nicht stehen bleiben. Dies illustriert im Übrigen, dass eine Deregulierung auf den Gütermärkten merkliche Rückwirkungen auf den Arbeitsmarkt haben kann, zumal sie sich moderierend auf die Lohnsetzung auswirkt - wo nach dem Fall von Wettbewerbshindernissen weniger ökonomische Renten wie etwa Monopolgewinne anfallen, entfällt auch der Streit über deren Aufteilung."
595: "Divergierende Inflationsentwicklungen können auch daraus resultieren, dass in den Mitgliedsländern die Deregulierung der Märkte für Güter und Dienstleistungen unterschiedlich schnell voranschreitet. Verfügen die Leistungsanbieter infolge von Regulierungen, beispielsweise Marktzutrittsschranken in der Form eines Monopols für Post- oder Telekommunikationsdienstleistungen oder des Meisterzwangs im Handwerk, über Marktmacht, so schlägt sich diese in Monopolrenten für die Anbieter und in höheren Preisen für die Nachfrager nieder. Eine Deregulierung des betreffenden Marktes führt zu einem Abbau dieser Renten und tendenziell auch zu Qualitätsverbesserungen. Ein Beispiel hierfür bietet der Markt für Telekommunikationsdienstleistungen. In einem Land, das derartige Deregulierungsmaßnahmen weiter oder schneller vorantreibt als andere Mitgliedsländer, fällt daher der Preisanstieg tendenziell schwächer aus."
vom 15.03.2006
Auszug:
Zielsetzung der zukünftigen Gesetzgebung sollte eine weitere Reduzierung der nach der HWO 2004 noch 18 Bauhandwerke mit Meisterzwang (großer Befähigungsnachweis) sein (mit der Zusammenfassung von Leistungen des Rohbaus, des Ausbaus, der Technischen Gebäudeausrüstung sowie des Straßenverkehrswege-, Schienenverkehrswegebaus und des sonstigen Tiefbaus).
Die erwarteten Vorteile sind:
- Reduzierung der Schnittstellen zwischen den 18 Gewerken und damit Steigerung der Qualität sowie der Kosten- und Bauzeitsicherheit
- Stärkung der Vorfertigung durch Produktintegration der Baustoffindustrie
- Vereinfachung des Marktsegmentes „Bauen im Bestand“ und dadurch
- Verringerung der Schwarzarbeit.
Der Zugang zum großen Befähigungsnachweis sollte dadurch erleichtert werden, dass auch Architekten, Ingenieure und technische Betriebswirte des Handwerks ohne Meisterprüfung im Handwerk Betriebsgründungen vornehmen können. Zulassungsbeschränkungen sind im Hinblick auf fehlende Berufszulassungsverordnungen im Handwerk der anderen EU-Länder wettbewerbsbeschränkend. Eine EU-Richtlinie kann, ggf. im Zusammenhang mit Qualifikationsverfahren, für Vereinheitlichung sorgen.
Die Monopolkommission begrüßt die durch zwei Ende 2003 verabschiedete Gesetze vorgenommene Novellierung der Handwerksordnung mit der Beschränkung des Meisterzwangs von früher 94 auf nunmehr 41 Handwerke, der Erleichterung des Marktzugangs im meisterpflichtigen Handwerk für Altgesellen und der Erleichterung der selbständigen Ausführung einfacher handwerklicher Tätigkeiten. Sie sieht darin einen wichtigen ersten Schritt zur Liberalisierung des Marktzutritts im Handwerk und bedauert, dass der Einspruch des Bundesrats die von der Bundesregierung zunächst angestrebte weitergehende Liberalisierung verhindert hat. Von der Freigabe sind 90 % der bisherigen Meisterbetriebe nicht betroffen.
Während die Beschränkung der Berufsfreiheit in der Vergangenheit mit dem Gemeinschaftsgut der Qualitätssicherung begründet wurde, stellt der Gesetzgeber nunmehr auf die "Gefahrengeneigtheit" und die "Ausbildungsleistung" ab. Damit wird erneut die Frage nach der verfassungsrechtlichen Reichweite und Zulässigkeit der Beschränkungen aufgeworfen. Die Monopolkommission spricht sich weiterhin für eine gänzliche Abschaffung des Meisterzwangs als Marktzugangsvoraussetzung aus. Eine Sonderstellung des Handwerks ist auch nicht durch eine Gefahrenabwehr stichhaltig zu begründen.
Auszug zur Novellierung der Handwerksordnung aus der Kurzfassung
Auszug zur Novellierung der Handwerksordnung aus der Langfassung
Stellungnahme des BUH zum XV. Hauptgutachten der Monopolkommission
Ergänzung zu der Stellungnahme - Meisterzwang kein Instrument des Verbraucherschutzes ?
Der OECD-Bericht "Regulierungsreform in Deutschland - Konsolidierung der wirtschaftlichen und sozialen Erneuerung" fordert im Sektor Handwerk den Marktzugang und Wettbewerb zu fördern.
Der Europäische Rat hat eine Taskforce Beschäftigung eingesetzt und einen Beschäftigungsbericht vom November 2003 erstellen lassen. In diesem Bericht wird Deutschland folgender Hinweise (Seite 65) gegeben:
Die Anpassungsfähigkeit steigern
Die Vorschriften für Unternehmensgründungen vereinfachen (beispielsweise in möglichst wenigen Berufen einen Meisterbrief voraussetzen) und die Entwicklung von KMU fördern, vor allem durch besseren Zugang zu Finanzierungen; die unternehmerische Kultur im Osten des Landes fördern.
Im Jahresgutachten 2003/04 des Sachverständigenrats ("Staatsfinanzen konsolidieren - Steuersystem reformieren" auf Kapitel 2, Seite 241f. Randnummer 252 führt der Sachverständigenrat zu den geplanten Änderungen der Handwerksordnung aus:
Die Reformen beseitigen, ungeachtet der verbleibenden Beschränkungen bei Gewerben der Anlage A, eine ganze Reihe von Verzerrungen und Marktzutrittshemmnissen im Handwerk. Sie dürften zu einer Intensivierung des Wettbewerbs und, im Gegensatz zu anderslautenden Befürchtungen, zur Schaffung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten und einer Eindämmung der Schattenwirtschaft führen. Vor diesem Hintergrund sind sie ausdrücklich zu begrüßen.
Zugangsbeschränkungen zum Handwerk lockern und modernisieren
365. In einem wichtigen Teilbereich des Mittelstands, nämlich dem Handwerk, wird der Wettbewerb durch Zugangsbeschränkungen erschwert. Die Zugangsbeschränkung beruht darauf, dass nur diejenige Person berechtigt ist, ein Handwerksunternehmen zu betreiben, die in der Handwerksrolle eingetragen ist. Voraussetzung dafür ist wiederum der Große Befähigungsnachweis, der durch die Meisterprüfung erworben wird und der zugleich zur Ausbildung von Lehrlingen berechtigt. Der Erwerb des Meisterbriefs ist eine kostenund zeitaufwendige Angelegenheit; denn Voraussetzung für die Zulassung zur Meisterprüfung ist eine entsprechende Gesellenprüfung sowie eine mehrjährige Tätigkeit als Geselle.
Ausnahmen von dem Erfordernis, einen Meisterbrief zu erwerben, um einen Handwerksberuf selbständig auszuüben, sind in der Handwerksordnung aus dem Jahre 1953 vorgesehen, zum Beispiel durch Anerkennung gleichwertiger Prüfungen, bei handwerklichen Neben- und Hilfsbetrieben sowie bei der Ausübung eines Reisegewerbes. Weitere Ausnahmegenehmigungen wurden in den Handwerksnovellen der Jahre 1994 und 1998 geschaffen. Allerdings müssen diese Ausnahmen von den Handwerkskammern genehmigt werden. Die in den Kammern organisierten Handwerksmeister haben kein Interesse, die Hürden für zusätzliche Konkurrenten durch derartige Genehmigungen zu senken. Deshalb sind Anträge auf solche Ausnahmegenehmigungen häufig sehr restriktiv gehandhabt worden.
Um hier voranzukommen, hat sich im November 2000 der "Bund-Länder-Ausschuss Handwerksrecht" auf gemeinsame Leitlinien für eine möglichst einheitliche und flexiblere Anwendung der Handwerksordnung geeinigt (Leipziger Beschlüsse). Dort wurde zum Beispiel festgehalten, dass auf die Voraussetzung des Meisterbriefs zu verzichten ist, wenn bis zur Ablegung der Meisterprüfung aus organisatorischen Gründen eine unzumutbare Wartezeit vorliegt. Eine Wartezeit von zwei Jahren oder länger gilt in jedem Fall als unzumutbar.
366. Einen neuen Anstoß, den Großen Befähigungsnachweis in Frage zu stellen, gab das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 3. Oktober 2000, wonach es mit dem europäischen Recht nicht vereinbar ist, das Verfahren zur Ausnahmeerteilung so zu gestalten, dass ein Anbieter aus einem anderen EU-Staat, der dort die betreffende Tätigkeit auszuüben berechtigt ist und darüber eine Bestätigung vorlegen kann, zeitliche Verzögerungen und finanzielle Belastungen (Verwaltungsgebühren oder Pflichtbeiträge) hinnehmen muss.
Abgesehen von den grenzüberschreitenden Wettbewerbsverzerrungen beschränkt der Große Befähigungsnachweis den Wettbewerb im Inland. Diesem Nachteil stehen keine hinreichenden Vorteile gegenüber; denn die Qualitätssicherung der handwerklichen Leistungen und die Aufrechterhaltung und Pflege eines hohen Leistungsstands, die zur Begründung dieser Marktzutrittsregulierung vor allem angeführt werden, können teils durch das Vorschreiben eines Meisterbriefs gar nicht erreicht werden, teils lassen sie sich durch andere Maßnahmen besser erreichen. Die Meisterqualifikation kann nämlich in Berufszweigen, die einem raschen Wandel unterworfen sind, die Aufrechterhaltung des Leistungsniveaus im Zeitverlauf nicht garantieren. Hierfür wären Vorschriften, wonach Zusatzqualifikationen im Zuge beruflicher Fort- und Weiterbildung erworben werden müssen, eine bessere Lösung. Ein entsprechender zusätzlicher, zu erneuernder Sachkundenachweis wäre auch im Hinblick auf den Gefahrenschutz bei einer Reihe von Handwerken besser als eine einmalig zu absolvierende Meisterprüfung. Hinzu kommt, dass die meisten Handwerksleistungen gar nicht vom Meister selbst erbracht werden und dieser nicht alle von seinen Gesellen und Lehrlingen ausgeführten Arbeiten im Detail kontrollieren kann.
Deshalb sollte die Absichtserklärung im Koalitionsvertrag, den mit den Leipziger Beschlüssen eingeleiteten Liberalisierungsprozess insbesondere durch Erleichterung der Betriebsübernahme für langjährige Gesellen und durch Auflockerung des Inhaberprinzips fortzuführen, aufgegriffen und dahingehend erweitert werden, dass langfristig der Große Befähigungsnachweis durch zeitlich gestaffelte Sachkundeprüfungen und Zertifizierungen ersetzt wird. Dabei ist darauf zu achten, dass die Zulassung zu den einzelnen Teilprüfungen nicht an unnötig restriktive Voraussetzungen gebunden wird.
392. ... Konkret könnten etwa Genehmigungen - beispielsweise im Baubereich - als erteilt gelten, wenn nicht in gesetzter Frist eine Ablehnung erfolgt; faktisch geltende Marktzugangsbeschränkungen, wie sie im Handwerksrecht bestehen, könnten aufgehoben werden. ...
In der Studie Die Reform der Handwerksordnung: ein notwendiger Schritt in die
richtige Richtung wird ausgeführt:
Die von der Bundesregierung am 28. Mai 2003 beschlossene Novellierung
der Handwerksordnung wird nach Auffassung von Eckhardt Bode dazu führen,
dass Nicht-Meister im größeren Umfang handwerkliche Leistungen anbieten
werden, was den Wettbewerb intensiviert und die Preise handwerklicher
Leistungen für private Nachfrager senkt. Sie wird die
Konsumentensouveränität erhöhen, die Innovationskraft stärken und die
ökonomische Effizienz steigern. Auch wird die Novelle die Beschäftigung
in Deutschland erhöhen und die Schwarzarbeit verringern helfen. Damit
wird sie einen Beitrag zur Verringerung der Arbeitslosigkeit und zur
Steigerung der Einnahmen der öffentlichen Haushalte sowie der sozialen
Sicherungssysteme leisten.
In der Stellungnahme zur Handwerksnovelle 2003 des Institut
für Weltwirtschaft - Kiel von Herrn Dr. Bode Heißt es:
Auswirkungen der Novelle erwarte ich vor allem in den Bereichen des
Handwerks, die Leistungen für private Nachfrager erbringen und keiner
intensiven Konkurrenz durch nicht handwerkliche Anbieter (Industrie-,
Dienstleistungsunternehmen) ausgesetzt sind. Meines Erachtens wird die
Novelle dazu führen, dass es sowohl in den zulassungsfreien als auch in
den zulassungspflichtigen Gewerben zu Markteintritten von
Nicht-Handwerksmeistern kommen wird, die überzeugt sind, handwerkliche
Leistungen kostengünstiger und/oder mit höherer Qualität anbieten zu
können als etablierte Anbieter. Die Anreize für solche Markteintritte
sind vielschichtig (vgl. Bode 2003: 10 f.). Sicherlich werden sich nicht
alle zusätzlichen Anbieter am Markt bewähren. Entscheidend ist jedoch,
dass mit der Novelle ein Pool von fachlich und unternehmerisch
talentierten Handwerkern aktiviert wird, denen bisher der Marktzutritt
verwehrt war, weil sie - aus welchen Gründen auch immer - die
Meisterprüfung nicht ablegen können oder wollen. Infolge dieser
Markteintritte wird sich der Wettbewerb insbesondere um Privatkunden
intensivieren. Und genau diese Intensivierung des Anbieterwettbewerbs
erachte ich als den zentralen Auslöser für die positiven Auswirkungen
der geplanten Novelle der HwO. Sie ist der Schlüssel für mehr technische
und organisatiorische Kreati-vität auf der Angebotsseite und damit
letztlich für mehr Innovation, mehr (Kosten-) Effizienz und stärkere
Kundenorientierung.
In seiner Stellungnahme "Die Hartz-Reform - Ein Beitrag zur Lösung des Beschäftigungsproblems" stellt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung - die Forschungsstelle der Bundesanstalt für Arbeit - am 16.11.2002 fest:
Ein beträchtlicher Teil der Schwarzarbeit fällt im Handwerk an. Hier kann die Ich-/Familien-AG wohl kaum nennenswert zur Legalisierung beitragen, solange der so genannte "Meisterzwang" (der Große Befähigungsnachweis) den Marktzutritt entscheidend erschwert.
Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung stellt in einer Studie für das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen fest:
Ausgehend von der These, dass Bauen in Deutschland relativ teuer ist, wird untersucht, von welchen Faktoren die Höhe der Baukosten abhängt und ob die hierzulande vergleichsweise restriktiven institutionellen Regelungen, speziell die Handwerksordnung, signifikant zu einer Verteuerung des Bauens beitragen. Hierzu werden die Struktur der Anbieter von Bauleistungen und typische Bauabläufe in Deutschland sowie in ausgewählten europäischen Ländern vergleichend analysiert. Auf dieser Basis werden wirtschaftspolitische Empfehlungen erarbeitet. Von besonderem Interesse ist, ob und wie staatliches Handeln, insbesondere eine weitere Novellierung der Handwerksordnung, zu einer Baukostensenkung bzw. zu einer Dämpfung der Baukostensteigerungen beitragen könnte.
Fortschrittsbericht wirtschaftswissenschaftlicher Institute über die
wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland Halle (Saale), den 17. Juni 2002
(Seite 454)
Nach Ansicht der Institute sollte dieser Weg der Deregulierung
fortgesetzt werden. So sollte etwa die Handwerksordnung generell
auf den Prüfstand gestellt werden, steht sie doch der Dynamik
bei Unternehmensgründungen im Wege.(318) Dies könnte dazu beitragen,
die immer noch vorhandene Unternehmenslücke in Ostdeutschland zu verkleinern.
Fußnote 318: Dies ist in den früheren Anpassungsberichten der Institute
(DIW, IfW, IWH) immer wieder hervorgehoben worden. Auch die
Monopolkommission hat in ihrem Sondergutachten 2001 eine grundlegende
Reform der Handwerksordnung und insbesondere die Abschaffung der
Meisterqualifikation als bindende Voraussetzung für die selbständige
gewerbliche Ausübung eines Handwerks angemahnt Vgl. hierzu auch den
Aufsatz von Helmut Schmidt "Ein Paukenschlag für den Osten", DIE ZEIT
vom 04.10.2001, wieder abgedruckt in Deutsche Nationalstiftung, IWH,
"Die Wirtschaftsperspektiven der neuen Bundesländer", Hamburg 2002.
Kurzfassung
Langfassung
im Wochenbericht Wochenbericht 69. Jahrgang /7. März 2002, Seite 180
...
Ein Problem, das sich im Zuge der Ost-Erweiterung
erheblich verschärfen wird, ist die wettbewerbsverzerrende
Wirkung, die vom deutschen Handwerksrecht
ausgeht. Im Unterschied zu anderen EU-Inländern
werden Deutsche nur dann für Handwerkstätigkeiten
zugelassen, wenn sie in der Handwerksrolle
eingetragen sind. Im Zuge einer Niederlassungs-welle
von Mittel- und Osteuropäern werden die
Marktzutrittshürden für Deutsche immer höher. Der
Berliner Senat sollte darauf hinwirken, dass das
Handwerksrecht, das ohnehin nicht mit EU-Recht
vereinbar ist, abgeschafft wird. Denkbar wäre eine
Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Eine
Aufhebung des Handwerksrechts dürfte zu einer
Gründungswelle führen, und durch verstärkten
Wettbewerb entstünden schon kurzfristig preis-dämpfende
Effekte.
...
Wichtig für einen modernen Wirtschaftsstandort
ist auch, Investitionen zu beflügeln, anstatt sie
durch bürokratische Verwaltungsabläufe zu hemmen.
Regulierungen müssen auf das Notwendige
beschränkt werden. Überkommene wettbewerbsverzerrende
Vorschriften, wie die Marktzugangsbeschränkungen
im Handwerk, müssen abgeschafft
werden; dies wäre auch im Einklang mit EU-Recht.
...
siehe: Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 10/2002
Im Auftrag des "Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau" wurde im Juli 1994 ein Bericht von der Kommission zur Kostensenkung und Verringerung von Vorschriften im Wohnungsbau erstellt.
Unter anderem wurde auch die Handwerksordnung dort als Kostentreiber identifiziert.
Wohnhäuser, vor allem Einfamilienhäuser, werden zu einem hohen Teil in sehr kleinen Serien oder als Einzelstücke mit einem geringen Vorfertigungsanteil erstellt. Die Wertschöpfung auf der Baustelle, d.h. die Fertigungstiefe, ist hoch. Möglichkeiten der Kostendegression durch massenhafte Vorfertigung, die vor allem bei sinkenden Transportkosten besser genutzt werden könnten, bleiben unausgeschöpft. Typenbildung ist eher die Ausnahme. Auf deutschen Baustellen wird eine Vielzahl hochqualifizierter Handwerker bentigt. Dieses Ergebnis lässt sich auch darauf zurückführen, dass die Handwerksordnung und das Ausbildungssystem, aber auch die starke Stellung der Architekten ein Angebot hochspezialisierter Vor-Ort-Fertigung stärkt. Die besondere Rolle des Architekten fördert ebenfalls die Neigung zur hohen Wertschöpfung auf der Baustelle und zur Einzelfertigung. Nirgendwo ist die Architektendichte so groß wie in Deutschland. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es genauso viele Architekten wie in ganz Frankreich. Diese Neigung zur Maximierung des Impuls hochqualifizierter Leistungen wird in erheblichem Umfang durch die gesetzlich normierte Arbeitsteilung auf den Baustellen hervorgerufen. Die Rationalisierung des Bauprozesses wird am Markt nur selten durch Generalunternehmer als eigene Leistung angeboten. Die Erhöhung der Quote der Vorfertigung scheitert an den vielfältigen Hausformen und Geschosstypen. Wiederholbare und standardisierbare Haustypen sind die Ausnahme bzw. wurden durch die Rahmenbedingungen erschwert. Stärker als die Rationalisierungsmöglichkeiten durch bessere Prozesssteuerung und hohen Vorfertigungsanteil ist ein Qualitätswettbewerb, wobei Qualität vielfach mit Individualität gleichgesetzt wird und Standardisierung als qualitätsmindernd empfunden wird. Es ist heute schwer festzustellen. Inwieweit die gegenwärtig bestehenden Präferenzen durch dieses Angebotssystem mitgeprägt sind und inwieweit die Konsumenten durch die entstandenen Traditionen so stark geprägt sind, dass sie sich andere Lösungen nicht mehr vorstellen können. Der Kontrast zu Nachbarländern macht jedoch deutlich, dass hier eine "unsichtbare Hand" am Werk war. Viele kleine Einzeleinflüsse wirken in Richtung auf teure Einzelfertigung und erschweren standardisierte Typenbildung und Senkung der Fertigungstiefe auf der Baustelle, Erhöhung des Vorfertigungsanteils, Vereinfachung und Kostensenkung.
Bei Anmerkungen und Kritik freut sich der BUH über email, Post oder FAX an die Geschäftsstelle.
BUH e.V.: Artilleriestr. 6, 27283 Verden,
Tel: 04231-9566679, Fax: 04231-9566681,
mail: BUHev-Buro
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